Die Geschichte einer Liebe, die in der Zerreißprobe zwischen Moral und Habgier am Egoismus ihrer Protagonistin zugrunde geht. Iain Softleys opulenter Kostümfilm nach dem Roman von Henry James ist großes Gefühlskino vor den Kulissen Londons und Venedigs. Als die mittellose Kate nach dem Tod ihrer Mutter von deren vermögender Schwester in ihr Haus aufgenommen wird, gibt es nur wenige Bedingungen: Standesgemäßes Benehmen und keinen weiteren Kontakt zu ihrem verarmten Vater und ihrem Geliebten Merton, einem linksliberalen Journalisten, der Kate unbedingt heiraten will. Zwar möchte Kate ihren Geliebten gerne heiraten, doch mindestens genauso will sie auch die Sorglosigkeit besitzen, die ein größeres Vermögen bietet. In dem Moment jedoch, in dem Kate die millionenschwere, völlig alleinstehende Amerikanerin Millie kennenlernt und zufällig von deren unheilbarer Krankheit erfährt, entwickelt sie einen herzlosen Plan: Sie wird Millie mit dem gut aussehenden Merton verkuppeln, um nach dem Tod der Freundin mit ihm gemeinsam von seinem Erbe zu profitieren. Die Figur der Kate gehört zu den in ihrer Entstehungszeit sehr provozierend und auch heute noch erstaunlich modern wirkenden Frauenfiguren von Henry James. Sie ließen die erzogene Passivität der Heldinnen des 19. Jahrhunderts hinter sich, um ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In der Rolle der Antiheldin Kate konnte Helena Bonham Carter sämtliche Register ziehen, um die moralische Ambivalenz ihrer komplexen Täter-/Opferfigur überzeugend darzustellen. Unter der Regie von Iain Softley ("Backbeat", "Hackers", "Der verbotene Schlüssel") fotografierte Eduardo Serra dieses Psychodrama an perfekt ausgestatteten Schauplätzen in London und Venedig. Dass die Produktion in Venedig dazu genau den Palazzo anmieten konnte, in dem Henry James zur Jahrhundertwende als Gast einer amerikanischen Familie mehrere Monate verbracht hatte, war so etwas wie das i-Tüpfelchen an heute noch zu erreichender Schauplatz-Authentizität. Für seine gestalterische Sorgfalt wurde "Die Flügel der Taube" 1997 mit vier Oscar-Nominierungen belohnt: für Kostümdesign, Kamera, Drehbuch und seine herausragende Hauptdarstellerin Helena Bonham Carter.
(3sat)
Weiterer Titel: Wings of the Dove - Die Flügel der Taube
Länge: ca. 102 min.
Deutscher Kinostart: 23.07.1998
Original-Kinostart: 02.01.1998 (GB)
Internationaler Kinostart: 07.11.1997 (USA)
FSK 6
Cast & Crew
- Regie: Iain Softley
- Drehbuch: Hossein Amini
- Produktion: Stephen Evans, David Parfitt, Paul Feldsher, Bob Weinstein, Harvey Weinstein, David Ambrosi, Christian McWilliams, Rosanna Roditi, Miramax Films, Renaissance Films
- Musik: Edward Shearmur
- Kamera: Eduardo Serra, Martyn John, Andrew Sanders
- Schnitt: Tariq Anwar
- Szenenbild: Joanne Woollard
- Maske: Jan Archibald
- Kostüme: Sandy Powell
- Regieassistenz: Sergio Ghetti, Guy Heeley, Luca Lachin, Simon Moseley, Barbara Mulcahy, Pierantonio Novara, Avshalom Pollak, Giovanni Silvestrini, Richard Styles, Rebecca Tucker, Gala Wright
- Ton: Paula Boram, Geoff R. Brown, Ed Colyer, Martin Evans, Stan Fiferman
- Spezialeffekte: Dominic Tuohy