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TV-Kritik/Review: "Dexter: New Blood": Wiederkehr des Serienmörders in der winterlichen Provinz

von Gian-Philip Andreas
(22.11.2021/ursprünglich erschienen am 08.11.2021)
Die nach acht Jahren Pause nachgereichte Miniserie ist erkennbar um ein gelungeneres Finale bemüht
Sieht immer noch arglos aus: Dexter (Michael C. Hall) lebt jetzt im Staat New York.
Showtime
TV-Kritik/Review: "Dexter: New Blood": Wiederkehr des Serienmörders in der winterlichen Provinz/Showtime

Wenn es einen Preis geben würde für den meistgehassten Abschluss einer innig geliebten Qualitätsserie, dann wäre der im Jahr 2013 an  "Dexter" gegangen. Im Finale der vielgefeierten Showtime-Crimeserie saß die von Michael C. Hall so unnachahmlich gespielte Titelfigur, ein rächender Serienmörder aus Miami und zugleich genialer Polizeiforensiker, als Holzfäller in einer Blockhütte in Oregon, aus der Schusslinie wegsortiert von überforderten Autoren, die keinen besseren Ausweg wussten für ihre so erfolgreiche Figur. Fans, die sich erhofft hatten, irgendwie belohnt zu werden für die vorangegangenen Staffeln, die qualitativ immer weiter abgebaut hatten, waren entsetzt: So ein Ende? Nicht Euer Ernst! Das mögen, insgeheim und mit etwas Abstand, vielleicht auch Hall selbst und sowieso Clyde Phillips empfunden haben, der nach den ersten vier Staffeln ausgestiegene Showrunner. Nach acht Jahren Pause legen sie nun, wiedervereint, die Miniserie  "Dexter: New Blood" vor, die zehn Jahre nach den Ereignissen der achten Staffel spielt und unter anderem Dexters Wiedersehen mit seinem jetzt jugendlichen Sohn vorsieht. Ein gelungenes Revival - oder eher Leichenfledderei? Irgendwas dazwischen.

In Oregon hockt Dexter Morgan jedenfalls nicht mehr herum. Seine Holzhütte steht nun im fiktiven Kaff Iron Lake irgendwo hoch oben im unterkühlten Norden des Staates New York. Der größtmögliche klimatische Kontrast zum sonnigen Miami, in dem die Serie bislang spielte, ist also trotzdem gegeben, das Kleinstadtszenario mit lauter Menschen in dicken Winterjacken erinnert dabei ein wenig an die erste Staffel  "Fargo". Dexter lebt in diesem Iron Lake erst seit einigen Jahren, erfährt man. Er ist aus Oregon dorthin umgezogen. Das Finale der Serie wird also nicht ge-retconned, nicht nachträglich ungeschehen gemacht und/oder ignoriert, sondern weitergesponnen. Dexter nennt sich nun "Jim Lindsay", was gewiss eine Anspielung ist auf Jeff Lindsay, den Autoren der "Dexter"-Romane, auf denen die Serie (sehr, sehr lose) anfänglich basierte, ehe sie sich komplett von ihnen freimachte.

Dexter steht kurz vor seinem zehnjährigen Jubiläum: So lange hat er nun schon niemanden ermordet. Dass das für ihn kein dauerhafter Zustand sein kann, zeigt schon die erste Szene, in der Dexter in Latzhose einem schneeweißen Hirschen hinterherhechtet. Als er das Tier stellt, bringt er es nicht fertig, den Abzug seines Jagdgewehrs zu betätigen, doch Iggy Pops Song "The Passenger" weist auf der Tonspur schon hin auf den "dunklen Passagier", der Dexter in Miami stets begleitete. Kurz darauf werden erstmals Messer geschliffen.

Die Hauptfiguren der Serie v. l.: Kurt Caldwell (Clancy Brown), Audrey (Johnny Sequoyah), Harrison (Jack Alcott), Logan (Alano Miller), Alison (Julia Jones) und die beiden Überbleibsel von damals: Dexter und Debra (Jennifer Carpenter).
Die Hauptfiguren der Serie v. l.: Kurt Caldwell (Clancy Brown), Audrey (Johnny Sequoyah), Harrison (Jack Alcott), Logan (Alano Miller), Alison (Julia Jones) und die beiden Überbleibsel von damals: Dexter und Debra (Jennifer Carpenter). Showtime

In Iron Lake hat Dexter mit der lokalen Polizeichefin Angela Bishop (Julia Jones) angebandelt, ihre erste gemeinsame Szene spiegelt schön den Tarnmodus, in dem sich die Titelfigur in diesem ländlichen Nirgendwo eingerichtet hat: Dexter wird von der Streife fahrenden Angela angehalten, kontrolliert, dann zum Aussteigen aufgefordert. Erst als die beiden gierig übereinander herfallen, wird klar, dass es sich hier um das Rollenspiel eines aufeinander eingeschworenen Liebespaares handelt.

