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Todkranke sucht sexuelle Erfüllung in Disneys gewagter Podcastadaption
Molly (Michelle Williams, l.) und Nikki (Jenny Slate) in "Dying for Sex"
Sarah Shatz/FX
TV-Kritik/Review: "Dying for Sex" lässt Michelle Williams über Grenzen gehen/Sarah Shatz/FX

Kurz vor ihrem überraschend frühen Lebensende, als Molly (Michelle Williams) in einem Hospizbett ihre letzten Wochen durchlebt, zeigt ihre Datingapp noch ein neues Match an. "Was machst du gerade?", fragt der Unbekannte im Chat. "Wo warst du mein ganzes Leben lang?", fragt Molly daraufhin mehr sich selbst als den Kontaktsuchenden. Denn erst in den letzten Monaten ihres Lebens hat sie sich getraut, auf die Suche nach für sie befriedigenden sexuellen Beziehungen zu gehen. Und jetzt bleibt ihr keine Zeit mehr.

Schon der Titel  "Dying for Sex" deutet es an: Die neue Miniserie von FX, die im deutschsprachigen Raum bei Disney+ veröffentlicht wird, beschäftigt sich gleich mit den beiden wohl noch immer größten Tabuthemen unserer westlichen Gesellschafen - Sex und Tod. Basierend auf einem Podcast, den die echte Molly Kochan mit ihrer besten Freundin Nikki Boyer gestaltet hat, haben  "New Girl"-Schöpferin Elizabeth Meriwether und ihre Kollegin Kim Rosenstock ihre Erfahrungen auf der Suche nach spätem sexuellen Glück verfilmt. Mit Michelle Williams konnten sie eine der besten Schauspielerinnen der Gegenwart für die Rolle der Molly gewinnen. Das Ergebnis ist eine höchst ungewöhnliche Mischung aus oft stranger Erotik, hemmungslosem Humor und tiefer Tragik, die mehr als nur eine Grenze überschreitet, die auch das US-Bezahlfernsehen sich selbst normalerweise setzt.

Vor einigen Jahren war Molly erstmals an Brustkrebs erkrankt, hatte ihn nach der üblichen Behandlung und einer Operation scheinbar besiegt. Stark darunter gelitten hat ihre Ehe mit Steve (Jay Duplass), mit dem sie seit 15 Jahren verheiratet ist. Schon seit Jahren hatten die Beiden keinen Sex mehr, obwohl Molly sich danach sehnt. Schnell wird deutlich, dass der überbesorgte Steve seine Ehefrau nur noch als zu betreuende und liebevoll zu umsorgende Patientin sieht, aber nicht mehr als begehrenswerte Frau oder gleichberechtigte Partnerin. Erst als Molly die schockierende Diagnose bekommt, dass ihr Krebs zurück ist und schon Metastasen in der Hüfte gebildet hat, traut sie sich endlich, Steve zu verlassen und ihre sexuellen Bedürfnisse mit anderen Menschen zu erkunden. Denn sie hatte noch nie einen Orgasmus mit einem Partner.

Mehr "Patientin-Pfleger"-Beziehung als Ehe: Molly (Michelle Williams) und Gatte Steve (Jay Duplass)
Mehr "Patientin-Pfleger"-Beziehung als Ehe: Molly (Michelle Williams) und Gatte Steve (Jay Duplass) Sarah Shatz/FX

Die Rolle des ständigen Begleiters bei Therapie und Arztgesprächen, die bisher Steve so hingebungsvoll innehatte, übernimmt jetzt ihre beste Freundin Nikki (Jenny Slate), eine um beruflichen Erfolg kämpfende Schauspielerin. Die ist damit zunächst einmal völlig überfordert, organisatorisch - da sie eher chaotisch ist -, aber auch emotional. Aber mit der Zeit wachsen die beiden Frauen immer mehr zusammen. Nikki ermutigt Molly auch zu Sexapps, Sexpartys und Zweiertreffen mit unbekannten Männern, die meist recht ungewöhnliche Vorlieben haben. So probiert Molly fast alles von Dominanz bis Unterwürfigkeit, trifft sich mit Männern, Frauen und sogar einem Mann, der sich gerne wie ein Hund benimmt.

