Justin (Lou Taylor Pucci) ist unsicher und linkisch, lässt sein halblanges Haar wie einen Vorhang vors Gesicht fallen und ist heimlich in seine Mitschülerin Rebecca (Kelli Garner) verliebt. Das alles ist nichts Besonderes bei einem 17-Jährigen, der sich in seinem Leben wie im falschen Film fühlt. Doch Justin offenbart seine Pubertätsnöte allzu deutlich, denn er lutscht am Daumen. Die hartnäckige Fixierung auf diesen Saugreflex führt nicht nur dazu, dass die sich anbahnende Beziehung mit der umschwärmten Rebecca in die Brüche geht. Sie verformt auch Justins Kiefer, worauf die beunruhigten Eltern ihren Sohn zum Zahnarzt schicken. Die Hypnose des esoterisch angehauchten Dentisten Dr. Perry Lyman (Keanu Reeves) bewirkt, dass Justin der Daumen plötzlich nicht mehr schmeckt. Ohne sein orales Beruhigungsmittel wird der stille Däumling allerdings rebellisch, was wiederum einen Besuch bei der Schulpsychologin und die Verschreibung eines Psychopharmakons zur Folge hat. Von Gute-Laune-Pillen mächtig aufgeputscht, surft Justin fortan auf der Erfolgswelle und avanciert zum Star der schuleigenen Diskussionsgruppe. Während Justin alle Welt an die Wand redet, wird das Verhältnis zu seinen Eltern immer gespannter. Auf seinen Vater (Vincent D'Onofrio), dessen Football-Karriere scheiterte, blickt er verächtlich hinab. Und als seine Mutter (Tilda Swinton) scheinbar eine Affäre hat, spioniert er ihr nach. Damit ist der nächste Absturz bereits vorprogrammiert. Regisseur Mike Mills machte sich als Werbefilmer, Designer und Grafiker einen Namen. Seine Debütkomödie um die Qualen des Erwachsenwerdens aus neuer Perspektive ist geprägt vom lakonischen Flair eines Independentfilms. Hier wird die menschliche Existenz als stoisches Aussitzen beschrieben, Humor zum Auf-die-Schenkel-Klopfen sucht man vergeblich: Untermalt von einem kenntnisreichen Pop-Soundtrack, wirft der unkonventionelle "Coming-of-Age-Film" einen ironischen Blick auf eine Gesellschaft, in der reibungsloses Funktionieren oft nur durch legale oder illegale Drogen zu bewerkstelligen ist. Newcomer Lou Taylor Pucci bekam für seine Darstellung des Antihelden Justin auf der Berlinale 2005 einen Silbernen Bären verliehen. In den weiteren Rollen glänzen Vince Vaughn als Lehrer, Vincent D'Onofrio als Justins Vater und die britische Ausnahmeschauspielerin Tilda Swinton. Sie spielt die patente Mutter, deren berufliche Karriere Mann und Sohn befremdet. Keanu Reeves, bisher vor allem durch Actionfilme wie "Speed" oder "Matrix" bekannt, ist als ratloser Zahnarzt Perry ein echter Genuss. Perry, dessen Alltagsphilosophie sich als ebenso flexibel erweist wie die seines Patienten Justin und der sich vom Esoteriker zum Raucher wandelt, sorgt als subtiler Running Gag ein ums andere Mal für Erheiterung - und Erkenntnisgewinn.
(ARD)
Länge: ca. 96 min.
Deutscher Kinostart: 05.10.2006
Original-Kinostart: 07.10.2005 (USA)
FSK 12
Cast & Crew
- Regie: Mike Mills
- Drehbuch: Mike Mills, Walter Kirn
- Produktion: Anthony Bregman, Bob Stephenson, Callum Greene, Robert Katz, Robert Leveen, Diana Tauder, John Portnoy
- Musik: Tim DeLaughter, Elliott Smith
- Kamera: Joaquín Baca-Asay, Walter Cahall
- Schnitt: Angus Wall, Haines Hall
- Szenenbild: Heather Loeffler
- Maske: Jorjee Douglas
- Regieassistenz: Haze J.F. Bergeron III, Kathy Krause, Casey Mako, Dawn Massaro, Rod Smith
- Ton: Randy Babajtis
- Spezialeffekte: Kelly Meenen
- Stunts: Steve Buckley