Das New Yorker Ensemble Mabou Mines interpretiert Ibsens Theaterstück "Nora oder Ein Puppenheim" auf seine eigene, moderne Weise völlig neu. Das Ergebnis begeisterte auf dem Stuttgarter Festival "Theater der Welt" sowie dem Pariser Festival d'Automne 2005 Publikum und Kritik gleichermaßen. Seither tourt die Truppe mit "Mabou Mines Dollhouse" um die ganze Welt. Die intelligente Inszenierung verbindet Schönes mit Befremdlichem. Zu Beginn bildet ein Klavierkonzert von Grieg den musikalischen Hintergrund, auf der Bühne ist ein Eisberg zu sehen, es tobt ein Schneesturm. Rote Vorhänge fallen, umrahmen bald den ganzen Raum und schaffen eine Theaterwelt. Dann taucht ein Haus auf, ein echtes Puppenhaus mit Miniatureinrichtung. Darin befinden sich die blonde Nora, ihre Freundin Kristine, die sich alt fühlt, und die Dienstmagd Helene, eine schwangere Riesin. Die männlichen Rollen werden von Kleinwüchsigen gespielt, auf die das Haus zugeschnitten ist. Zu Beginn des Stücks kommt Nora mit Weihnachtsgeschenken für ihren Mann und ihre Kinder nach Hause. Die Festvorbereitungen sind in vollem Gange. Die junge Frau, ein herziges, scheinbar in Sorglosigkeit und Geborgenheit lebendes Püppchen, ist aufgedreht und voll kindlicher Vorfreude. Aber das Puppenhaus ist eine Männerwelt, in der viele Wahrheiten besser nie ausgesprochen würden. Die amerikanische Sprache färbt die Inszenierung mit norwegischem Akzent, und die gestische Ausdrucksweise erinnert an das japanische Bunraku-Marionettentheater. Lee Breuer führt so in eine irreale Welt, die an die Zeichentrickfilme Walt Disneys erinnert, wirklich ist darin nur die Seelennot der Protagonisten. Torvald und Nora, das scheinbar perfekte Ehepaar, verfangen sich nach und nach in den Fallstricken ihrer Lebenslügen. Aus der hochkarätigen Besetzung sticht vor allem Maude Mitchell in der Rolle der Nora durch ihr bewegendes Spiel hervor. Entstanden ist eine vielschichtige und faszinierende Inszenierung, die sich nahe an den Figuren bewegt und den Zuschauer immer wieder zu überraschen weiß.
(arte)