Das bewegende Schicksal eines jugendlichen Flüchtlings aus Mali verwebt sich in diesem Drama mit dem Leben eines Polizisten und dessen Vaters, die nach einem Unglück um ihre Beziehung ringen. Der 75-jährige Willi holt den minderjährigen Nama in das Haus seines Sohnes Stefan. Eine Schuldfrage, die zwischen beiden Männern steht, verhindert ein friedvolles Miteinander. Namas Anwesenheit bricht die Sprachlosigkeit zwischen Vater und Sohn unweigerlich auf. Anfänglich voller Wut auf Nama, den er beim Stehlen in einer Kirche erwischt, sieht der vereinsamte Willi in dem jugendlichen Flüchtling einen Spiegel seiner selbst, aber auch einen seines Sohnes Stefan. Wie Nama verlor Willi einst seine Mutter, als er vor Krieg und Zerstörung aus seiner Heimat Deutschland 1945 in das ihm fremde Skandinavien fliehen musste. Nama wird mit zahlreichen bürokratischen Hürden und mit Ablehnung konfrontiert. Sein sehnlichster Wunsch, seine Mutter nachzuholen, rückt in immer weitere Ferne. Als Willi ohne Rücksprache zusammen mit Nama im Schlepptau aus dem Seniorenheim wieder in das gemeinsame Haus zu Stefan zieht, eskaliert die Beziehung zwischen Willi und Stefan aufgrund einer kaum zu überwindenden Schuldfrage aus der Vergangenheit. Willi versucht in seiner ihm verbleibenden Lebenszeit zurückzugeben, was er als Kind erfahren hat: Hilfsbereitschaft durch Menschen, die ihn nach seiner Flucht aufgenommen haben; Liebe von Menschen, die ihm ein Zuhause gegeben haben. Stefan, der aufgrund seiner ihn überlastenden Arbeit tagtäglich mit dem kaum zu bewältigenden Flüchtlingsansturm zu tun hat, erfährt die eindeutigen Antipathien seiner unmittelbaren Umgebung und möchte Nama schleunigst wieder aus seinem Leben eliminieren. Die zunehmende Ablehnung entlädt sich und findet ihr Opfer. Eine Schicksalsgemeinschaft entsteht, die den drei vollkommen unterschiedlichen Männern die Chance bietet, sich aus dem tiefsten Dunkel der eigenen Existenz zu befreien. Darüber entsteht, Bild für Bild, ein großes, existentialistisches Tableau, in dem das eigene Glück in eine direkte Abhängigkeit zum Glück des anderen gesetzt wird. So viel diese drei Menschen auch trennen mag, so verbindet sie doch etwas zutiefst Universelles: Sie alle suchen nach einem emotionalen Zuhause, in dem die eigenen Wunden - die der Vergangenheit und die der Gegenwart - heilen können. Wie Nama, Stefan und Willi zusammenwachsen, so wachsen auch die drei Schauspieler mit gänzlich unterschiedlichem Hintergrund zu einer Einheit zusammen: der aus Mali nach Deutschland geflüchtete Nama Traore in seiner ersten Rolle, der Theater- und Filmschauspieler Milan Peschel, der seine Figuren lebt statt sie zu spielen, sowie der Däne und Weltstar Jesper Christensen, dessen Rollen immer erscheinen, als würden sie das Leid der Welt tragen, darüber aber nie den Mut verlieren. Immer mit einer klaren Haltung gegenüber ihren Themen und Figuren ist die Produzentin und Regisseurin Feo Aladag eine Meisterin darin, soziale und politische Konflikte in Einzelschicksalen zu verdichten. Nach eigenem Drehbuch treibt sie die Entwicklung ihrer Figuren in diesem zutiefst emotionalen Familiendrama zwingend, dynamisch, organisch und mit großer Wucht voran. Darüber entfaltet sie eine Tragödie epischer Größe, in dem Familie sich als Gefäß definiert, in dem man nie alleingelassen und immer wieder aufgebaut wird. "Der Andere - Eine Familiengeschichte" ist nach zwei Kinofilmen der erste Fernsehfilm der Independent Artists, der Filmproduktion von Regisseurin, Autorin und Produzentin Feo Aladag, die mit ihren jeweils bei der Berlinale uraufgeführten Filmen "Die Fremde" und "Zwischen Welten" genau gezeichnete, überzeugende Innenwelten von großer, universeller Bedeutung schuf. "Der Andere - Eine Familiengeschichte" feiert seine Premiere bei den Internationalen Hofer Filmtagen im Oktober 2016.
(ZDF)
Länge: ca. 95 min.
Deutsche TV-Premiere: 21.11.2016 (ZDF)
Cast & Crew
- Regie: Feo Aladag
- Drehbuch: Feo Aladag
- Produktion: Feo Aladag, Independent Artists Filmproduktion
- Musik: Alex Komlew
- Kamera: Judith Kaufmann
- Schnitt: Andrea Mertens