Richtig toll ist davon für Molly nur wenig, fühlt sie sich doch innerlich immer gehemmt, sich ganz gehen zu lassen. Das liegt wohl hauptsächlich an einem traumatisierenden Missbrauchserlebnis aus ihrer Kindheit: Der neue Mann ihrer Mutter hatte sie zum Oralsex gezwungen, als sie gerade sieben Jahre alt war. So muss sich Molly auf ihrer Odyssee nicht nur ihren ihr selbst unbekannten sexuellen Vorlieben stellen, sondern auch ihrem nie aufgearbeiteten Trauma. Skurrilerweise ist es dann vor allem ihr anfangs abstoßend wirkender Nachbar (Rob Delaney, dessen Rollenname schlicht "Neighbor Guy" lautet), mit dem sich langsam aus Beschimpfungen und sexuellen Rollenspielen eine echte Beziehung entwickelt. Bis dahin sind wir Zusehende schon Zeugen geworden, wie Molly auf ihm herumsteigt und ihm in die Hoden tritt.

Wird von der chaotischen Freundin zur treuen Gefährtin: Nikki (Jenny Slate)
Wird von der chaotischen Freundin zur treuen Gefährtin: Nikki (Jenny Slate) Sarah Shatz/FX

"Dying for Sex" ist sicher keine Serie für Zartbesaitete, überschreitet einige Male die Grenzen des guten Geschmacks und ist manchmal hart an der Grenze des Erträglichen. Auch wegen des zweiten großen Themas, dem Prozess des Sterbens. Vom unheilbaren Krebs aus der Mitte ihres Lebens gerissen, durchläuft Molly die üblichen Phasen von Wut bis Akzeptanz und wird am Ende von der sich schneller als erwartet ausbreitenden Krankheit eingeholt. Es ist ein großer Verdienst der Serie, dass diese dabei nie ein Gefühl der Hoffnungs- oder Sinnlosigkeit erzeugt. Ganz im Gegenteil: Das Leben ist es wert, gelebt zu werden, egal wie lange oder kurz es noch dauern mag. Diese Botschaft vermitteln die AutorInnen ohne jeglichen Kitsch.

Getragen werden die acht jeweils etwa halbstündigen Episoden vor allem von den beiden hervorragenden Hauptdarstellerinnen. Michelle Williams als Spezialistin für die Darstellung komplexer Frauenfiguren in Independentfilmen wie  "Blue Valentine - Vom Ende einer Liebe" erweist sich einmal mehr als mutige Schauspielerin, die in dieser Rolle sicher auch eigene Grenzen überschreitet. Zwischen Verletzlichkeit und Selbstbehauptung macht sie ihre Molly zu einer immer sympathischen und glaubwürdigen Figur.

Erst abstoßend, dann vertraut: der namenlose Nachbar (Rob Delaney)
Erst abstoßend, dann vertraut: der namenlose Nachbar (Rob Delaney) Sarah Shatz/FX

Die perfekte Ergänzung ist Jenny Slate, für deren Nikki die schmerzhafte Begleitung ihrer sterbenden Freundin auch zu einer Entdeckung ihrer selbst wird. "Ich habe nie gewusst, dass ich einen Menschen so sehr lieben könnte", gesteht sie gegen Ende ihrem Ex-Freund (und meint damit natürlich Molly). Jetzt weiß sie, dass sie fähig ist, jemandem bis zum Ende beizustehen. In Nebenrollen überzeugen Sissy Spacek als Mollys Mutter Gail und David Rasche ( "Sledge Hammer") als behandelnder Arzt.

"Dying for Sex" ist eine Serie, auf die man sich einlassen können muss. Sicher keine für jede und jeden oder zum Nebenbeischauen. Aber es ist schön, dass das ausdifferenzierte US-amerikanische Serienbusiness inzwischen auch eine solche Produktion ermöglicht, die noch vor wenigen Jahren in der Expliziertheit der Darstellung unvorstellbar gewesen wäre.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten Miniserie.

Meine Wertung: 4/5

Die achtteilige Miniserie ist ab dem 4. April bei Disney+ verfügbar.



 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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