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Außergewöhnliche Ermittelnde sind spätestens seit Sherlock Holmes längst keine Neuheit mehr. Doch was, wenn das Kriminaltalent ohne jegliche Erfahrung nur mit dem eigenen Intellekt Fälle löst? Dieses Konzept setzt die US-Serie
Es gibt zwei Arten von Menschen - diejenigen, die lästige Hausarbeiten wie Putzen stoisch und der Reihe nach erledigen. Und diejenigen, die mit dröhnenden Beats in den Ohren von einem Raum in den nächsten tanzen und das Beste aus der Situation machen - genau wie die Protagonistin der Krimi-Serie "High Potential".
Morgan ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern - das Geld ist knapp, das Auto in Reparatur. Mit dem Bus fährt Morgan nachts durch Los Angeles zu ihrer Arbeitsstelle: dem Los Angeles Police Department. Dort wühlt sie aber nicht durch Akten und bearbeitet Fälle, sondern packt Eimer, Wischmopp und Kopfhörer aus, um putzend durch das Revier zu tanzen. Da können auch schon mal ein paar Akten vom Tisch fallen. Beim Aufräumen sticht der Frau jedoch etwas ins Auge. Sie korrigiert ein kleines, aber feines Detail auf dem Ermittlungsboard und macht weiter, als wäre nichts geschehen.

Natürlich fallen am Tag darauf den eigentlichen Ermittelnden auf, dass an ihrem Board herumgepfuscht wurde - was ein großes Ärgernis auslöst. Sie gehen dem Ganzen auf die Spur und stoßen auf Morgan. Diese offenbart, dass sie einen IQ von 160 hat und eine Art "Zwangsstörung", bei der sie jeden noch so kleinen Fehler korrigieren muss. Demnach ist ihr Intellekt mehr Fluch als Segen - es sorgt für Unbeständigkeit, Chaos und Misserfolg.
Das sieht Abteilungsleiterin Selena Soto (Judy Reyes) jedoch anders: Sie ist vom Intellekt der Putzhilfe fasziniert und vor allem überzeugt, dass Morgan beim vorliegenden Fall helfen kann. Das passt Ermittler Karadec (Daniel Sunjata) so gar nicht in den Kram - er entspricht eher der eingangs erwähnten ersten Art von Menschen, die immer die Regeln befolgen und eben nicht aus der Reihe tanzen. Somit bilden die beiden schnell ein ungleiches Paar, das sich gegenseitig nicht besonders leiden kann, dennoch zusammenarbeiten muss - was viel Potenzial für Zankerein bereithält.

Durch Morgans ungewöhnliche Art, kleine Details zu erkennen und dadurch komplexe Fälle zu lösen, wird ihr angeboten, den Ermittelnden dauerhaft als Beraterin zur Seite zu stehen. Klug wie sie ist, nimmt sie das aber nicht ohne eine Gegenforderung an: Vor fünfzehn Jahren ist ihr damaliger Partner spurlos verschwunden. Die Polizei verfolgte die Spur nicht weiter, doch Morgan ist überzeugt, dass er sie und ihre damalige Neugeborene niemals im Stich gelassen hätte. Demnach möchte sie den Fall neu aufrollen und die Hilfe des Los Angeles Police Departments in Anspruch nehmen, um ihren vermissten Partner zu finden.
Damit bildet die Pilotfolge von "High Potential" eine solide Basis für die kommenden Folgen. Vom Aufbau verspricht das Crime-Format typischerweise pro Folge eine in sich abgeschlossene Handlung. Durch Morgans übergreifendes Ziel, ihren verschwundenen früheren Partner wiederzufinden, bauen die Episoden aber auch aufeinander auf. Dank Morgans außergewöhnlicher Auffassungsgabe und ihrer Stellung als Außenstehende der Polizei wird auch ein Problem gelöst, das mit dem Crime-Genre stets einhergeht: Wie hebt sich die x-te Krimi-Serie von den anderen ab? In diesem Fall eben, indem die Verbrechen aus den Augen der Putzhilfe betrachtet werden. Das macht sie als Figur nahbar und erlaubt es den Zuschauenden, sich mit ihr zu identifizieren.

