TV-Kritik/Review: Raising Hope

Die Suche nach dem Sinn des Lebens begleitete den Serienschöpfer Greg Garcia bereits in seiner liebenswerten White-Trash-Comedy  "My Name is Earl". Der Kleinganove Earl J. Hickey (Jason Lee) sieht einen 100.000 Dollar-Lottogewinn im wahrsten Sinne des Wortes davonschweben. Diesen Schicksalsschlag hält Earl für ein Resultat seines schlechten Karmas. Er beschließt, die dunkle Vergangenheit zu bereinigen, in dem er nacheinander seine früheren Opfer aufsucht, um ihnen etwas Gutes zu tun.

Im Mittelpunkt von Greg Garcias neuer Serie  "Raising Hope" steht ebenfalls ein etwas orientierungsloser Protagonist, der noch nicht so recht weiß, was er mit sich anfangen soll. Der 23-jährige Jimmy Chance (Lucas Neff) wäre gern mehr als nur ein Schwimmbecken-Reiniger, doch es fehlt ihm an Ideen und der letzten Konsequenz, sie zu verwirklichen. Er setzt sich vor ein leeres Blatt Papier, auf das er "Jimmys Lebensplan" schreibt. Antworten findet er aber nicht, denn Stunden später hat er lediglich eine nette Comiczeichnung unter die Überschrift gekritzelt. Doch in dieser Nacht wird sein Leben wie bei Earl einen neuen Sinn bekommen.

Jimmy lebt gemeinsam mit seinen Eltern, seinem Cousin und seiner Großmutter unter einem Dach. Die Familie Chance leidet unter chronischem Geldmangel. Jimmys Vater Burt (Garret Dillahunt) hat sich mit einem mäßig gewinnbringenden Pool-und-Garten-Service selbständig gemacht. Gemeinsam mit Jimmy und dessen Cousin Mike (Skyler Stone) säubert er die Pools und mäht die Rasen der reichen Vorstadtsiedlungen. In ähnlicher Mission ist auch Mutter Virginia (Martha Plimpton) unterwegs. Sie arbeitet für einen mobilen Reinigungsdienst und bringt die Haushalte der gut betuchten Kundschaft auf Vordermann. Das demütigende Markenzeichen des Unternehmens sind rosafarbene Dienstwagen und Putzuniformen. Virginia ist das Herz der Familie, eine dominante Mutterfigur und hemdsärmelige Pragmatikerin, die der Härte des Lebens mit zynischen Sprüchen begegnet. Die Kettenraucherin trägt meistens eine Kippe im Mundwinkel - eine Eigenschaft, die sie offenbar von der senilen Großmutter (Cloris Leachman) geerbt hat, die von allen nur Maw Maw genannt wird. Maw Maw läuft meistens in Unterwäsche durchs Haus und verpasst ihrem Enkel Jimmy schon einmal einen leidenschaftlichen Zungenkuss, wenn sie ihn wieder mit ihrem verstorbenen Ehemann verwechselt. Sie hat allerdings auch noch einige wache Momente. So ist sie zum Beispiel noch immer eine großartige Jenga-Spielerin. Burt wirkt im Vergleich zu den Frauen in seiner Familie sehr unkompliziert. Oft erscheint er als Berufsjugendlicher, der seine Pubertät damals verpasst hat. Was auch daran liegt, dass Sohn Jimmy bereits früh zur Welt kam. Burt war damals 17, Virginia 15 Jahre alt.

