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TV-Kritik/Review: "Inventing Anna": Wie gut ist Shonda Rhimes' Netflix-Adaption des Betrugsfalls Anna Delvey?

Wie eine junge Deutsche ohne Geld die New Yorker High Society ausnahm
"Inventing Anna" mit Julia Garner
Netflix
TV-Kritik/Review: "Inventing Anna": Wie gut ist Shonda Rhimes' Netflix-Adaption des Betrugsfalls Anna Delvey?/Netflix

Anna (Julia Garner) sitzt gerade mit ihrem Freund Chase (Saamer Usmani) beim Essen auf dem Deck der Luxusyacht, als ihr Handy klingelt. Am anderen Ende der Leitung ist die erboste Bekannte, die die Yacht ursprünglich für ein paar Tage gemietet hatte. Wie alle anderen Gäste, die sie eingeladen hatte, ist sie längst wieder zu Hause, hat aber erfahren, dass Anna einfach geblieben ist - mit der kompletten Besatzung, was die Mieterin natürlich ein Vermögen kostet. Es ist eine bezeichnende Situation für die Art, wie die junge Frau, die sich selbst Anna Delvey nannte, bis 2017 die High Society von New York ausgenommen und an der Nase herumgeführt hat. Shonda Rhimes' Produktionsfirma Shondaland hat ihre spektakuläre Geschichte jetzt für Netflix unter dem Titel  "Inventing Anna" als zehnteilige Miniserie verfilmt.

Es war einer der aufsehenerregendsten Betrugsprozesse der vergangenen Jahre, der weltweit die Klatschspalten füllte: Eine junge Deutsche mit russischen Wurzeln hatte sich jahrelang in New York als Millionenerbin ausgegeben, ein Luxusleben auf Kosten anderer geführt und bei Banken und Investoren Geld für ihre Stiftung eingesammelt, mit der sie eine Mischung aus Hotel, Museum und Künstleratelier mitten in Manhattan aufbauen wollte. In Wirklichkeit hatte sie nie selbst über finanzielle Mittel verfügt. Der Fall wurde durch einen Artikel von Jessica Pressler in dem Stadtmagazin New York Magazine bekannt, auf dem nun die Serienadaption basiert.

Wie war es möglich, dass jemand, der kein Geld und keine Ausbildung hatte und den in den USA niemand kannte, nach kurzer Zeit in der Mode- wie in der Kunstbranche ein und aus ging und neureiche Start-up-Gründer ebenso um den Finger wickeln konnte wie Vertreter des alten Geldadels? Das versucht die Journalistin herauszufinden, die in der Serienfassung Vivian heißt und von Anna Chlumsky (bekannt geworden als Kinderstar in  "My Girl - Meine erste Liebe") gespielt wird. Die hat selbst einen Karrieknick hinter sich, ist schwanger und wird beim hier Manhattan genannten Hochglanzmagazin mit eher belanglosen Rechercheaufträgen abgespeist. In der Story über die It-Girl-Hochstaplerin sieht sie ihre Chance, doch noch den ganz großen Scoop zu landen und sich als ernstzunehmende Journalistin zu rehabilitieren.

Ungleiche Interviewpartnerinnen: Anna Sorokin alias Delvey (Julia Garner, l.) und Journalistin Vivian (Anna Chlumsky)
Ungleiche Interviewpartnerinnen: Anna Sorokin alias Delvey (Julia Garner, l.) und Journalistin Vivian (Anna Chlumsky) Shondaland/Netflix

Doch dazu muss sie nicht erst ihre - natürlich allesamt männlichen - Chefs überzeugen, dass die Story wirklich Potential hat, sondern auch die exzentrische Anna, die in Untersuchungshaft auf ihren Prozess wartet, zu einem autorisierten Interview überreden. Zwar ist es kein Problem, einen Besuchstermin im Gefängnis Rikers Island zu bekommen, dafür umso mehr, Anna für sich zu gewinnen. Ist Vivian doch das genaue Gegenteil der exaltiert sprechenden, in Mode-, Kunst- und anderen Stilfragen bewanderten Inhaftierten: eher bodenständig, modisch mit einem Durchschnittsgeschmack und vor allem ohne Zugang zu größeren Geldquellen. Schließlich kann die Reporterin Anna aber doch überzeugen, dass auch sie von einem großen Magazinartikel profitieren würde - schließlich gibt es eine Sache, die sie noch mehr interessiert als Geld: Ruhm.

