Warum üben mittelalterliche Städte bis heute einen solchen Zauber aus? Ist es nur Nostalgie und Verklärung, wenn Jahr für Jahr Millionen Menschen aus aller Herren Länder nach Rothenburg ob der Tauber, nach Heidelberg, Freiburg oder Nürnberg pilgern? Warum werden in so vielen Großstädten des 21. Jahrhunderts genau jene elementaren Qualitäten vermisst, die man im Erscheinungsbild jeder mittelalterlichen Stadt noch heute erleben kann: Vielfalt, Lebendigkeit, Harmonie? Die europäische Stadt des Mittelalters bezaubert, weil sie so gänzlich ohne Kalkül und Rationalität entstanden zu sein scheint - sie ist immer noch die "gewachsene Stadt", die sich wie von selbst im Laufe von Jahrhunderten um das geistige und städtebauliche Zentrum - etwa einen Dom - entwickelt hat. Nun muss man sich an einen völlig neuen Gedanken gewöhnen. Beinahe fünfzehn Jahre lang hat sich der pensionierte Freiburger Architekt und Stadtplaner Klaus Humpert mit den Gestaltungsprinzipien mittelalterlicher Städte beschäftigt. Was zunächst eher spielerisch mit der Untersuchung seiner Heimatstadt Freiburg begann, führte schließlich zur Überprüfung von mehr als einhundert Grundrissen der 3.000 europäischen Stadtgründungen des Mittelalters. Die Ergebnisse von Klaus Humperts Forschungen stellen das Bild vom Mittelalter in vielerlei Hinsicht auf den Kopf, und sie werden die Geschichtsschreibung wohl noch auf Jahre beschäftigen: Die "gewachsene Stadt" des Mittelalters ist ein Mythos, denn fast alle bedeutenden Stadtgründungen dieser Epoche wurden bis ins kleinste Detail auf dem Reißbrett geplant. Als Humpert seine Erkenntnisse veröffentlichte, war das der Beginn einer hitzigen und kontroversen Diskussion, die noch immer andauert: Archäologen und Historiker wehren sich in großer Zahl gegen Humperts These von der geplanten Stadt des Mittelalters - aber es ist ihnen bis heute nicht gelungen, ihrerseits ein Erklärungsmodell zu liefern für die von Humpert gemessenen erstaunlichen Konstruktionen der mittelalterlichen Stadtplaner. Der Film "Gottes Plan und Menschen Hand" erzählt die Geschichte dieser abenteuerlichen Entdeckungsreise. Die schrittweise Aufdeckung des Geheimnisses mittelalterlicher Stadtplanung wird ganz aus der Perspektive von Klaus Humpert gezeigt. Durch seine Augen lernt man längst vergessene Vermessungs- und Bautechniken kennen, und es versetzt in Staunen, wenn er schließlich das Geheimnis mittelalterlicher Stadtplanung lüftet.
(hr-fernsehen)
Länge: ca. 43 min.
Deutsche TV-Premiere: 18.05.2004 (arte)
Cast & Crew
- Drehbuch: Dominik Wessely
- Schnitt: Ellen Scheider
- Aufnahmeleitung: Britta Erich
- Ton: Jacob Ilgner, Wolfgang Orth, Krzysztof Orzechowski, André Zacher