Für Dexter ist die Liaison natürlich, je nach Sichtweise, ebenso praktisch oder gefährlich, genau wie es früher seine Nähe zur Polizei von Miami war. Damals war vor allem seine Quasi-Schwester Debra (Halls Ex-Frau Jennifer Carpenter) das Bindeglied zu den Gesetzeshütern. Weil Debra 2013 im Serienfinale starb, hat sich Phillips einen leicht fragwürdigen Kniff ausgedacht, um die Figur dennoch wieder mit an Bord haben zu können: Sie ersetzt Dexters Ziehvater Harry als Dexters personifiziertes Gewissen. Für "Dexter: New Blood" heißt dies, dass Debra nun ständig um Dexter herumschwirrt und ihn, als er seine Mordlosigkeit ad acta zu legen plant, meist aus der Halbschärfe heraus mit Verwünschungen überzieht. Carpenter kann da bei ihrer ohnehin als schimpfwortaffin bekannten Figur noch ein paar F-Wort-Kaskaden drauflegen. Wirklich viel anzufangen wissen die Autoren mit ihr aber nicht. Klarer Fall von: na ja.

Über längere Zeit wird in der Pilotfolge das Leben in Iron Lake geschildert, wo "Jim" sich eingerichtet hat wie Saul Goodman als Backwarenverkäufer Gene in Nebraska in  "Better Call Saul". Man lernt Angelas Adoptivtochter Audrey (Johnny Sequoyah) und ihre Teenie-Freunde kennen, außerdem Angelas Cop-Kollegen Logan (Alano Miller) und Teddy (David Magidoff), wir sind dabei, wenn "Jim" seiner Arbeit als Verkäufer in einem Laden für Fischerei- und Jagdbedarf nachgeht, dessen schwuler Besitzer Fred Jr. (Michael Cyril Creighton aus  "Only Murders in the Building") genauso abends zum Line Dancing in der lokalen Bar geht wie "Jim" selbst, und wir lernen im Vorbeigehen noch diverse andere Kleinstadtbewohner kennen - vom freundlichen Pastor über den Metzger bis zur Barkeeperin. Fast weht ein Hauch  "Twin Peaks" durch diese Szenen, zumal eine Durchreisende im lokalen Motel eine sehr ungute Erfahrung machen wird.

Schwer verliebt: Polizistin Angela und Jagdwarenverkäufer "Jim".
Schwer verliebt: Polizistin Angela und Jagdwarenverkäufer "Jim". Showtime

Damit Dexter wieder das tun kann, worauf die Fans warten dürften, nämlich: Bösewichter morden und clever die Spuren beseitigen, muss ein besonders mieses Ekel auftauchen: Matt Caldwell (Steve M. Robertson aus  "Channel Zero"), ein prahlerischer Investmentbanker aus New York und Sohn des lokalen Business-Patriarchen Kurt Caldwell (bewährt bedrohlich: Clancy Brown aus  "Emergence"), kommt für einen kokain- und sexseligen Junggesellenabschied zurück in seinen Heimatort, kauft sich in Dexters Shop das teuerste Scharfschützengewehr - und knallt dann den erwähnten Hirsch ab, ausgerechnet in einem besonders intimen Moment, in dem Dexter dem Tier streichelnd begegnet. Der Kontrast zwischen der weißen Reinheit des Hirsches und Matts Blut, das bald den Schnee besudelt, ist "Fargo"-mäßig deutlich.

Fast eine Dreiviertelstunde dauert es, bis Dexter rückfällig wird, bis seine Küche erstmals mit Plastik ausgelegt wird und bis erstmals das legendäre Voiceover aus dem Off erklingt, mit dem sich Dexters "dunkler Passagier" zurückmeldet und Dexters Inneres kommentiert, eine Ambivalenz, die Michael C. Hall allerdings auch ganz ohne Worte meisterhaft durchscheinen lassen kann, durch minimales Augenbrauenanheben und kaum merkbare Grinsansätze. Just während der alte Dexter wieder zum Vorschein kommt, um den Ehrenkodex seines Ziehvaters (nur böse, schuldige Menschen umbringen) umzusetzen, bricht die Vergangenheit auch auf andere Weise wieder in sein Leben: Harrison, sein Sohn, der in Staffel vier ein Baby war, am Ende der achten Staffel etwa vier Jahre alt gewesen sein muss und dann von Dexter im Stich (beziehungsweise in der Obhut seiner nach Argentinien geflüchteten letzten Affäre Hannah) gelassen wurde, taucht urplötzlich in Iron Lake auf. Der jetzt etwa 14-Jährige (gespielt von Jack Alcott aus  "The Good Lord Bird") hat Dexters Wohnsitz über ein Foto auf dem Instagram-Account eines Bekannten von "Jim Lindsay" herausbekommen und ist aufgrund der Vorgeschichte der beiden nicht allzu bester Stimmung. Dennoch bittet Dexter ihn, bei ihm zu bleiben. Seine innere Stimme verrät: Er möchte für Harrison das sein, was Ziehvater Harry einst für ihn selbst war, Wegweiser durchs Leben und treusorgender Vater. Ob Harrison, der gleich ein Auge auf die etwa gleichaltrige Audrey wirft, womöglich auch Dexters blutige, dunkle Gene geerbt hat?

