Jede Familie hat ein Geheimnis, einen dunklen Punkt, den keiner berühren will. Ihrer liegt in einem Land, das heute gar nicht mehr existiert. Man sieht ihnen nicht an, dass sie einmal inhaftierte Staatsfeinde der DDR und später "frei gekaufte" Bundesbürger waren. - Dokumentarfilm von Marc Bauder und Dörte Franke über drei deutsche Familiengeschichten aus der geschätzten Zahl von 250.000 politischen Gefangenen der DDR, der im aktuellen Wettbewerb auf der Duisburger Filmwoche zu sehen ist. Anne, Utz, Matthias und Tine waren im selben Alter wie ihre Kinder heute, als sie in der DDR zu Staatsfeinden gemacht wurden. Weil sie nicht schweigen wollten, hat man sie damals ins Gefängnis gesteckt. Heute haben sie Angst vor den Fragen ihrer eigenen Kinder. Anne Gollin macht politische Führungen: Im Bundeskanzleramt erklärt sie den Menschen, wie Demokratie funktioniert, in der ehemaligen Stasi-Zentrale berichtet sie über ihre eigenen Erfahrungen mit einer Diktatur. Die Trennung damals von ihrem kleinen Sohn hat in ihrer Familie eine tiefe Narbe hinterlassen. Der einjährige Sebastian kam zu den Großeltern, bis Anne 1983 von der Bundesregierung aus dem Gefängnis "frei gekauft" wurde. Schuldgefühle, Hilflosigkeit und der Wunsch nach Annäherung prägen sie alle bis heute. Matthias und Tine Storck haben drei Kinder. Für sie ist die Vergangenheit ihrer Eltern abstrakt. Alles was dem Pfarrerehepaar damals passiert ist, fand in einer Welt statt, die für seine in Westdeutschland geborenen Kinder nicht mehr existiert. Und weil es schwer fällt, dafür die richtigen Worte zu finden, schreibt Matthias seine Erlebnisse lieber in Büchern auf. Utz Rachowski berichtet Schulklassen darüber, wie er als 16-Jähriger ins Visier der Stasi geriet. Mit dem besten Freund tauscht er sich über die Alpträume vom Gefängnis aus, seine beiden Töchter dagegen trauen sich nicht, ihn darauf anzusprechen. Sie wuchsen bei ihrer Mutter auf und fragen sich, ob der Grund für die Trennung der Eltern in dieser Vergangenheit liegt. Ein Dokumentarfilm über drei deutsche Familiengeschichten in einem Land, das auch über 15 Jahre nach dem Mauerfall noch auf der Suche nach einem Umgang mit seiner jüngsten Geschichte ist.
(3sat)
Länge: ca. 75 min.
Deutsche TV-Premiere: 06.11.2006 (ZDF)
gezeigt bei: Das kleine Fernsehspiel (D, 1963)
Cast & Crew
- Regie: Marc Bauder, Dörte Franke
- Drehbuch: Marc Bauder, Dörte Franke
- Produktion: Bauderfilm, Marc Bauder
- Produktionsfirma: ZDF
- Musik: Bernhard Fleischmann
- Kamera: Börres Weiffenbach
- Schnitt: Rune Schweitzer