Die besondere Beziehung zum Tod drückt sich in Wien auch in der Musik aus. Die Dokumentation trifft Musiker zu Liedern und Gesprächen an interessanten Orten der Stadt. Bariton Rafael Fingerlos, Pianist Sascha El Mouissi und die Divinerinnen führen in die Tiefe der Musik von Schubert, Mozart, Beethoven, Mahler und Strauss vom Friedhof St. Marx oder dem Zentralfriedhof, bis zu Schuberts Sterbehaus und zu der alten Zacherlfabrik. In Zusammenarbeit mit dem Bariton Rafael Fingerlos erkundet der Film von Martin Pichl, wie Musik den Blick auf Sterblichkeit wandelt: zwischen Abschied, Erinnerung und einer leisen Zuversicht. Große Liedkunst trifft auf persönliche Gespräche. Sie zeigen, wie Töne Rituale tragen, Sprache ersetzen und Gemeinschaft stiften. "Der Tod muss ein Wiener sein", heißt es in einem Lied des Wieners Georg Kreisler. Das Ende des Lebens eines Menschen wird dort besonders zelebriert und feierlich besungen. Nirgends scheint sich der Tod wohler zu "fühlen" als in der alten Kaiserstadt. Die Morbidität der Vergänglichkeit ist in Wien allgegenwärtig, insbesondere zu fortgeschrittener Stunde, wenn es ruhig wird in engen Gassen und irgendwo eine leise Kirchenglocke an den steten Lauf der Zeit erinnert. Die filmische Reise führt zu besonders stimmungsvollen Orten in Wien. Auf dem Friedhof St. Marx öffnet sich der Blick auf das Gedenken: Kerzen, Namen, Stille. In der Zacherlfabrik wurde einst Mottenpulver hergestellt, das ein Versicherungsunternehmer gegen Mottenfraß erfunden hatte, Johann Zacherl. In dem denkmalgeschützten Bau entstanden für den Film ungewöhnliche Musikaufnahmen - nah, atmend, ohne Pathos. Der Wiener Zentralfriedhof weitet die Perspektive auf das Stadtgedächtnis und berühmte Komponisten. In Schuberts Sterbewohnung verdichten sich Biografie und Lied. Kurze Tableaus aus der Stadt fassen Übergänge: Lichtwechsel, Schritte, das Aufflackern einer Kerze. Musikalisch spannt der Film den Bogen von Schubert, Mozart und Beethoven bis zu Mahler und Strauss. Rafael Fingerlos (Bariton) und Sascha El Mouissi (Klavier) interpretieren etwa Schuberts "An die Musik", Mozarts "Abendempfindung", Beethovens "In questa tomba oscura" und Strauss' "Allerseelen" sowie "Morgen!". Ein Streichquartett aus Mitgliedern der Wiener Philharmoniker und dem Wienerlied-Ensemble Divinerinnen erweitern die Klangfarben; Mahlers "Ich bin der Welt abhandengekommen" erklingt in einer neuen, kammermusikalischen Bearbeitung. Die Bestatterin Sonja Dietl vertieft: Der Umgang mit dem Tod wandelt sich, doch Musik bleibt. Die Kamera lässt Räume und Pausen zu, die Montage arbeitet musikalisch - mit Atem und Blickachsen. So entsteht ein Raum, in dem das Publikum eigene Erfahrungen spiegeln kann - zwischen Trauer, Dankbarkeit und Hoffnung.
(3sat)
Länge: ca. 55 min.
Deutsche TV-Premiere: 02.11.2025 (3sat)
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Cast & Crew
- Drehbuch: Martin Pichl