Deutsche TV-Premiere: 13.10.2006 (ZDF)
Am 18. September 2013 starb Marcel Reich-Ranicki im Alter von 93 Jahren. Um an ihn zu erinnern und ihn zu ehren, zeigt das ZDF die ausführlichste Dokumentation, die je über das Leben des vielgeehrten Literaturkritikers produziert wurde. Marcel Reich-Ranicki war eine Legende der deutschen Kultur, ein Star, ein nimmermüder Anwalt der Literatur. In ihrer Dokumentation aus dem Jahr 2006 entwerfen die Grimme-Preisträger Lutz Hachmeister und Gert Scobel das Porträt eines Mannes, dessen Lebenslinien seit seinen Jugendtagen zwischen Einsamkeit und Sehnsucht nach öffentlicher Anerkennung verliefen. Seine Anhänger schätzen seine Lust, lauthals zu rühmen und zu tadeln. Seine Gegner werfen ihm Egomanie und grobschlächtige Kategorien bei der Beurteilung moderner Literatur vor. So kam es zu legendären Kontroversen Reich-Ranickis mit Günter Grass, Martin Walser, Peter Handke, Sigrid Löffler und, in Sachen Historikerstreit und Albert Speer, mit Joachim Fest - seinem Förderer, der ihn einst als Literaturchef zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geholt hatte. Mit selten gezeigten Archiv-Filmen und sehr persönlichen, ausführlichen Erzählungen von Marcel Reich-Ranicki werden die streitbaren Höhepunkte eines Jahrhundert-Lebens ebenso dargestellt, wie die bedrohten Jahre, als die Nationalsozialisten vorsahen, das Leben des jungen Reich-Ranicki zu vernichten. Die Dokumentation enthält eine Fülle von zuvor wenig bekannten biografischen Details. Anrührend, wie Vater und Sohn Reich-Ranicki schweigend nebeneinander auf der Seebrücke am Timmendorfer Strand stehen. Respektvoll-ironisch zudem, erstmals im Fernsehen, die Erinnerungen des Sohnes Andrew an seinen Vater in den 1950er und 1960er Jahren. Amüsant, im Archiv entdeckt, ein englisch-sprechender Reich-Ranicki auf einer Tagung der Gruppe 47 in Princeton. Erhellend die Erinnerungen an die polnische Nachkriegszeit zwischen Stalin und Publikationsverbot. Erschütternd die ausführlichen Schilderungen über seine Familie, die fast ausnahmslos ermordet wurde. Erinnerungen und Bilder, die über Reich-Ranickis Autobiografie "Mein Leben" hinausgehen. Die zeitgeschichtliche Parabel, die das Leben Reich-Ranickis kennzeichnet, ist unübersehbar: Der nach Warschau deportierte Abiturient aus Berlin, der die NS-Herrschaft nur knapp überlebt, kehrt Ende der 1950er Jahre in die Bundesrepublik zurück und wird zum Starkritiker, zum Dompteur im Literaturzirkus, zu einer kulturellen Marke eigener Prägung. "Ich, Reich-Ranicki" ist die Charakterstudie eines enorm fleißigen, begabten und durchsetzungsfähigen Mannes, der eine unaufhaltsame Karriere machte, und zugleich ein spannendes Panorama deutscher Kultur- und Fernsehgeschichte. Zu Wort kommen unter anderem, neben Reich-Ranickis Sohn Andrew Ranicki, FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher und Hellmuth Karasek, Mitstreiter im "Literarischen Quartett" des ZDF - Reich-Ranickis legendärer Fernsehbühne.
(ZDF)
Cast & Crew
- Regie: Lutz Hachmeister, Gert Scobel
- Drehbuch: Lutz Hachmeister, Gert Scobel