"Dexter"-Fans können sich fraglos darüber freuen, dass Clyde Phillips und Regisseur Marcos Siega (der früher schon diverse "Dexter-Folgen inszenierte) alles dafür tun, ihnen möglichst viel Bewährtes vorzusetzen - einen entschiedenen Bruch gibt es, abgesehen vom Setting, jedenfalls nicht: Die ersten neuen Episoden liefern blutige Tatsachen, mit jump scares operierende Traumszenen und, wenn auch sparsam dosierten, sardonischen Witz. Ein vernünftiger Antagonist für Dexter lässt noch auf sich warten, es dürfte aber unschwer zu erraten sein, dass Kurt Caldwell und seine reichen Kollegen aus der Ölbranche dunkle Machenschaften zu verbergen haben - und dass der an Dexter geratene Matt, dessen "Verschwinden" eine große Suchaktion in den verschneiten Wäldern zur Folge hat, eher versehentlich Größeres ins Rollen gebracht hat. Diverse zeitgenössische Diskurse werden am Rande mit dem Geschehen verflochten, so nimmt Audrey etwa an Fridays-for-Future-artigen Demos teil, während sich die Native Americans der Umgebung (Auftritt Gregory Cruz aus  "Saving Grace") Übergriffe auf ihrem Land verbitten. An die Verlagerung des Geschehens von der subtropischen Großstadt ins kühle Kleinstadtleben gewöhnt man sich dabei recht schnell, zumal der inzwischen 50-jährige Michael C. Hall, der seit dem Ende der Serie 2013 nur in kurzlebigen Produktionen ( "Safe",  "Schatten der Mörder") zu sehen war und vor allem am Broadway für Furore sorgte (etwa im David-Bowie-Musical "Lazarus"), die längst ikonisch gewordene Figur so pointiert und glaubwürdig wie eh und je interpretiert. Etwas faltiger und müder scheint Dexter Morgan in seinen Vierzigern geworden zu sein, doch wenn es ans Morden geht, funktioniert er wie ein Uhrwerk - zumindest nach den ersten Entrostungsmanövern. Bin ein wenig aus der Übung, sagt er.

Hackt immer noch, zumindest Holz: Dexter Morgan in wetterfester Latzhose.
Hackt immer noch, zumindest Holz: Dexter Morgan in wetterfester Latzhose. Showtime

Diesem erstaunlich routiniert aus dem Thrillerärmel geschüttelten Business-as-usual stehen diverse dramaturgische Laxheiten gegenüber wie jene, dass der plötzlich auftauchende Teenagersohn Harrison selbst bei Angela und Audrey kaum für größere Skepsis bezüglich "Jims" Vergangenheit sorgt und auch der ermittlungserfahrene Dexter höchstpersönlich in der Wiederkehr seines Sohnes keine essenzielle Gefahr für die eigene Enttarnung zu vermuten scheint. Wird Dexter seine Mord-Familien-Balance nun also besser geregelt bekommen als damals? I may be a monster, but I'm an evolving monster, sagt Dexter, als er auf das früher so übliche Aufbewahren der Blutproben seiner Opfer als Trophäen verzichtet. Das suggeriert eine Weiterentwicklung, die sich in den ersten Folgen der Miniserie formal und inhaltlich allerdings noch ebenso wenig andeutet wie eine Klarheit darüber, ob Dexters Geschichte in diesen zehn neuen Episoden zu einem tatsächlichen, "korrigierten" Ende gebracht werden soll - oder ob eine Hintertür für mögliche weitere Fortsetzungen offengehalten wird.

"Dexter: New Blood" richtet sich auf alle Fälle zentral an die alten Fans; ob sich Zuschauer, die "Dexter" nie gesehen haben, darauf einlassen können, ist eher fraglich (auch wenn Teile von Dexters Backstory im Voiceover pflichtschuldig zusammengefasst werden). Es macht den Eindruck, als hätten die Macher vor allem darauf geachtet, diesmal irgendwie besser aus der Nummer herauszukommen als vor acht Jahren. Das allerdings, machen wir uns nichts vor, ist ja auch gar nicht so schwer.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Dexter: New Blood".

Meine Wertung: 3.5/5

"Dexter: New Blood" wird seit dem 7. November auf dem US-Pay-TV-Sender Showtime ausgestrahlt. In Deutschland wird die Serie ab dem 22. November bei Sky Atlantic ihre Premiere feiern..


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • MacBlack schrieb am 08.11.2021, 22.02 Uhr:
    Mega! Danke für das Review...ick freu mir schon wie dolle auf die neuen Folgen. Irgendwie hat mich schon die erste Sichtung des Trailers vor ein paar Wochen völlig weggehyped, obwohl ich nie ein Überfan der Originalserie war. Jetzt kann ichs kaum noch erwarten...seufz