Naoko (Sachiko Hidari) lebt mit ihrem Mann Eichi (Eiji Okada) in einer riesigen Vorstadtsiedlung. Neben den modernen Wohnblöcken hausen Lumpensammler in behelfsmässigen Wellblechhütten. Naokos Mann geht jeden Morgen zur Arbeit, während sie in der komfortablen Wohnung allein zurückbleibt. Ihre Versuche, mit ihren Nachbarinnen in Kontakt zu kommen, scheitern. Aber Naoko geht mit neugierigem Blick und mit offenem Herzen durch ihre Nachbarschaft. Sie kümmert sich um die verwilderten Kinder der Randständigen und um den jungen Wäscheausträger vom Lande (Akio Hasegawa). Bei ihren Streifzügen durch die Umgebung freundet sie sich mit dem Lumpensammler Ikona (Kikuji Yamashita) an. Wie sich herausstellt, kennt ihr Mann diesen aus seiner Studienzeit. Als Eichi seinem ehemaligen Kommilitonen eine geregelte Arbeit verschaffen will, stösst er jedoch auf Ablehnung: Ikona lebt mit seinem Hund Kuma und dem blinden Mädchen Hanoka (Mariko Igarashi) zusammen und ist nicht bereit, dieses Leben für eine bürgerliche Existenz aufzugeben. Als Eichi auf einer Geschäftsreise ist, erkrankt Hanoka an einer Lungenentzündung und Naoko nimmt sie zu sich nachhause. Bei seiner Rückkehr findet Eichi Ikona und das Kind in seiner Wohnung. Nun hat er endgültig genug von der Grossherzigkeit seiner Frau. Er möchte in seinem Leben als normaler Bürger nicht weiter gestört werden und untersagt ihr, sich weiter um diese Menschen zu kümmern. Das Kind lässt er ins Armenhospiz einliefern. Als Ikona kurz darauf seinen geliebten Hund vermisst, geht Naoko gegen den Willen ihres Mannes gemeinsam mit ihm auf die Suche.
(SRF)
Zeitgleich mit der Nouvelle Vague in Frankreich entstand in Japan eine moderne Filmströmung, die ebenfalls das traditionelle, klassische Kino der «Vätergeneration» - in diesem Fall das Kino eines Akira Kurosawa oder Yasuijro Ozu - mit neuen formalen Mitteln und thematischen Schwerpunkten hinterfragte. Neben bekannten Namen wie Nagisa Oshima und Shohei Imamura gehörte der Tokioter Susumu Hani zu den herausragendsten Vertretern dieser so genannten «Nuberu bagu» (Neuen Welle). Vom Dokumentarfilm her kommend legt Hani in seinen Spielfilmen Wert auf die Authentizität der Schauplätze und setzt häufig Laiendarsteller in Nebenrollen ein. Seine Werke weisen starke Bezüge zum absurden Theater, zum italienischen Neorealismus und zu den Werken von Antonioni oder Resnais auf. In «Kanojo to Kare», wie in vielen seiner Filme, thematisiert Hani die Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg stark verändert hat. Die streng patriarchalischen, traditionellen Strukturen werden langsam durch die der modernen Wohlstandsgesellschaft abgelöst. Hanis Protagonistin findet im Laufe des Films zu sich selber. Die Begegnung mit dem Lumpensammler, wunderbar gespielt von Kikuji Yamashita, sowie ihre eigene Neugier und Grossherzigkeit eröffnen ihr eine neue Sicht auf die Welt. Im Gegensatz zu ihrem Mann, der sich im Film einmal als Durchschnittsmenschen bezeichnet, verlässt sie damit den wohlgeordneten Rahmen des Bürgertums. Naoko wird von Sachiko Hidari dargestellt, die lange mit Hani verheiratet war und in vielen seiner Filmen mitspielte. Hidari erhielt für ihre sensible Darstellung den «Silbernen Bären» an der Berlinale 1964.
(SRF)
Länge: ca. 110 min.
Original-Kinostart: 18.10.1963 (J)
Cast & Crew
- Regie: Susumu Hani
- Drehbuch: Susumu Hani, Kunio Shimizu
- Produktion: Teizô Koguchi, Masayuki Nakajima
- Musik: Toru Takemitsu
- Kamera: Juichi Nagano
- Schnitt: Noriaki Tsuchimoto