Als ein überzeugter Sozialist und Schürzenjäger im Sterben liegt, erweist sich sein "abtrünniger" Sohn, ein erfolgreicher Börsenmakler, als wichtigster Beistand. Bei aller Situationskomik und schwarzem Humor spiegelt der Film eine große Lebensfreude, erzählt ohne moralischen Zeigefinger von den Zweifeln und Hoffnungen eines Menschen im Angesicht des Todes und beschwört die Kraft der Versöhnung. Der altlinke Geschichtsprofessor Rémy, ein hedonistischer Freigeist und obsessiver Liebhaber schöner Frauen, liegt im Sterben. Sein Sohn Sébastien, der als wohlhabender Investmentbanker in London lebt, hat sich wegen seiner angepassten Lebensweise den Zorn und den Spott des Vaters zugezogen. Nur auf den ausdrücklichen Wunsch seiner Mutter Louise kommt er nach Montreal ans Krankenbett. Die Zustände in dem maroden, hoffnungslos überbelegten Hospital sind chaotisch. Rémys Bett steht auf dem Gang, es herrscht eine Hektik wie in einer Fußgängerzone. Da für Sébastien Geld keine Rolle spielt, besticht er die bürokratische Direktorin und die korrupten Gewerkschaftler, um dem Vater erst einmal ein Einzelzimmer zu verschaffen. Mit dem nötigen Kleingeld lässt Sébastien auch Rémys Freunde aus aller Welt einfliegen, die am Sterbebett ihres Genossen geistreich über Sex und ideologische Verirrungen parlieren. Als die Schmerzen des Krebskranken unerträglich werden, besorgt Sébastien mit Hilfe von Nathalie - der drogensüchtigen Tochter einer von Rémys Geliebten - sogar Heroin, um dem alten Herrn einen menschenwürdigen Abgang zu ermöglichen. "Invasion der Barbaren" ist eine vergnügliche Fortsetzung des Intellektuellen-Kultfilms "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" von 1986. Noch einmal versammelt der frankokanadische Regisseur Denys Arcand ("Jesus von Montreal") die gleiche Darstellerriege, um mit dem charmant-verantwortungslosen Antihelden Rémy als Kronzeugen zu einer satirisch-feinsinnigen Generalabrechnung mit den Achtundsechzigern auszuholen. Trotz des pessimistischen Untertons findet Arcand zu einem heiteren Fazit: Wer sein Leben dem Wein, der Literatur und den Frauen gewidmet hat, stirbt einen schönen Tod. Nicht zufällig wurde die unterhaltsame und anrührende Tragikomödie mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet.
(3sat)
Länge: ca. 95 min.
Deutscher Kinostart: 27.11.2003
Original-Kinostart: 24.09.2003 (F)
FSK 12
Cast & Crew
- Regie: Denys Arcand
- Drehbuch: Denys Arcand
- Produktion: Daniel Louis, Denise Robert, Fabienne Vonier, Hélène Grimard, Stéphane Jacques, George Jardon, Jaime Tobon, Pyramide Productions, Cinémaginaire Inc., Astral Films, The Harold Greenberg Fund, Production Barbares Inc., Société Radio-Canada, Société de Développement des Entreprises Culturelles, Telefilm Canada
- Produktionsfirma: Canal+, CNC Centre National de la Cinématographie
- Musik: Pierre Aviat
- Kamera: Guy Dufaux, Caroline Alder, Normand Sarazin
- Schnitt: Isabelle Dedieu
- Szenenbild: Patrice Bengle, Annika Krausz
- Maske: Betty Belmore
- Regieassistenz: Jacques W. Benoit, Pierre Bouchard, Yanick DiVito, Simon Dugas
- Ton: Diane Boucher
- Spezialeffekte: Guillaume Murray
- Stunts: Stéphane Lefebvre