Originalpremiere: 1986
04.09.1986
Verdis Otello gehört zu den Giganten in der italienischen Operntradition. Einige englische Literaturwissenschaftler haben behauptet, dass Verdi mit seinem Librettisten Boito mit Otello das einzigartige Kunststück gelungen sei, ein Shakespeare-Stück zu verbessern. Ob man dem nun zustimmt oder nicht - Verdis Otello wirkt in jedem Fall konziser als Shakespeares Othello, obwohl sich die Oper eng am Stück orientiert, mit der einzigen Ausnahme, dass Boito Shakespeares ersten Akt (den Ausgangspunkt der Handlung in Venedig) gestrichen hat. Auch in der Charakterisierung der drei Hauptfiguren operierten Boito und Verdi entschiedener, als in der Vorlage vorgesehen. Otellos äthiopischer Kern wilder Leidenschaft wird nur von einer dünnen Fassade mediterraner Zivilisierung umschlossen. Desdemona verkörpert, wie Verdi es selbst formulierte, die heiligmäßige Idealisierung von Güte und Resignation in Selbstaufopferung. Jagos diabolischer Zynismus macht ihn zu einem mephistophelischen Schurken. Verdi und Boito erweiterten den Shakespeare-Text um das "Credo" im 2. Akt, in dem Jago sein teuflisches Charakterbild offenbart.
(ZDFtheaterkanal)