So reiste das Politbüro

Die Bilder haben sich eingeprägt: nie endende Bruderküsse auf dem Moskauer Flughafen, Fähnchen schwenkende Kinder am Straßenrand, Erich Honecker mit ernstem Gesicht auf dem roten Teppich in Bonn. Das Bild, das Honecker in Bonn zeigt, ist bekannt: "Honecker war damals sehr aufgeregt", erinnert sich der heutige Innenminister und damalige Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schäuble. Es war ein langer Weg, den die kleine DDR gehen musste, um in der großen Weltdiplomatie anzukommen. Gingen die Staatsreisen anfangs ausschließlich in die "Bruderländer", entfaltete sich nach dem Grundlagenvertrag mit der Bundesrepublik ein Reiseboom. Erstmals gibt ein Film Einblicke in die Welt der Arbeits- und Staatsbesuche des Politbüros und zeigt bisher unveröffentlichtes Archivmaterial. Politiker erinnern sich an ihre privaten Eindrücke, ehemalige DDR-Botschafter, Dolmetscher und Protokollchefs plaudern aus dem Nähkästchen der Politbüro-Diplomatie. Sie berichten von den mühsamen Anfängen in den fünfziger und sechziger Jahren und über die enthusiastischen Empfänge in Afrika oder Kuba sowie die streng durchprotokollierten Besuche in die Bundesrepublik. So ist zu erfahren, dass Erich Honecker es strikt ablehnte, einen Frack anzuziehen, aber gern mit afrikanischen Kriegern tanzte. Diplomatische Mitarbeiter erklären die historischen Wurzeln der Bruderküsse und diplomatische Feinheiten eines Japanbesuches. Neben den Kuriositäten des Protokolls beleuchtet der Film die politischen und wirtschaftlichen Aspekte der Reisen. Entwicklungsländer wurden mit Brot und Waffen versorgt und lieferten dafür den in der DDR heiß begehrten Kaffee. Auf Kuba ließ das Politbüro eines der weltgrößten Zementwerke errichten - trotz chronischen Baustoffmangels im eigenen Lande. So ist es wohl eine Ironie der Geschichte, dass der einzige für die DDR profitable Handelspartner am Ende der "kapitalistische Klassenfeind" BRD war.