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TV-Kritik/Review: "Der Irland-Krimi" alias "Der Nosbusch-Krimi": Generikum für die Hausapotheke
(24.10.2019)
Fast genauso lange wie das Internet selbst gibt es SEO - search engine optimization. Anbieter von Internetinhalten versuchen herauszufinden, was die anvisierte Zielgruppe will und sucht, und statten ihr Angebot mit treffenden Keywords aus, um möglichst auffindbar zu sein. Wer seine Zweifel hatte, ob die Öffentlich-Rechtlichen bei der Umsetzung ihres Programmauftrags - die Leistung eines Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung - solchen Bedingungen folgen, der gebe - zumindest zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels - das Stichworts "Krimi" in einer bekannten Suchmaschine ein, und erhalte als Top-Treffer zwei Links zur ARD Mediathek. Und lasse sich anschließend die Betitelung der neuesten Kriminalreihe ebenjener Sendeanstalt auf der Zunge zergehen:
Die Prämisse klingt zunächst nicht unspannend - der Fund mehrerer in einem Kloster verscharrter Leichen - nur eine davon eines Erwachsenen - reißt leidig verheilte Wunden der Psychologin Cathrin Blake (Désirée Nosbusch) wieder auf, deren Mann Liam (Barry O'Connor) vor Jahren spurlos verschwand, weshalb sie mit dem gemeinsamen Sohn Paul (Rafael Gareisen) fortan auf sich allein gestellt war. Cathrin ist sich sofort sicher, dass es sich bei dem Toten um ebenjenen Liam handelt - wobei diese Sicherheit zumindest anfangs eher auf Wunschdenken zurückzuführen ist, denn auf die objektive Beweislage. Liams Verschwinden hat Cathrin damals als seelisches Wrack zurückgelassen, alkoholkrank und depressiv. Dass sie eine stadtbekannte Trinkerin war, wird ihr vor Augen geführt, als ein Patient während der Therapiesitzung den Spieß umdreht und sie auf ihre Alkoholvergangenheit anspricht, als sie ihm seine Probleme zu entlocken versucht.
Der Zuschauer weiß allerdings von Anfang an mehr als Cathrin - direkt in der Anfangssequenz, einer Rückblende, wird er Zeuge, wie Liam von einer unerkannt bleibenden Person gefangengehalten wird. Es wird schnell ersichtlich, dass es auf eine Art Whodunit hinauslaufen wird: wer war für Liams Verschwinden - und mutmaßlich dessen Tod - verantwortlich? Mögliche Verdächtige gibt es gar nicht allzu viele. Zum einen die Mitarbeiter der örtlichen Polizeistation: Liams alten Vorgesetzten Sean Kelly (Declan Conlon) und seinen früheren Partner Callum O'Connor (Vincent Walsh); und die frisch gebackene Polizistin Emma Walsh (Mercedes Müller), die wegen ihres jungen Alters als Tatverdächtige für den 10 Jahre zurückliegenden Fall ausscheidet. Ein weiterer Schauplatz der Handlung ist das Kloster im Ort, welches einerseits die strenge Mutter Oberin Anna (Tatja Seibt) beherbergt, und andererseits die weitaus weniger kaltschnäuzige Nonne Elisabeth (Joanne Brennan), die mit der Vergangenheit ihrer Arbeitsstätte hadert. Das Kloster war nämlich vor Jahren in einen Skandal verwickelt, bei dem "gefallene Mädchen", die jung und unverheiratet schwanger geworden waren, in einer Art "Arbeitslager" schuften mussten, um für ihren unfrommen Lebenswandel Buße zu tun. Nach der Geburt wurden ihnen die Kinder weggenommen, deren Schicksal weitgehend unklar blieb - bis zum Fund der Kinderleichen in der Jetzt-Zeit.
Cathrin, selbst ehemals bei der Polizei beschäftigt, ist immer noch verbittert darüber, dass die Polizei Liams Verschwinden nicht aufgeklärt hat. Deshalb nimmt sie nun selbst die Ermittlungen auf - sie entwendet ein Beweisstück vom Tatort, durch welches sie eine Verbindung zwischen Liams Verschwinden und dem berüchtigten Kloster herstellt, wo sie auf ihre Fragen aber zunächst nur einsilbige Antworten erhält. Nebenher steckt sie ihre Nase aber auch in die laufenden Ermittlungen zum Thema Drogenhandel: Ein Informant verrät der Polizei, dass am Hafen weitaus mehr als nur Fisch verarbeitet wird. Die nachfolgende Razzia gerät allerdings zur Farce - was nur bedeuten kann, dass die Drogendealer vorgewarnt wurden, aus den eigenen Reihen der Polizei. Etwa von derselben Person, die auch Liam auf dem Gewissen hat? Zunehmend legt die Geschichte nahe, dass die Handlungsstränge des Klosters und des Drogenhandels in Zusammenhang stehen, und somit auch mit Liams Schicksal zu tun haben. Wurde doch auch dessen Polizeiakte von jemandem innerhalb der Behörde nachträglich bereinigt, um unkenntlich zu machen, woran er zuletzt gearbeitet hat. Cathrin setzt alles daran, endlich Licht ins Dunkel zu bringen.
