Weiterer Titel: Allentsteig
Deutsche TV-Premiere: 13.05.2011 (arte)
1938 wurde von der deutschen Wehrmacht im österreichischen Waldviertel einer der damals größten Truppenübungsplätze Europas errichtet. 42 Dörfer wurden geräumt, knapp 7.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Seit 1957 dient das Areal dem österreichischen Bundesheer als Schieß- und Ausbildungsstätte, und bis heute ist der Truppenübungsplatz Allentsteig auf einer Fläche von über 160 Quadratkilometern militärisches Sperrgebiet. In einer tief verschneiten Landschaft hält ein Militärjeep vor einem rot-weiß-roten Scherengitter. Wenig später sieht man, wie vermummte Soldaten aus getarnten Verstecken schießen oder sich mit Gasmasken im Schnee eingraben. Das donnernde "Guten Morgen, Herr Major" der ganzen Kompanie beim Morgenappell klingt wie ein Echo auf die nächtlichen Panzerschießübungen mit scharfer Munition oder die Explosion eines Blindgängers. Nüchtern beschreibt der Dokumentarfilm den Übungsalltag im Sperrgebiet und schafft ungewöhnliche Einblicke in ein geschlossenes System. Nikolaus Geyrhalter ("Unser täglich Brot") gilt als versierter Landvermesser des österreichischen Dokumentarfilms. Er nähert sich dem buchstäblich besetzten Territorium aus verschiedenen Richtungen. Da sind jene Menschen am Rand des Sperrgebiets, die die Soldaten kaum zu Gesicht bekommen, wie einer der Bäcker beim Teigkneten im Ort Allentsteig meint. An die Schüsse gewöhne man sich, sie erinnern an ein Gewitter, wenn nicht - wie während der Dreharbeiten - mitten im Ort eine Panzergranate einschlägt. Dann gibt es jene, die vor vielen Jahren aus dem Gebiet ausgesiedelt wurden und nun ihre ehemaligen Heimatdörfer zwischen den Bäumen suchen. Dass der Grund für die Sperrung durch die Nationalsozialisten vielleicht ganz wo anders zu suchen ist, erfährt man fast nebenbei: Hitlers Großmutter soll aus einem der ausgesiedelten Dörfer stammen und hier bei einer jüdischen Familie gearbeitet haben. Doch alle Aufzeichnungen und Chroniken wurden vernichtet, ebenso wie ihr Ehrengrab aus der Nazi-Zeit. Wenn die damals Ausgesiedelten heute vor kleinen, an Bäumen befestigten Ortsschildern stehen, wird ein eigentümliches Zusammenwirken von Geschichte und Natur spürbar. Die Natur hat sich Räume zurückerobert. Auf dem Militärgebiet leben, scheinbar ungestört, unzählige Tier- und Pflanzenarten. Am Ende dieser Begegnungen in der geschlossenen Zone hebt die Kamera ab, überfliegt Panzer und Soldaten und dann nur mehr grüne Wälder und Wiesen.
(arte)
Cast & Crew
- Regie: Nikolaus Geyrhalter