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TV-Kritik/Review: Mr. Robot
(17.08.2015)
Wie erzählt man von der Tätigkeit eines Hackers? Wie visualisiert man Vorgänge aus dem Inneren von Datennetzen? In der Regel wird das in Filmen und Serien folgendermaßen gemacht: Ein manischer Typ, manchmal auch weiblich, meist mit Kapuze, sitzt an der Tastatur, die Kamera fokussiert entweder seine rasch tippenden Finger oder aber die auf dem Monitor vorbeihuschenden Zeichenkolonnen. Nonsens in dekorativem Grün. Der Hacker selbst ist irgendwie gestört, zum Beispiel Autist. Beim Coden lutscht er einen Lolly. Und er hat es ausschließlich mit Ungeheuerlichkeiten zu tun, um die sich alle Leaks-Plattformen der Welt reißen würden.
Macht
Nachts wandelt sich Elliot zum Rächer im Auftrag des vermeintlich Guten, wobei er sich selbst wohl als Robin Hood der Social-Media-Accounts sieht, während andere sein Tun eher als fragwürdige Selbstjustiz bezeichnen würden. In der einstündigen Pilotfolge, die von Niels Arden Oplev (dem Regisseur der schwedischen "Verblendung"-Verfilmung) sehr sytlish inszeniert wurde, sieht man ihn gleich zu Beginn den Chef eines Kinderpornorings hochnehmen. Später wird er den betrügerischen Verehrer seiner Therapeutin entlarven, noch später dann Shaylas Stalker.
Auftritt Mr. Robot. Der Underground-Revoluzzer macht sich in Elliots Welt stilecht durch einen Online-Angriff bemerkbar. Die Attacke trifft das System des Firmengiganten E. Corp, ein Weltkonzern wie Google, Amazon und Apple zusammen. Die E. Corp ist der wichtigste Kunde von Allsafe - nicht auszudenken, was geschähe, gelänge es Elliots Firma nicht, die Attacke abzuwehren. Elliot findet jedoch heraus, dass der Angriff nur ein Fake ist, ein Täuschungsmanöver, ausgeheckt, um ihn auf die Hacker-Gruppe "fsociety" aufmerksam zu machen. Was fraglos gelingt. Beim ersten Treffen führt ihn Mr. Robot, angemessen halbseiden gespielt von "True Romance"-Star Christian Slater, durch die klandestinen Räumlichkeiten der "fsociety", eine stillgelegte Spielhalle in einem jener heruntergerockten Jahrmärkte von Coney Island. Dort hat sich das Hackerfilm-typische Grüppchen freakiger Typen aus dem Statisten-Fundus von
Bei der Entscheidungsfindung hilft ein gewisser Terry Colby. In einem Meeting demütigt der CTO der E. Corp ausgerechnet Elliots Kollegin Alison (bislang recht blass als potenzielles love interest: Portia Doubleday aus der kurzlebigen Matthew Perry-Comedy
Da sich "Mr. Robot" nicht auf das Hacken selbst, sondern auf das Ergebnis des Hackens konzentriert, muss man als IT-fremder Zuschauer den in die Dialoge eingstreuten Tech-Sprech nicht zwingend verstehen. Weil man also nicht wissen muss, was eine "DDoS"-Attacke ist oder ein "Rootkit", geht die Serie über bloße Geek-Bespaßung zum Glück hinaus. Es bleibt mehr Raum für die Figuren und die Eskalationsdramaturgie, in die sie sich alsbald verstricken: Elliot zum Beispiel nimmt immer mehr Morphium, um seine Depressionen zu vetreiben. Schon in der ersten Folge kauert er sich wimmernd in eine Nische seines Apartments, doch das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Als Haupt-Antagonist kristallisiert sich schnell Tyrell Wellick heraus (aalglatt: Martin Wallström aus "Im Weltraum gibt es keine Gefühle"), der dem verhafteten Colby als CTO nachfolgt und sofort versucht, Elliot ins E.-Corp-Lager zu ziehen. Weil er schon weiß, dass der junge Mann ein Doppelspiel spielt? Elliot sagt natürlich ab. Sein Allsafe-Boss Gideon (Michel Gill, der President Walker aus
Über weite Strecken funktioniert "Mr. Robot" als solider Paranoia-Thriller, der die bekannten Versatzstücke des Hackerfilms neu arrangiert. Ohne einen Zusammenhang unterstellen zu wollen, sind dabei einige Parallelen zum deutschen Kino-Hit "Who am I - Kein System ist sicher" (2014) zu frappierend, um sie unerwähnt zu lassen: Hier wie dort geht es um eine geheime Hackergruppe, hier wie dort dient die U-Bahn als entscheidender Schauplatz (ein Symbol fürs gleichsam "unterbewusste" Operationsfeld der Aktivisten), hier wie dort wird ein unzuverlässiger Erzähler eingesetzt.
Letzteres ist das Spannendste an "Mr. Robot". Elliot selbst führt als Off-Erzähler durchs Geschehen, als Zuschauer bleibt man dadurch seiner Weltwahrnehmung und -verzerrung ausgeliefert. Beispielsweise referiert Elliot in einer Therapiesitzung einmal sehr eloquent seinen ganzen Weltekel: von gierigen Weltkonzernen über falsche Helden wie Lance Armstrong bis hin zur Illusion von Intimität auf Facebook. "Ist es nicht so, das wir uns das alles ausgesucht haben?", ruft er voller Zorn. Nach dieser Tirade zeigt sich dann aber, dass Elliot nur in Gedanken zürnte: Die Therapeutin hörte - anders als die Zuschauer - kein Wort. Anderes Beispiel: Elliot bezeichnet die E. Corp konsequent als "Evil Corp" - und auch alle anderen Figuren übernehmen diese Verballhornung, selbst die Laptop-Logos und Werbeplakate schreiben "Evil" statt "E". Als Zuschauer lernen wir daraus, dass wir nur das sehen, was Elliot zu sehen glaubt, und dass dies grundsätzlich zweifelhaft ist. Gibt es die schwarzen Männer wirklich, von denen er sich permanent verfolgt fühlt? Dass wir sie auch sehen, ist kein Beweis.
Diese Dubiosität der Weltdarstellung ist es, die neugierig macht auf das, was Esmail und sein Autorenteam zu erzählen haben aus dieser Welt an der Schnittstelle zwischen Corporate America, anonymem Untergrund und privater Paranoia. Wenn es ihnen gelingt, auch die moralische Grauzone weiter auszuloten, in die jeder eintritt, der sich auf der Seite des Guten wähnt und dafür auf Gesetze pfeift, wird man auch angesichts der in "Mr. Robot" recycelten Klischees getrost ein Auge zudrücken.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Mr. Robot".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Universal Cable Productions
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