Aber: Ohne Morgan als Hauptfigur funktioniert die Serie nicht. Das ist einerseits logisch - schließlich ist sie die Protagonistin mit dem hohen IQ. Andererseits gibt es kein anderes Element, das die Serie einzigartig macht. Gerade weil Morgan als quirlige, bunt angezogene und chaotische Figur heraussticht, wirken alle anderen dafür blass, eintönig und langweilig. Ob Chefin Selena Sato, Detective Karadec oder sogar Morgans Kinder: Ihnen alle fehlen Ecken und Kanten, die sie als Figuren mehrdimensional und spannend machen. Dass in der ersten Folge nun mal der Fokus voll und ganz auf Morgan liegt, ist verständlich - doch auch in der zweiten Episode ändert sich das nicht. Im Gegenteil: Während im Piloten sogar noch auf Karadecs eigene "Zwangsstörung" angespielt wird, fehlt in der nächsten Folge jede Spur davon.
Dasselbe gilt auch für den Konflikt. Zwar will Morgan ihre neu erlangte Position nutzen, um den vermissten Vater ihrer Erstgeborenen zu finden. Wieso sie ausgerechnet jetzt, nach fünfzehn Jahren, die Suche wieder aufnimmt, bleibt zumindest nach den ersten beiden Folgen unbeantwortet. Mit ihrem Ex-Partner, Vater ihrer zwei jüngsten Kinder, versteht sie sich hervorragend - auch hier gibt es kein "hohes Potenzial" für Drama oder Konflikt. Was umtreibt Morgan also als Figur? Woran könnte sie scheitern? Was muss sie überwinden, um ihre Ziele zu erreichen? Auf all diese Fragen gibt es bislang nur eine Antwort, nämlich keine. Dadurch wird Morgan eigentlich nur auf ihr Intellekt "reduziert" - sie hat keine weiteren Eigenschaften, die sie als Protagonistin besonders hervorstechen lassen. Das macht sie hinter ihrer bunten Fassade genauso eindimensional wie die restlichen Charaktere.

Übrig bleibt danach nur noch Morgans "Superkraft": ihre Intelligenz. Nur ist ein hoher IQ nicht alles: Morgan greift auch auf ein extrem gutes Gedächtnis zurück, sodass sie sich an skurrile Fakten erinnern kann, die im entscheidenden Moment dazu führen, ein wichtiges Detail im Fall zu entlarven. Leider wirkt genau dieser Effekt oft mehr wie Willkür statt analytischer Deduktion, als ob Morgan eben nur zufällig genau die richtige Lösung parat hat (die man sich als Zuschauende ehrlicherweise oft schon ohne die genaue Hinführung erschließen kann). Die Überraschung, beziehungsweise der berühmte "Aha"-Effekt bleiben aus. Dadurch läuft "High Potential" leider Gefahr, dass die anfängliche Begeisterung für die hochintelligente Figur schnell wieder schwindet.
Dabei ist das Konzept an sich gut - was nicht zuletzt das französische Original
"High Potential" ist am 17. September 2024 auf ABC in den USA gestartet. Die erste Staffel umfasst 13 Folgen. Ab 23. Januar 2025 wird die US-Adaptation des französischen Originals auf Disney+ ausgestrahlt. Umgesetzt wurde die US-Serie von Drew Goddard (
Über die Autorin
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Leserkommentare
Zeus2001 schrieb am 24.01.2025, 10.33 Uhr:
Habe die ersten beiden Folgen gestern hintereinander gesehen und war sehr amüsiert. Gerne mehr, so können Geschmecker verschieden sein.
pumpkins schrieb am 23.01.2025, 18.45 Uhr:
Warum müssen die Amis immer erfolgreiche Serien wie HIP kopieren und so tun als ob sie so geniale Serien entwickeln
cinnimini schrieb am 26.01.2025, 11.48 Uhr:
Ist so, oder? Hab die ersten zwei Folgen gesehen und dann gelesen, dass es ein Remake ist. Guck jetzt grad die erste Folge HIP und in der Eröffnungsszene musste ich erstmal gucken ob ich tatsächlich die französische Serie schaue oder das US Remake. Zumindest dejâ-vu Momente ziehen sich durch die gesamte Folge. Teilweise sind die Dialoge 1 zu 1 übernommen. Ich schaue jetzt lieber das Original weiter. Da gibt es ja schon 4 Staffeln.
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