Das Leben von Jimmy und seiner Familie ändert sich schlagartig, als eines Abends eine junge Frau (Bijou Phillips) auf Jimmys fahrendes Auto zurennt. Sie wird von einem Mann verfolgt. Jimmy lässt die Frau einsteigen und braust davon. Ihre Panik verwandelt sich schnell in Euphorie: "Du hast mein Leben gerettet. Und außerdem bist du ziemlich süß", sagt die schöne Unbekannte, packt Jimmy am Kragen und fällt leidenschaftlich über ihn her. Was mit ihm geschieht, begreift er erst am nächsten Morgen. Er wacht in seinem Wagen auf, der vor dem Familienhaus geparkt ist. Dort sitzt seine nächtliche Bekanntschaft bereits putzmunter mit den übrigen Familienmitgliedern am Frühstückstisch. Als sie kurz aufs Klo verschwindet, kommt Jimmy zu sich: "Ich glaube, ich habe mich verliebt. Weiß jemand von euch, wie sie heißt?" - "Oh, sie heißt Lucy", sagt Burt und zeigt auf den im Hintergrund laufenden Fernseher, in dem zufällig gerade ein Fahndungsfoto von Jimmys One-Night-Stand zu sehen ist. Ein Nachrichtenmoderator kommentiert: "Lucy Carlyle wird gesucht wegen mehrfachen Mordes." Offenbar hat sie mehrere ihrer Ex-Freunde auf dem Gewissen. Interviewt wird einer ihrer noch lebendigen Ex-Liebhaber. Es handelt sich um den Verfolger aus der Nacht zuvor: "Ich hätte sie beinahe geschnappt, doch dann ist sie in ein Auto gesprungen." Der Ex blickt in die Kamera, um Jimmy eine Botschaft mit auf den Weg zu geben: "Good Luck, Dude!" Der Bericht endet mit einer Warnung: "Denken Sie daran: Sie mag süß aussehen, aber sie ist sehr gefährlich!" Als die nichtsahnende Lucy wieder in die Küche kommt, nutzt Virginia die erste Möglichkeit, ihr den kleinen Küchenfernseher ganz bratpfannengerecht auf den Hinterkopf zu schlagen.

Acht Monate später: Jimmy besucht Lucy im Knast. Es gibt etwas zu besprechen, denn Lucy ist hochschwanger. Nur einen Filmschnitt später hat Jimmy bereits das Baby im Arm und blickt im Zuschauerraum auf jenen elektrischen Stuhl, auf dem Lucy gerade hingerichtet wird. Etwas spät, aber immerhin, hält er seiner Tochter noch die Augen zu. Bei Jimmy daheim wird nun diskutiert, was mit Princess Beyonce - so hat Lucy das Kind getauft - passieren soll. Jimmy tendiert dazu, das Baby großziehen zu wollen (und den Namen zu ändern). Virginia und Burt raten ihm ab. Noch einmal ein Baby im Haus können sie sich nicht vorstellen. Sie erinnern sich mit Schrecken an ihre eigenen Erfahrungen als junge Eltern. Wie überfordert sie waren, zeigen in jeder Episode kleine Rückblenden, in denen Klein-Jimmy oft nur mit viel Glück dem Tod noch von der Schippe springt. Da guckt zum Beispiel einmal sein Kopf aus einem Loch im Boden eines fahrenden Autos hervor. Zusätzlich sammelt Klein-Jimmy auch Erfahrungen mit Steckdosen und Zigaretten - und dass er als Kind nicht wirklich gut ernährt wurde, beweist wohl seine Fruchtallergie. Auch die wirre Maw Maw ist nicht erfreut über das mögliche neue Familienmitglied: "Nehmt sofort den Hund von meiner Couch", ruft sie.

Doch Jimmy lässt sich von seinem skeptischen Umfeld nicht beeindrucken. Er bastelt aus einem Einkaufs- einen Kinderwagen. Das bringt ihm zunächst ein wenig Ärger mit der hübschen Supermarktkassiererin Sabrina Collins (Shannon Woodward) ein, die ihn für einen Baby- und Einkaufswagendieb hält. Entsetzt blickt sie in den umgebauten Wagen. Princess Beyonce trägt offenbar noch immer ihre Knastklamotten: Auf ihrem Jeanshemd ist die Sträflingsnummer 46664 eingenäht. Doch Jimmy gelingt es, die schlagfertige Angestellte von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Zum Ende hin bekommt die bis dahin vor allem von schwarzem Humor geprägte Pilotepisode noch eine leicht melancholische Note: Burt und Virginia erinnern sich daran, als junge Eltern auch einiges richtig gemacht zu haben. Mit einem gemeinsamen Song wiegen sie Princess Beyonce in den Schlaf. Jimmy überzeugt sie, das Kind gemeinsam großziehen: "Es ist die Chance für uns alle, etwas Gutes in unserem Leben zu tun". So bekommt Princess Beyonce ihren neuen Namen: Hope.