Folgeninhalt
Rund drei Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund leben in Deutschland - egal, ob als Migranten der ersten Generation oder in späteren Generationen geboren. Die türkische Community ist die größte Gruppe unter den Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Aber: Wie viel Türkei, wie viel Deutschland steckt in den Enkeln und Kindern der früheren Migranten? Wie leben die Türken in Deutschland? "Wenn mich jemand fragt, ob ich Türke oder Berliner bin, sag ich immer: Ich bin Berliner!" So sieht sich Melih (23), musikbegeisterter Bäcker aus der Hauptstadt. Sein Vater Ertan führt ein großes Familienunternehmen für türkische Süßspeisen. "In meiner Klasse waren nur Türken - gar keine anderen Ausländer", erzählt er aus seiner Kindheit. Auch sein Bruder Seyit arbeitet im Unternehmen. Seine Heimat liegt "irgendwo dazwischen" - irgendwo zwischen Deutschland und der Türkei. Auch Schwester Melike (17) ist Berlinerin - die Türkei ist für sie ein reines Urlaubsziel. "Die erkennen uns direkt - die hassen uns." Warum, kann sie sich auch nicht wirklich erklären. Auch beim Aussehen gibt es große Unterschiede. "Die Frisur unterscheidet uns auf jeden Fall von den Türken in der Türkei - lange Haare mit Zopf gibt es dort kaum." Melike hat einen großen Traum - sie möchte Sängerin werden. Dafür möchte sie ihren ersten eigenen Song aufnehmen - natürlich mit der Unterstützung ihres großen Bruders. Der Traum vom eigenen Supermarkt - den hat sich Selim Demirel mit seinem Schwager Harun vor drei Jahren erfüllt. Ein Leben in der Türkei können sich die beiden nicht vorstellen. "Würden die sagen, wir geben Ihnen so viel Geld, damit könnten Sie in die Türkei umziehen, würde ich nein sagen. Ich würde lieber hierbleiben." Selims Alltag beginnt morgens um sechs Uhr auf dem Kölner Großmarkt - hier möchte er durch geschicktes Handeln und seinen türkisch-kölschen Charme die besten Schnäppchen abräumen, bevor es dann direkt weiter in seinen kleinen Supermarkt in der Einkaufspassage des Bonner Hauptbahnhofs geht. Sieben Tage die Woche hat der Familienbetrieb geöffnet - und wenn es mal eng wird, springt Selims Schwester Hazret ein. Nebi Sagir (46) ist in Hannover geboren, erfolgreicher Geschäftsmann im Sabbatjahr und macht keinen Hehl daraus, wen er bei der letzten Türkeiwahl gewählt hätte: Erdogan. "Ich fand die Opposition einfach sehr schwach", erklärt der 46-jährige Familienvater. Auch sein Leben als Deutscher mit türkischen Wurzeln war nicht immer einfach. "Eigentlich habe ich immer das Gefühl, das Doppelte leisten zu müssen wie Thomas, Andi oder Klaus. Hier bin ich immer der Türke gewesen und in der Türkei war ich der Deutschländer." Halt und Heimat findet er in der örtlichen Moschee - Religion ist für ihn wichtig. Wenn möglich, versucht er fünf Mal am Tag zu beten. Auch sein Freund Yacub ist sehr religiös: "Eine Verabredung mit Allah ist einfach wunderschön." "Ich wollte kein ewiger Gast sein", sagt Abdullah Altun (58) über seinen Weg nach Deutschland. Er wächst in Duisburg auf, besucht die Hauptschule und beginnt 1983 eine Ausbildung bei der Deutschen Bundesbahn. Er schließt mit Bestnoten ab, doch die Beamtenlaufbahn bleibt ihm verwehrt - wegen seiner türkischen Staatsbürgerschaft. "Ich habe bestanden - aber ich war der Falsche mit dem falschen Pass." Eine Erfahrung, die ihn prägt, aber nicht aufhält. 1996 gründet Altun die Altun Gleis- und Tiefbau GmbH. Abdullah Altun hat Deutschland nicht nur als Heimat angenommen - er fühlt sich auch verantwortlich: "Ich bin kein Gast. Ich bin Teil dieses Hauses. Und manchmal repariere ich auch das Fundament." Die "ZDF.reportage" taucht ein in deutsch-türkische Welten auf der Baustelle, in der Moschee und in der Hauptstadt Berlin. Eines ist für alle klar: Sie sind in Deutschland zu Hause. Und doch bleibt die Frage: Wo ist die Heimat? In Deutschland, wo sie leben? Oder doch in der Türkei, dem Land ihrer Vorfahren? Oder vielleicht irgendwo dazwischen?
(ZDF)
Länge: ca. 30 min.