Die letzten Töne eines Klavierkonzertes verklingen im Konzertsaal einer westdeutschen Stadt. Der Pianist Hans Seiser verbeugt sich vor dem applaudierenden Publikum. Da fällt sein Blick auf ein Gesicht in der Menge, das er seit vielen Jahren nicht vergessen hat. Damals, 1943, war er noch Musikstudent, inhaftiert mit zwei anderen Deutschen, angeklagt wegen Hochverrats. Endlose Verhöre und dieses Gesicht mit der Narbe. Es ist das Gesicht des Gestapobeamten Dr. Becker. Hans Seiser ist sich ganz sicher. Er geht zur Polizei und erstattet Anzeige. Ausführlich berichtet er dem diensthabenden Beamten von der brutalen Behandlung durch Becker, von seiner Flucht aus dem Gefängnis und dem gefahrvollen Versuch, in die Schweiz zu gelangen. Der Gestapobeamte Becker soll endlich für seine Taten zur Verantwortung gezogen werden. Der Fernsehfilm "Die letzte Chance" basiert auf dem 1961 erschienenen Roman "Das Gesicht mit der Narbe" von Herbert Ziergiebel und erzählt als Rückblende diese Geschichte aus Hitlerdeutschland und seinen besetzten Gebieten, zeichnet ein Bild des Widerstandes ohne falsches Pathos. Das Filmende, das zeigt, dass es höchstwahrscheinlich nie zu einer Verurteilung Dr. Beckers kommen wird, entsprach nur allzusehr der Nachkriegswirklichkeit. In der Rolle des Pianisten ist der junge Armin Mueller-Stahl zu sehen. Er kann auf dem spannend gezeichneten Fluchtweg, bei den Begegnungen mit den verschiedensten Menschen und beim Meistern der unterschiedlichen Gefahrensituationen, die gesamte Klaviatur seines darstellerischen Könnens bespielen - die Angst, gefasst zu werden, findet ihren Ausdruck vor allem auch in den Momenten, in denen er immer wieder neue Varianten seiner momentanen Situation fabulieren muss. Der Film besticht - neben der Regie- und Kameraleistung - auch durch seine weitere Besetzung: An der Seite von Armin Mueller-Stahl spielen so namhafte Darsteller wie Eva-Maria Hagen, Hilmar Thate und Raimund Schelcher sowie als kleines Kind: Katharina Thalbach. Das rbb Fernsehen sendet diesen Film zu Ehren von Armin Mueller-Stahl, der am 17. Dezember 90 Jahre alt wird. Der 1930 in Tilsit geborene Armin Mueller-Stahl wuchs in einer kunstliebenden Familie auf und wurde im Laufe seines Lebens nicht nur ein international höchst geachteter Schauspieler, sondern ist ebenso als Maler, Musiker und Autor anerkannt. Seine schauspielerische Karriere begann Armin Mueller-Stahl 1952 am Theater am Schiffbauerdamm und wechselte 1954 an die Volksbühne, der er über 20 Jahre die Treue hielt. Mitte der fünfziger Jahre begann seine Arbeit beim Film, und er entwickelte sich mit DEFA-Filmen wie "Fünf Patronenhülsen" (1960), "Königskinder" (1962), "Tödlicher Irrtum" (1970) sowie Fernsehfilmen wie "Die letzte Chance" (1962), "Das unsichtbare Visier" (Serie 1973) und "Geschlossene Gesellschaft" (1978) zu einem der gefragtesten und beliebtesten Charakterdarsteller der DDR. Nach seiner Übersiedlung in den Westen im Jahr 1980 - als Folge seines Protestes gegen die Biermann-Ausbürgerung - konnte Armin Mueller-Stahl fast nahtlos seinen erfolgreichen Weg fortsetzen, er drehte zunächst mit Rainer Werner Fassbinder, Andrzej Wajda und vielen anderen renommierten deutschen und europäischen Regisseuren. Ende der 80er Jahre führte ihn sein Weg nach Hollywood, wo er gleich mit seiner ersten Rolle in "Music Box - Die ganze Wahrheit" (1989) besondere internationale Aufmerksamkeit erzeugte. Für die Titelrolle in "Utz" erhielt er 1992 den Silbernen Bären, für seine Vater-Rolle in "Shine - Der Weg ins Licht" wurde er 1997 mit einer Oscar-Nominierung geehrt. Auch in Deutschland drehte er immer wieder, so verkörperte er Thomas Mann in dem TV-Dreiteiler "Die Manns - ein Jahrhundertroman" (2001). Direkt im Anschluss, den 18.12.2020, um 01:30 Uhr, zeigt das rbb Fernsehen mit "Geschlossene Gesellschaft" einen weiteren Film zu Ehren von Armin Mueller-Stahl.
(rbb)
Länge: ca. 77 min.
Deutscher Kinostart: 30.11.1961
Cast & Crew
- Regie: Hans-Joachim Kasprzik
- Drehbuch: Hans-Joachim Kasprzik, Hans Oliva
- Produktion: Erich Albrecht, Waldemar Döring, Günter Propp
- Produktionsfirma: Deutscher Fernsehfunk
- Musik: Günter Hauk
- Kamera: Otto Hanisch
- Schnitt: Helga Krause
- Regieassistenz: Brigitte Diesing-Legler
- Ton: Konrad Walle