In der Dokumentation "Georg Kreisler gibt es gar nicht - Eine Verbeugung" geht Grimme-Preisträger Dominik Wessely dem umfangreichen Liederwerk sowie dem verschlungenen Lebenslauf des am 22. November 2011 verstorbenen Georg Kreisler nach und stellt beide in einen zeitgeschichtlichen Kontext: Denn in Kreislers Liedern spiegelt sich ebenso viel Biografisches wie Historisches. "Ein Leben in Liedern" könnte das Motto dieses Films deshalb auch lauten; ein Dutzend Kreisler-Lieder aus fünf Jahrzehnten bilden den roten Faden der Erzählung. Neben Kreislers Witwe, der Schauspielerin und Sängerin Barbara Kreisler-Peters, berichten auch die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse, Daniel Kehlmann und Konstantin Wecker von ihren Erlebnissen mit Georg Kreisler und zeichnen so das faszinierende Bild eines vielschichtigen und vielbegabten Künstlers, der bei vielen Zeitgenossen als "schwierig" galt. Einen "Meister der kleinen Form" nennt ihn Eva Menasse, die ihn für seine Dichtkunst mindestens ebenso sehr verehrt wie für seine Musik. Denn so zutreffend Eva Menasses Zuschreibung "Meister der kleinen Form" auch ist - Kreisler selbst hätte sie wohl gehasst, roch sie ihm doch verdächtig nach Abschiebung in die Kleinkunst, nach Brettl-Bühne und Pianobar-Unterhaltung. Zeit seines Künstlerlebens hat Georg Kreisler versucht, diesem Milieu zu entkommen. Schon in seiner Jugend erhielt der 1922 in Wien geborene Kreisler Klavier-, Kompositions- und Dirigierunterricht. Arnold Schönberg wollte ihn als Schüler in seine Klasse aufnehmen, was aber an Universitätsformalitäten scheiterte. Das war im Jahr 1939, Kreisler war gerade einmal 17 Jahre alt und lebte wie Schönberg in Hollywood im amerikanischen Exil. Nachdem die Nationalsozialisten in Österreich einmarschiert waren, war auch für die jüdische Familie Georg Kreislers jede Hoffnung auf Normalität im Dritten Reich verloren. Im Herbst 1938, kurz vor der Reichskristallnacht und den Pogromen, entkamen die Kreislers ihren Häschern im letzten Augenblick. Der erzwungene Gang ins Exil war für Georg Kreisler der Beginn einer ruhelosen Wanderschaft, die bis an sein Lebensende anhalten sollte: Wien - Los Angeles - New York - Wien - München - Wien - Berlin - Salzburg - Basel - Salzburg, so lauten nur einige seiner Lebensstationen aus sieben Jahrzehnten. "Zu Hause bin ich in der deutschen Sprache", hat er einmal gesagt. Sein zweites Zuhause war die Musik. Mehrere Hundert Lieder hat er im Laufe seines langen Lebens komponiert, dazu zwei Opern, mehrere Musicals, und - erst vor kurzem wiederentdeckt - Kammermusik für Klavier und kleines Orchester. Die Lieder sind es, die ihn berühmt gemacht haben, in ihnen hat er zu unserer allerbesten Unterhaltung seine bitterböse, melancholische, träumerische Weltsicht formuliert: "Taubenvergiften" (das eigentlich "Frühlingslied" heißt), "Biddla Buh", "Zwei alte Tanten", "Telefonbuchpolka", "Als der Zirkus in Flammen stand", "Das Triangel", "Max auf der Rax", "Der Bluntschli" - das sind nur einige der Titel, mit denen er ab Mitte der 50er-Jahre berühmt geworden ist. Dabei ist Georg Kreisler viel mehr als der Wiener Liedermacher mit dem berüchtigten schwarzen Humor. Für Daniel Kehlmann ist er ein großer surrealistischer Dichter, dessen Liedtexte er zum Besten zählt, was in der deutschsprachigen Lyrik geschrieben worden ist, und auf einer Stufe mit Heinrich Heine.
(arte)
Länge: ca. 60 min.
Deutsche TV-Premiere: 27.02.2013 (arte)
gezeigt bei: zeit.geschichte (A, 2011)
Cast & Crew
- Regie: Dominik Wessely
- Drehbuch: Dominik Wessely
- Produktion: Iris Haschek, Golli Marboe, makido filmproduktion gmbh
- Produktionsauftrag: ZDF
- Musik: Gerhard Bronner, Michael Pogo Kreiner, Georg Kreisler
- Kamera: René Rothkopf, Knut Schmitz, Wolfram Zöttl
- Schnitt: Georg Eggenfellner