Alexander Smoltczyk, mehrfach ausgezeichneter Reporter des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", hat mit "Endstation Bataclan" einen formal wie inhaltlich außergewöhnlichen Dokumentarfilm gedreht. Einen Film, bei dem der Terrorist Samy Amimour selbst nur als blinder Passagier mitfährt, als Schatten, der oft auf die Gespräche der Fahrgäste fällt. Denn um sie geht es, die Menschen entlang der Linie 148, die Bewohner der nördlichen Banlieues von Paris. Da ist der Imam, der seine Moschee nur unter Polizeischutz betreten kann, weil er einen Islam in den Farben der Republik predigt. Da ist die ehemals linke Busfahrerin, die sich selbst in die Provinz ausgebürgert hat, weil muslimische Kollegen ihr nicht mehr die Hand geben wollten. Da ist die alte Lehrerin Madame Sauvage, die als einzige geborene Französin in ihrem Sozialbau-Turm aushält, an der Haltestelle "Lenin". Der Erzähler gesprochen von Ulrich Matthes nimmt den Bus und durchquert die Welt, aus der der Attentäter Samy Amimour kam. Er steigt frühmorgens in den 148er ein und lässt sich von Station zu Station bringen. Jeder Halt ist ein Fenster in eine Welt, die selbst vielen Bewohnern des stolzen Paris eine fremde ist. Es ist bisweilen kaum zu glauben, wie sich die Geschichte und die Geschichten der Französischen Republik durch den sehr gewöhnlichen Bus 148 erzählen lassen, von Asterix bis zur Schoah. Denn auch ein Deportationslager findet sich auf der Strecke. Aus einer Busfahrt durch die Tarifzone 3 wird eine beklemmende und ungemein anrührende Reise durch die Träume und Trümmerlandschaften der Republik. Das Rätsel Samy Amimour, des Busfahrers und Attentäters, kann der Film nicht lösen, und er will es auch nicht. Aber er zeigt jene Banlieue, aus der Amimour kam. Er zeigt sie in all ihren Widersprüchen, und beweist doch, wie reich diese Welt jenseits der Périphérique ist und wie ärmlich die Existenz eines Attentäters.
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Länge: ca. 82 min.
Deutsche TV-Premiere: 08.11.2016 (arte)
Cast & Crew
- Regie: Grit Lederer, Alexander Smoltczyk