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TV-Kritik/Review: "Der Scheich": Dani Levys bissig-verspielte Finanzweltsatire setzt eigene Akzente

Überdrehte Hochstaplergeschichte als erste deutsche Miniserie bei Paramount+
Makler Urs (Philippe Graber, l.) und "Scheich" Ringo (Björn Meyer) in "Der Scheich"
Stephanie Kulbach/Paramount+
TV-Kritik/Review: "Der Scheich": Dani Levys bissig-verspielte Finanzweltsatire setzt eigene Akzente/Stephanie Kulbach/Paramount+

Based on true lies, also basierend auf wahren Lügen, ist die Miniserie  "Der Scheich" laut ihres Intros. Erzählt wird die angeblich wahre, aber unglaubliche Geschichte eines liebenswerten Losers aus dem Schwarzwald, der durch Zufälle und die Leichtgläubigkeit seiner Mitmenschen zum Chef einer milliardenschweren Scheinfirma wird und schließlich die Schweizer Finanzwelt und Politik erschüttert.

Der Achtteiler ist die erste deutschsprachige Eigenproduktion des im Dezember neu gestarteten Streamingdiensts Paramount+ und zugleich die erste Serienarbeit des bekannten Schweizer Filmregisseurs Dani Levy ( "Alles auf Zucker!",  "Mein Führer"), der sich hier die Inszenierung mit Johannes Naber geteilt hat und auch für die Drehbücher verantwortlich zeichnet. Den skurrilen Grundton seiner Kinokomödien hat er dabei in sein Seriendebüt hinübergerettet.

Ringo Babbels (Björn Meyer) ist ein Schluffityp, der nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht. Der stark übergewichtige Mittdreißiger, der in der touristisch geprägten Schwarzwaldregion lebt, hat gleich mehrere Handicaps und Einschränkungen, ist Diabetiker und Analphabet. Beruflich schlägt er sich mit diversen Aushilfsjobs herum. Mehr Glück hat er in seinem Privatleben gehabt: Er lebt mit Carla (Petra Schmidt-Schaller) zusammen, einer attraktiven Frau und Tochter eines führenden Bauunternehmers, die zwar noch mit dem griechischstämmigen Pathos (Pasquale Aleardi), Besitzer eines Fitnessstudios, verheiratet ist, diesen jedoch für ihre große Liebe Ringo verlassen hat.

"Scheich" Ringo (Björn Meyer, r.) überzeugt Makler Urs (Philippe Graber, 2. v. r.) und Politikerin Beatrice (Bettina Stucky, l.)
"Scheich" Ringo (Björn Meyer, r.) überzeugt Makler Urs (Philippe Graber, 2. v. r.) und Politikerin Beatrice (Bettina Stucky, l.) Stephanie Kulbach/Paramount

Gemeinsam mit ihrer Tochter und Carlas Sohn aus ihrer Ehe lebt die Kleinfamilie ein glückliches, wenn auch finanziell bescheidenes Leben. Bis eines Tages zwei Gangster vor der Tür stehen und 100.000 Euro fordern. Denn vor einiger Zeit hat Ringo versehentlich eine Tasche mitgenommen, die genau diese Summe enthielt. Die Tasche hat er nicht mehr, dafür jetzt jede Menge Ärger am Hals.

Zwar überlebt er den Versuch der beiden Kriminellen, ihn nachts im Sumpf zu versenken, muss sich nun aber etwas einfallen lassen, wie er sie doch noch auszahlen kann. Bei einem Familienausflug in die angrenzende Schweiz gerät er in einem Hotel auf einen Empfang der Reichen und Mächtigen. Obwohl er eigentlich nur ein Glas O-Saft abstauben wollte, macht er Bekanntschaft mit dem Immobilienmakler Urs (Philippe Graber), gegenüber dem er seine Anwesenheit rechtfertigt, indem er sich als Erbe eines katarischen Scheichs mit deutscher Mutter ausgibt. Mit dieser Notlüge bringt er eine Lawine ins Rollen, die er schon bald nicht mehr aufhalten kann. Dank der Vermittlung des Maklers kommt er nicht nur zu einer luxuriösen Immobilie, sondern gründet auch eine Investmentfirma, die schnell mit Milliardenwerten jongliert - ohne dass Ringo auch nur einen Euro Eigenkapital hätte.

