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TV-Kritik/Review: Stranger Things
(18.07.2016)

J.J. Abrams hat es vor fünf Jahren schon einmal versucht: eine Hommage zu drehen an das gute alte nicht-digitale Blockbuster-Kino der späten 1970er bis mittleren 1980er-Jahre, als Steven Spielberg in "E. T." clevere Kids in den Kampf gegen bornierte Erwachsene schickte, als Richard Donner die "Goonies" in Piratenhöhlen kraxeln ließ oder Wil Wheaton und River Phoenix in der Stephen-King-Verfilmung "Stand By Me" erwachsen wurden - und die Kinospielpläne noch nicht von immer neuen Episoden der immergleichen Comic-Superhelden verstopft waren. Abrams' Kinofilm "Super 8" war ein Fanboy-Projekt und kam auch bei Nachgeborenen gut an, wobei sich viele nicht entscheiden konnten, ob das nun eine charmante Hommage war oder ein etwas zu wohlfeiles Imitat der von ihnen bewunderten Filme.
Eine ähnliche Debatte wird nun
Zum Glück aber scheinen es die Brüder Matt und Ross Duffer in ihrem ersten eigenen, zunächst auf acht Episoden angelegten Serienprojekt nicht beim bloßen Fanservice zu belassen; vielmehr verfolgen die Zwillinge, die bislang als Autoren einiger 
Mit einer oft gesehenen, aber effektiven Grusel-Routine geht es los: Da flieht ein Wissenschaftler panisch durch die labyrinthischen Gänge eines Laborkomplexes und wird dann von etwas nicht Sichtbarem aus dem Bild gerissen. Im Anschluss an dieses Cold Opening lernen wir die kindlichen Protagonisten der Serie kennen: Mike (Finn Wolfhard), Dustin (Gaten Matarazzo), Lucas (Caleb McLaughlin) und der schmächtige Will, alle so um die zwölf Jahre alt, spielen im Keller von Mikes Elternhaus im (fiktiven) Hawkins, Indiana, schon seit zehn Stunden Dungeons & Dragons, als Mikes Mutter Karen (Cara Buono) die Runde jäh auflöst. Will radelt an diesem dunklen Herbstabend allein nach Hause - und begegnet im Wald einem guttural grollenden Monster, das zwar nur kurz durchs Bild huscht, aber Konturen besitzt, die gruselig genug sind, um in den nächsten Episoden schon als bloße Andeutung das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Will flieht durch den Wald nach Hause, in den Schuppen. Doch das Ungeheuer holt ihn trotzdem; wohin, bleibt ungeklärt.
Als Wills alleinerziehende Mutter Joyce haben die Duffers Winona Ryder für die große Bühne reaktiviert, eine Schauspielerin also, die für das Blockbuster-Kino der Achtziger knapp zu spät kam, in den Neunzigern in Filmen wie "Edward mit den Scherenhänden" lange ein Top-Star war und dann lange genug von der Bildfläche verschwunden oder zumindest in Nebenrollen abgedrängt war, um heutigen Teens praktisch unbekannt zu sein. Die Älteren dagegen werden sich freuen, die Mittvierzigerin (nach dem Gastpiel in HBOs
Der zweite - erwachsene - Protagonist von "Stranger Things" ist Sheriff Hopper, gespielt vom verlässlichen David Harbour (zuletzt eher verschenkt in der kurzlebigen NBC-Spionageserie "State of Affairs"). Als Hallodri mit Vorliebe für wechselnde Affären und reichlich Alkohol behelligt Hopper seine Sekretärin mit dem schönen Bonmot, dass die Vormittage nicht für Arbeit reserviert seien, sondern "für Kaffee und Kontemplation". An der Wand seines verrumpelten Hauses hängt ein Foto, in dem Hopper als Familienvater zu sehen ist. Frau und Kind gibt es nicht mehr, Hopper ist irgendwie aus der Bahn geraten, doch sobald er sich aber um den Fall des verschwundenen Will kümmern muss, gewinnt dieser fast schon klassisch gebrochene Ermittler sofort an Ernst und Sympathie: Wer weiß, ob es nicht was werden könnte mit ihm und Joyce?
Schon in der zweiten Episode wird Hopper von Hinweisen an den Zaun jenes Laborkomplexes geführt, in dem schon die Eröffnungsszene spielte. Wir Zuschauer sind ihm einen Schritt voraus: Dr. Martin Brenner (Matthew Modine, fast 30 Jahre nach "Full Metal Jacket" ehrenvoll ergraut), dubioser Mitarbeiter der Energiebehörde, hat dort samt Team in Schutzanzügen einen glibberigen Organismus vorgefunden, aus dem offenbar das gesuchte Monster entsprungen ist. Was mag es sein? Ergebnis eines missglückten Experiments? Außerirdisches Wesen? Warum flackern die Lichter, wenn es in der Nähe ist?
Nicht weniger rätselhaft ist ein kleines Mädchen, das sich, nach der auf ihren Arm tätowierten Zahl, "Eleven" nennt, nur "Ja" und "Nein" sagen kann, kahlgeschoren durch den Wald stapft und Telekinese beherrscht. Eleven (toll: Millie Bobby Brown aus
Generell leben und atmen die "Stranger Things" vor allem, wenn die Kinder im Vordergrund der Handlung stehen: Mike, der schüchterne Träumer, Lucas, der Schlagfertige und Dustin, der Scherzkeks mit dem Sprachfehler, wirken als Figuren sofort vertraut. Das liegt auch an den Jungdarstellern, die allesamt ganz hervorragend sind. Als die Jungs die im Wald gefundene Eleven im Kinderzimmer verstecken und mit Überbleibseln vom Abendessen füttern, werden die E.T.-Parallelen überdeutlich: Ersetzen Sie Mike durch Elliott und Eleven durch den außerirdischen Gnom. Auch die Szenen mit Mikes Eltern am Esstisch wirken wie direkt aus einem apokryphen Spielberg-Film importiert. Doch weil die Duffers sehr viel Sorgfalt an den Tag legen und das Zeitkolorit stets liebevoll nachzeichnen (inklusive Songs von Toto, The Clash oder den Bangles), statt nur checkermäßig anzuzitieren, kommt all das nie abgegriffen oder kopistisch rüber. Die Hommage siegt über das billige Imitat.
Nein, natürlich überzeugt nicht alles sofort: Wohin etwa der sehr stereotype, an Collegefilme erinnernde Subplot um Mikes Teenieschwester Nancy (Natalia Dyer) führen soll, bleibt vorerst ebenso unklar wie die Rolle von Wills älterem Bruder Jonathan (Charlie Heaton), der auf eigene Faust ermittelt. Und es steht auch in den Sternen, ob der Plot mehr Luft hat als für die acht Episoden dieser Staffel. Doch fürs Erste aber haben wir es hier mit einer sehr unterhaltsamen, teils sehr spannenden Variation der bewährten Eighties-Hits zu tun, die alten Fans erfreulicherweise ebenso viel Vergnügen bereiten dürfte wie jüngeren Zuschauern. "Stranger Things" macht nichts atemberaubend anders, doch die ersten Episoden haben das Herz am rechten Fleck, was in diesen Jahren nicht viele Produkte der Unterhaltungsindustrie für sich reklamieren können. Und sie schaffen Erstaunliches: Sie wirken wie von damals, aber nie wie von gestern.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Stranger Things".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: NEtflix
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