Ein "Tag in Neapel" erzählt von der unfreiwilligen Begegnung zweier Teenager und den Lebensbedingungen der schweigenden Mehrheit in einer von der Camorra vereinnahmten Stadt. Veronica und Salvatore sind in einem leeren Gebäude einen Tag sich selbst überlassen. Sie soll bestraft werden, er sie bewachen, bis der Boss über Veronicas Schicksal entscheidet. Obwohl sie nicht wirklich eingesperrt sind, können oder wollen sie nicht fliehen. Salvatore, 16 Jahre alt, verkauft Getränke von einem Karren, den er durch sein Viertel in Neapel schiebt. Der Unterstellplatz für den Karren ist ein großes, verwahrlostes Anwesen am Rand von Neapel, geschützt von einer hohen Mauer. An einem Sommermorgen wird Salvatore von Mitgliedern der Camorra aus dem Viertel befohlen, das Gebäude aufzuschließen und dort auf ein junges Mädchen aufzupassen, bis der "Boss" kommt und über ihr Schicksal entscheidet. Schnell wird klar, dass die beiden auf unterschiedliche Art Gefangene sind. Veronica hat den Camorra-Chef ihres Wohnviertels vor den Kopf gestoßen. Was genau sie getan hat, bleibt lange unklar. Sie ist 16, hübsch, sehr selbstsicher, keck und offensichtlich beliebt. Salvatore, rundlich, ein bisschen unbeholfen und schüchtern, mag Veronica. Und doch hat er nicht gewagt, Nein zu den Männern der Camorra zu sagen, die ihn zum Gefängniswärter gemacht haben. Veronica lässt ihn ihre Verachtung dafür deutlich spüren. Nun sind die beiden also an diesem gottverlassenen Ort, der ein bisschen gruselig ist, aber irgendwie auch geheimnisvoll und spannend. Sie beginnen, das merkwürdige Gebäude zu erkunden, sie verlaufen und verlieren sich, und Veronica findet sogar eine Öffnung in der Mauer: Sie könnte fliehen, doch sie tut es nicht. Im Verlauf der langen Stunden des Wartens nähern sich die beiden Teenager einander an. Aus der anfänglichen Feindseligkeit wird ein Miteinander, fast eine Zuneigung, geprägt von Wertschätzung und Würde. Veronica und Salvatore finden zu einer Menschlichkeit, die außerhalb dieser Mauern verschwunden zu sein scheint. Sie erzählen einander von der Welt der Gewalt, die sie beherrscht und unterdrückt. Sie sprechen über ihre Träume und auch über ihre Ängste. Über Angst überhaupt. Gegen Abend treffen dann die Camorristi ein. Der Regisseur Leonardo Di Costanzo ist auf Ischia geboren, er lebt und arbeitet in Paris und Neapel. Ein "Tag in Neapel" ("L'Intervallo") ist sein erster Spielfilm, zuvor hat er Dokumentarfilme gemacht, drei davon in Zusammenarbeit mit dem ZDF/Das kleine Fernsehspiel beziehungsweise mit ARTE France: "Prove di Stato" ("Probe für den Staat", 1999), "A Scuola" (2003) und "Odessa" (2006), alle mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Für "A Scuola" begleitete er eine Gymnasialklasse in einem Vorort von Neapel über ein ganzes Jahr. Zwei der Jugendlichen aus dieser Klasse haben Di Costanzo zur Geschichte von "Ein Tag in Neapel" ("L'Intervallo") inspiriert. Dazu sagt er: "In einigen meiner Filme haben Jugendliche eine zentrale Rolle gespielt (...). Und während ich sie filmte, wurde mir klar, dass der Dokumentarfilm dort seine Grenzen hat, wo es darum geht, diese sich ständig wandelnde, ungenaue innere Welt der Stille und der plötzlichen Stimmungswechsel von Heranwachsenden zu zeigen." Das wurde der Ausgangspunkt von "Ein Tag in Neapel". Die Premiere von "Ein Tag in Neapel" ("L'Intervallo") fand 2012 bei den Internationalen Filmfestspielen Venedig statt, wo der Film mit insgesamt sieben Preisen ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI als Bester Film der Sektionen "Orizzonti" und der Kritikerwoche, dem Preis Francesco Pasinetti (SNGCI) und dem Preis "UK-Italy Creative Industries Award - Best Innovative Budget". Der Drehbuchautor Maurizio Braucci ist Neapolitaner. Für seine erste "Filmarbeit", das Drehbuch zu Matteo Garrones Film "Gomorra", hat er 19 internationale Auszeichnungen erhalten. Der Kameramann Luca Bigazzi hat unter anderem Abbas Kiarostamis "Copie Conforme / Die Liebesfälscher", Gianni Amelios "Le Chiavi di Casa / Die Hausschlüssel" und Paolo Sorrentinos "Il Divo / Der Göttliche" fotografiert.
(ZDF)
Länge: ca. 79 min.
Deutsche TV-Premiere: 09.10.2014 (arte)
gezeigt bei: Das kleine Fernsehspiel (D, 1963)
Cast & Crew
- Regie: Leonardo di Costanzo
- Drehbuch: Maurizio Braucci, Mariangela Barbanente, Leonardo di Costanzo
- Produktion: Carlo Cresto-Dina, Tiziana Cerutti Soudani, Tempesta, Amka Films Productions, Rai Cinema
- Produktionsfirma: Das kleine Fernsehspiel
- Musik: Marco Cappelli
- Kamera: Luca Bigazzi
- Schnitt: Carlotta Cristiani