Der Einstieg in die Miniserie ist leider reichlich holprig ausgefallen. Die Geldtasche ist im Grunde nicht mehr als ein McGuffin, einer jener von Alfred Hitchcock gerne eingesetzten Gegenstände, der lediglich dazu dient, die Ereignisse in Gang zu setzen. Die Gags zünden anfangs noch nicht so richtig und die Inszenierung wirkt zu forciert auf schnell, modern und edgy getrimmt. Das ändert sich in der zweiten Episode spätestens, wenn in einer musicalhaften Sequenz während des eskalierenden Abendessens von Ringo und Carla bei deren wohlhabenden Eltern plötzlich alle Anwesenden nacheinander theatralisch den Text des begleitend laufenden Bryan-Ferry-Songs Bitter Sweet vortragen.

Ist nicht zimperlich, wenn es um ihren Ringo geht: Carla (Petra Schmidt-Schaller)
Ist nicht zimperlich, wenn es um ihren Ringo geht: Carla (Petra Schmidt-Schaller) Stephanie Kulbach/Paramount+

Auch im weiteren Verlauf der Serie spielen treffend ausgewählte Popsongs, die die Handlung kommentieren, eine wichtige Rolle, seien es Lieder von Rammstein oder Townes van Zandt (in einer Coverversion). So untermalt der Rammstein-Song kongenial eine albtraumhafte Sequenz, in der sich die schuldbewuste Carla vor einer Kirche von Nonnen, Passanten und Vogelschwärmen angegriffen fühlt. Auch greifen die verschiedenen Handlungsstränge und Figuren ab Folge 2 besser ineinander, während die Serie ihr Tempo und ihren ganz speziellen Stil findet.

Dabei erweitert sich das ohnehin schon nicht allzu übersichtliche Ensemble um neu auftauchende Charaktere wie die Kriminalkommissarin Pina (Carol Schuler), die als Kind den Unfalltod ihres Vaters miterleben musste (in einer herrlich makaberen Rückblickszene, die einen der skurrilsten Filmunfälle mit sich überschlagendem Auto seit Michel Piccolis in  "Die Dinge des Lebens" präsentiert).

Die absurdeste Rolle spielt aber der immer großartige Sylvester Groth ( "Deutschland"-Triologie,  "Dark") als geheimnisvoller Auftragskiller mit dem sprechenden Namen Ben Judas. Der schlüpft in immer neue Verkleidungen, mal als Installateur, mal als Chefarzt und dann als Polizistin, um seinen Opfern näherzukommen und bedient sich dabei meist überzogener hessischer und sächsischer Akzente.

Genialer Verkleidungskünstler: Auftragskiller Ben Judas (Sylvester Groth) befragt eine Hotelwirtin
Genialer Verkleidungskünstler: Auftragskiller Ben Judas (Sylvester Groth) befragt eine Hotelwirtin Stephanie Kulbach/Paramount+

Während die Krimihandlung aber insgesamt eher nebenbei abläuft, entwickelt sich "Der Scheich" im Kern zunehmend zu einer Satire auf die Schweizer Finanz- und Wirtschaftswelt, in der es um immer neue Bullshitprojekte geht, bei denen Milliarden in überflüssigen Luxus- und Prestigeobjekte versenkt werden. Die Klaviatur, die es braucht, um an solche Investitionssummen zu kommen, spielt Ringo bald perfekt, vielleicht gerade, weil er so unbedarft ist. So liegen ihm nicht nur Banker und Immobilienentwickler zu Füßen, sondern auch die Politikerin Beatrice von Greifen (Bettina Stucky) von der SVP. Dass sich ausgerechnet eine Angehörige der rechtsnationalen Partei, die für ein Minarettverbot in der Schweiz gekämpft hat, an den vermeintlich arabischen Unternehmer ranwanzt, ist nur eine treffende Pointe in diesem Schildbürgerstreich.

Leider kann die Miniserie das hohe Niveau der zweiten und dritten Episode nicht durchgehend halten und verliert sich zwischenzeitlich immer mal wieder in weniger interessanten Nebenhandlungen. Was man Levy und seinen Mitstreitern aber nicht absprechen kann, ist, dass sie eine eigene Farbe in die deutschsprachige Serienlandschaft eingebracht haben. Wahrscheinlich ist es genau das, was Paramount+ hierzulande zum Start gewollt hat.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten sieben Episoden von "Der Scheich".

Meine Wertung: 4/5

Die komplette achtteilige Miniserie "Der Scheich" wird bei Paramount+ am 22. Dezember veröffentlicht.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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