Der Film basiert auf einem authentischen Vorkommnis, nachzulesen in Unterlagen der Parteikontrollkommission der SED. Ein Signal für zunehmende Angriffe auf Mitsprache und Mitbestimmungsrecht. Da wird auch der Doppelsinn des Titels deutlich, "Der Frühling braucht Zeit" meinte nicht nur das Warten auf den Lenz (Frostgefahr bei Ferngasleitung gebannt), sondern das Warten auf wärmere Zeiten. Doch stattdessen ging es in den kalten Archivkeller. Der Film war einer der ersten von zwölf DEFA-Spielfilmen, die das berüchtigte 11. Plenum des Zentralkomitees der SED im Dezember 1965 verbannte. Ein gut gemachter, hervorragend gespielter, beklemmender Film, spricht er doch sehr klar eines der wesentlichen Mankos des Sozialismus an: Die Partei, die Ideologie dominiert die Wirtschaft, nicht das Können der Fachleute. Und er zeigt darüber hinaus, dass auch die menschlichen Beziehungen desolat sind. Günter Stahnke unterstreicht das durch abstrahierendes Dekor und eine auch räumliche Distanz betonende Kameraführung. "Hier kündigte sich ein stilbewusstes Talent an. Die damaligen ideologischen Beckmesser ließen es nicht zur Entfaltung kommen", schreibt der Westberliner Filmkritiker Heinz Kersten 1990. Die DDR-Filmkritikerin Erika Richter meint: "Erst als wir seine frühen Filme sehen konnten, wurde uns klar, welchen Verlust die Filmkultur der DDR erlitten hatte." Der "Frühling braucht Zeit" blieb Stahnkes einziger Kinofilm. Zuvor schon mit zwei Fernseh-Arbeiten gemaßregelt, wurde er von der DEFA 1966 entlassen und zog sich aufs Gebiet der Fernsehunterhaltung zurück. Mehr als 100 Inszenierungen von ihm gingen in Adlershof über den Bildschirm, u.a. das Lustspiel "Wie sag ich's meinen Kindern", "Du bist dran mit Frühstück" sowie die Filmrevue "Maxe Baumann aus Berlin". Für seine DDR-Erstaufführung von Cole Porters Musical "Cancan" am Berliner "Metropol" bekam er 1969 auf dem Fernsehfestival in Montreux den "Chaplin-Preis" für den komischsten Film - eine Auszeichnung, die bis heute nur wenigen deutschen Regisseuren zuteil wurde. Nach der Devise "Lasst uns endlich mal wieder lachen" gründete Günter Stahnke im Jahr 2001 das "Theater der Komödianten", mit dem er erfolgreich durch Deutschland auf Tournee ging. Am 10. Oktober wurde der Meister der Fernsehunterhaltung 75.
(ARD alpha)
Länge: ca. 76 min.
Cast & Crew
- Regie: Günter Stahnke
- Drehbuch: Hermann O. Lauterbach, Günter Stahnke, Konrad Schwalbe
- Produktion: Lothar Erdmann, Heinz Herrmann
- Produktionsfirma: DEFA
- Musik: Gerhard Siebholz
- Kamera: Hans-Jürgen Sasse
- Schnitt: Erika Lehmphul
- Regieassistenz: Eva Seemann
- Ton: Kurt Eppers