Während die Auftaktepisode komplett aus der Sicht von Vivian erzählt wird, laufen ab Folge 2 immer zwei Handlungsebenen parallel: die Recherchen der Journalistin und die Ereignisse um Anna einige Jahre zuvor. In diesen Rückblicken sieht die junge Deutsche mit dem seltsamen Akzent ganz anders aus als nun in ihrer Gefängniskluft: immer top gekleidet, mit einem eigenen Stil, selbstbewusst bis in die Fingerspitzen. Oder wie es eines ihrer "Opfer", ein Modedesigner, Vivian einmal beschreibt: Sie hatte dieses gewisse Etwas, bei dem jedes Detail passte.

It-Girl in New York: Anna Delvey versteht es, immer gut auszusehen.
It-Girl in New York: Anna Delvey versteht es, immer gut auszusehen. Shondaland/Netflix

Dabei scheint Anna vor allem von Ehrgeiz zerfressen zu werden, irgendetwas kompensieren zu müssen. Nach außen wirkt sie (fast) immer höflich und freundlich, hintenrum manipuliert sie aber auch die Menschen, die ihr am nächsten stehen, darunter ihren Geliebten Chase, der als Start-up-Gründer versucht, den Durchbruch mit einer App zu schaffen. Nachdem sie aufgeflogen ist, teilt sich ihr ehemaliger Freundeskreis in zwei Gruppen: wenige, die zu ihr halten, und die anderen, denen klar wird, dass es Anna Delvey in Wahrheit nie gegeben hat (ihr richtiger Name ist Sorokin) und sie im Grunde keine Ahnung haben, wer die Frau wirklich ist, mit der sie so viel Zeit verbracht haben.

Es ist nicht überraschend, dass aus dieser Story eine Serie geworden ist: True Crime geht ja zur Zeit immer und die Welt der Reichen von New York bietet ein reizvolles Setting. Die Geschichte vom Aufstieg und Fall der armen Einwanderin ist aber auch darüber hinaus interessant, knüpft sie doch an viele Themen an, die unsere Gesellschaft heute beschäftigen: die Rolle von InfluencerInnen, die weniger durch Können auffallen als durch ihr Aussehen und Auftreten, die Allgegenwärtigkeit von Social Media (ohne Instagram wäre Anna wohl nie so weit gekommen), aber auch den Zwiespalt traditioneller Medien zwischen verzweifeltem Kampf um Auflagen und journalistischem Ethos.

Annas Weg endet in U-Haft.
Annas Weg endet in U-Haft. Shondaland/Netflix

Shonda Rhimes hat diese Themen so unterhaltsam in eine TV-Serie umgesetzt, wie man es von ihren Erfolgsserien wie  "Grey's Anatomy" und  "Seattle Firefighters - Die jungen Helden" gewöhnt ist. Regisseur David Frankel, der die ersten Folgen inszeniert hat, setzt den Glamour der Scheinwelt der Manhattaner Upper Class stilistisch ansprechend um, ohne sich in Schwelgen zu verlieren. Mit Regiearbeiten wie  "Sex and the City" und  "Entourage", aber vor allem dem im Modejournalismus angesiedelten Kinofilm  "Der Teufel trägt Prada" brachte er die passenden Erfahrungen mit.

Für europäische ZuschauerInnen zeichnet die Serie auch ein interessantes Bild eines gespaltenen Amerikas. Manhattan wirkt in den kurzen Establishing Shots fast wie eine Enklave derjenigen, die es geschafft haben: eingepfercht zwischen Hudson und East River, mit dem ausufernden Central Park inmitten all der glitzernden Wolkenkratzer. Die Hamptons, wo die Superreichen ihre Urlaubsresidenzen haben, ist eine Parallelwelt, über die normale Berufstätige wie Vivian und ihr Ehemann nur neidisch staunen können. Dem gegenüber steht das piefige Vorstadtleben in Ohio oder gar die überfüllte riesige Gefängnisanlage, in der Besucher erst mit mehreren Bussen zu ihrem Ziel gelangen müssen. Zwischen diesen disparaten Welten verkörpert Anna Delvey auf ihre Art den American Dream: Zwar ist sie letztlich im Knast gelandet, hat aber heute 150.000 Instagram-Follower.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Inventing Anna".

Meine Wertung: 3.5/5

Die zehnteilige Miniserie ist ab Freitag, den 11. Februar auf Netflix verfügbar.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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