Holland, in den späten 50er Jahren. Gemeinsam mit vielen Landsleuten verschlägt es den jungen Italiener Vincenzo in die fernen Niederlande, wo er sein Geld in einer Kohlengrube verdient. In 1035 Meter unter Tage ist die Arbeit beschwerlich. Die Kumpels schuften in stickiger Luft, kein Mensch schert sich um die Sicherheitsbestimmungen. Nach einem Beben bricht der Stollen ein, Vincenzo wird zusammen mit dem Vorarbeiter Federico verschüttet. Erst nach mehreren Tagen können die Bergmänner gerettet werden. Vincenzo möchte seine Arbeit als Bergmann beenden und wieder heim nach Italien ziehen. Doch erleichtert über diese "Wiedergeburt", begleitet er zunächst seinen Kumpel Federico in das Amsterdamer Rotlichtviertel, wo käufliche Mädchen in Schaufenstern posieren. Federico spielt sich großspurig als Frauenversteher auf, um seinem schüchternen Landsmann jede Menge guter Ratschläge zu erteilen. Vincenzo ist jedoch nur von einem Mädchen fasziniert: der hübschen Else. Nach einem gemeinsamen Wochenende am Meer gibt sie ihm zu verstehen, dass sie von ihrem Dasein als Prostituierte genug hat - sie will heiraten. Vincenzo steht vor einer schweren Entscheidung. Luciano Emmers ("Ein Sonntag im August") ungewöhnliche Mischung aus Melodram und neorealistischer Sozialstudie verblüfft durch die genaue Milieuschilderung des niederländischen Kohlenreviers und des Amüsierviertels von Amsterdam. Pier Paolo Pasolinis wirkte am Drehbuch mit. Lino Ventura und der französische Charakterschauspieler Bernard Fresson arbeiten sich als gegensätzliche Typen förmlich aneinander ab. Die damals 22-jährige Marina Vlady, bekannt aus Godards "2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß", verkörpert die junge Frau, die Vincenzo den Kopf verdreht. Der 1919 als Angiolino Giuseppe Pasquale Ventura in Parma geborene Lino Ventura zählte zu den beliebtesten französischen Darstellern, die ebenso große internationale Popularität genossen. Besonders bekannt ist seine Interpretation des Trenchcoat tragenden eher wortkargen Kommissars, den er in zahlreichen Filmen verkörperte - sei es "Fahrstuhl zum Schafott", "Der Clan der Sizilianer" oder "Die Macht und ihr Preis". Im Grundton sind Venturas Figuren häufig geprägt von einer gewissen Melancholie. Mit sparsamer Mimik und kleinen Gesten spielte er harte, verschlossene, aber dennoch zutiefst menschliche Typen, die auf echte Freundschaft setzen, aber die der erneute Verrat der anderen kaum überrascht. Bis zu seinem Tode 1987 blieb er einer der großen Publikumslieblinge in Frankreich. Das rbb Fernsehen sendet den Spielfilm "Mädchen im Schaufenster" zur Ehren Lino Venturas, der am 14. Juli 100 Jahre alt geworden wäre.
(rbb)
Länge: ca. 99 min.
Deutscher Kinostart: 01.09.1961
Original-Kinostart: 12.05.1961 (F)
FSK 18
Cast & Crew
- Regie: Luciano Emmer
- Drehbuch: Luciano Emmer, Pier Paolo Pasolini, Emanuele Cassuto, Luciano Martino, Vinicio Marinucci
- Produktion: Emanuele Cassuto, Nepi Film, Sofitedip
- Musik: Roman Vlad
- Kamera: Otello Martelli
- Schnitt: Jolanda Benvenuti, Emma Le Chanois
- Maske: Giuseppe Banchelli
- Regieassistenz: Vana Caruso, Giancarlo Ravasio, Frans Weisz
- Ton: Fausto Ancillai, Nino Renda, Vittorio Trentino