Worin besteht der "Sinn" eines neuen europäischen Raumes? Was wird Europa uns bringen? Diese Fragen stellen sich viele Künstler und Intellektuelle der neuen EU-Mitgliedsländer in Osteuropa. Für die Generation, die das Dissidententum gegen die kommunistischen Machthaber nicht miterlebt hat, muss die europäische Identität noch erobert werden. Soll man sie in der Vergangenheit suchen, in der Zeit vor dem Zusammenbruch durch den Zweiten Weltkrieg mit seinen Auswirkungen auf die Nachkriegszeit? Oder soll eine neue Identität auf den geistigen und moralischen Werten fußen, die trotz aller Ausrottungsversuche überlebt haben? Wie stehen schließlich die Chancen für die Herausbildung einer neuen Kultur des Widerstandes? Eine weitere Frage lautet: Was vermag Kunst überhaupt noch? Ist sie endgültig in die Zivilgesellschaft zurückgekehrt? Um kulturell nicht unterzugehen, muss Europa seine ganze Vielfalt - seine Minderheiten, seine Sprachen - bewahren. Aber dies steht im Widerspruch zum gegenwärtigen Streben nach Einigung und dem Willen, als Großmacht zu existieren. Europas Schicksal wird nicht mehr nur durch seine konfliktreiche Geschichte vorgezeichnet, sondern entsteht im Streben nach einer gemeinsamen Zukunft. Doch deren Gestalt ist fast ausschließlich von wirtschaftlichen Vorstellungen geprägt. Im Mittelpunkt des Films steht das Erlernen der Freiheit durch die Völker der ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR als Bedingung für die Herausbildung eines neuen europäischen Kulturraums. Schauplatz ist Prag. Die Stadt möchte zum Zentrum eines neuen Europa werden. Keine andere Stadt verkörpert so glanzvoll die Verklärung der bürgerlichen Gesellschaft und einen architektonischen Traum, in dem sich die Pracht der barocken Paläste mit der Überschwänglichkeit des Jugendstils vermischt.
(arte)
Die filmische Entdeckungsreise durch Prag wird begleitet von dem tschechischen Schriftsteller Václav Jamek, der 1989 den Médicis-Preis für Essays erhielt. Seine besondere sprachliche Situation - er ist zweisprachig französisch-tschechisch aufgewachsen - und sein kultureller Hintergrund machen ihn zu einem besonders aufmerksamen Beobachter der Widersprüche und Hoffungen eines noch immer im Werden begriffenen Europa. Die Handlung des Films folgt Jameks "innerer Reise". Mit Fragen und Überlegungen kommentiert er Interviewszenen mit Intellektuellen und Künstlern zweier Generationen - jener, die das kommunistische Regime erlebt hat, und der des Post-Dissidententums.
(arte)
Länge: ca. 63 min.
Cast & Crew
- Regie: Alain de Sedouy