Der Gesamteindruck von "Der Irland-Krimi" liegt irgendwo zwischen gequält und müde. Die Geschichte ist ganz überwiegend auf Cathrin als Hauptcharakter bzw. Désirée Nosbusch als Hauptdarstellerin zugeschnitten. Die weiteren Charaktere bleiben weitgehend blass. Aber obgleich die Gründe für Cathrins Verbitterung dem Zuschauer unmissverständlich erklärt werden, wirkt ihr Verhalten teils over the top und wenig nuanciert. Wertvolle Pokale sollte man lieber von ihr fernhalten, sonst landen sie auf dem Boden. Laut Vorgeschichte wurde Cathrin nach dem Verschwinden ihres Mannes Alkoholikerin und wäre daran fast zerbrochen - sodass sie damals auch Sohnemann Paul zu seinen Großeltern nach Deutschland geben musste. Dass sie nach dem Fund der Leichen allerdings ohne großes Zögern in eine Kneipe geht und sich betrinkt, bleibt folgenlos - nach diesem Vorfall scheint sie nicht versucht zu sein, erneut Zuflucht im Alkohol zu suchen.
Serienfans werden beim Namen Désirée Nosbusch natürlich hellhörig, gilt
Die üblichen Fragen deutscher Produktionen im Ausland stellen sich auch hier: Alle Mitwirkenden sprechen Deutsch, obwohl der Schauplatz Irland ist - geschenkt, das ist bei Synchronfassungen auch nicht anders. Anreden wie "Mom" und "Ladies", sowie natürlich alle Eigennamen, sind dann doch Englisch - auch daran ist man gewohnt. Die beiläufige Erwähnung, dass Cathrins Eltern in Deutschland wohnen, ist dann eher verwirrend - hat Cathrin doch deutsche Wurzeln? Bei den Dreharbeiten sprachen deutsche Schauspieler Deutsch und britische Schauspieler Englisch, auch miteinander; letztere werden natürlich synchronisiert, erstere wahrscheinlich auch nachsynchronisiert - eine Praxis, die auch bei komplett deutschsprachigen Produktionen gängig ist, weil für die Ohren deutscher Zuschauer Synchronfassungen gewohnter klingen als der Originalton - auch wenn dadurch Dialoge gegebenenfalls hölzerner klingen, als dies unsynchronisiert der Fall wäre.
Das look and feel des "Irland-Krimis" erinnern an skandinavische Krimis - blaustichtige Farbtöne, gerade im Vorspann, sowie eine Titelmelodie, die in ihrer Traurigkeit im Kontrast zum visuellen Eindruck steht -
Liebhaber des Gros an deutschen und nordeuropäischen Krimis können beim Ansehen des "Irland-Krimi" nicht viel falsch machen. Ein auf den zweiten Blick relativ klassisches Whodunit, gepaart mit einer persönlichen Geschichte, schaltet von einer Szene zur nächsten, bis der Fall gelöst ist. Die Hauptfigur weist zwar ein paar Abgründe auf, ist aber trotzdem so gefällig gezeichnet, dass man sich nicht wirklich anstrengen muss (wer es anstrengend will, schaut lieber mal bei
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten, spielfilmlangen Episode der Serie "Der Irland-Krimi".
Ab dem 24. Oktober nimmt Das erste den "Irland-Krimi" in die Reihe seiner Donnerstags-Krimis auf. Die ersten beiden Fälle in Spielfilmlänge laufen am 24. und 31. Oktober jeweils um 20.15 Uhr.
Über den Autor
Leserkommentare
craniodoc schrieb am 03.11.2019, 00.07 Uhr:
Wo bleibt die tolle angekündigte Landschaft in diesem mäßig spannendem Krimi? Muß man wirklich 90 Minuten von Galway entfernt Aufnahmen im Doolough Valley machen - das ginge näher!SNOB schrieb am 27.10.2019, 08.29 Uhr:
Korrektur. Am Ende der Pub-Szene mit den vielen ausgeschenkten Whiskys sieht man alle Gläser voll vor der Protagonistin stehen. Sie nimmt noch zwei und stellt sie vor einem schlafenden Gast auf den Tisch.
Deshalb bleibt ihr "Gelage" wohl folgenlos.
Später allerdings wird sie von den Gangstern gekidnappt und betrunken gemacht, was die in der Tat Recht gut wegsteckr.User 220747 schrieb am 26.10.2019, 12.39 Uhr:
Ging so, hätte etwas spannender sein können.
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