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TV-Kritik/Review: "Insatiable": Zurecht umstritten oder vielschichtiger als ihr Ruf?
(13.08.2018)
Im Zeitalter des Internets und der sogenannten sozialen Medien nehmen Diskussionen über popkulturelle Werke gerne mal hysterische Dimensionen an. So im Fall der neuen Netflix-Comedyserie
Zum Glück ließ Netflix sich nicht einschüchtern und so kann sich jetzt jeder selbst eine Meinung bilden. Was ist nun dran an den Vorwürfen? Sicher ist "Insatiable" eine Serie, die provozieren will. Der Tonfall ist von Anfang an schrill und politisch unkorrekt. Als Ich-Erzählerin fungiert die Teenagerin Patricia Bladell (Debby Ryan;
Der "Fat Shaming"-Vorwurf wäre berechtigt, wenn Patty nun tatsächlich ein glückliches Leben führen würde, sozialer Erfolg und Zufriedenheit lediglich vom Körpergewicht abhingen. In Wahrheit stellt Patty schon nach kurzer Zeit fest, dass sie sich zwar äußerlich gehäutet hat, innerlich aber immer noch das "fette" Mädchen ist, das zu lange gemobbt wurde. Die jahrelangen Demütigungen und Zurücksetzungen haben in ihr Rachegelüste gegenüber ihren früheren Peinigern erzeugt - sie sind das eigentliche Unersättliche, auf das sich der Serientitel bezieht. So plant Patty bereits in der zweiten Folge, den Obdachlosen zu verführen und anschließend per Sexvideo bloßzustellen. Stattdessen stirbt er fast bei einem Brand in dem Hotel und Patty weiß nicht mehr, ob sie den vielleicht selbst gelegt hat, weil sie einen alkoholverursachten Filmriss hat.
Der zweite Themenkomplex neben der Rache sind Schönheitswettbewerbe. Im Rahmen ihrer juristischen Auseinandersetzung mit dem Obdachlosen - aufgrund der ursprünglichen Schlägerei - lernt Patty nämlich den Anwalt Bob Armstrong kennen (Dallas Roberts,
Man merkt schon, subtil ist diese Comedy sicher nicht, sensibel zumindest am Anfang auch nicht gerade. Aber sind das neuerdings wirklich die Kriterien, die wir an Comedyserien anlegen? Sicher kann man es geschmacklos finden, Witze über Fettleibigkeit und Pädophilie zu machen. Der Vorwurf, sich dadurch mit Mobbern oder Kinderschändern gemein zu machen, ist jedoch absurd. Serienschöpferin Lauren Gussis verteidigte sich bei Twitter, die Idee zur Serie basiere auf ihren eigenen Erfahrungen mit Mobbing, Wut und Essstörungen. Geht es ihr in den ersten beiden Folgen noch erkennbar mehr um Überzeichnung und Pointen als um eine differenzierte Betrachtung sozialer Probleme, ändert sich der Tonfall später teilweise deutlich. Plötzlich gibt es doch einfühlsamere Momente, in denen die Ängste und Selbstzweifel der Figuren thematisiert werden. Spätestens, wenn sich in Episode 5 Patty und eine Transsexuelle gegenseitig ermutigen, erstmals öffentlich einen Bikini zu tragen, laufen die im Internet erhobenen Vorwürfe endgültig ins Leere. Dass das Bikinitragen Teil einer Hundewasch-Charity-Veranstaltung zur Unterstützung von Frauen mit Essstörungen ist, unterstreicht den Charakter der Serie als bitterböse Farce über die oberflächliche Welt, in der wir leben.
Insgesamt gelingt diese Mischung recht gut. Lachen kann man nicht nur aus Schadenfreude, sondern auch wegen der Skurrilität vieler Einfälle. Die Schauspieler, allen voran der bisher in vielen Serienrollen sträflich unterforderte Dallas Roberts, überzeugen mit ihrem komödiantischen Talent. Insbesondere die gemeinsamen Szenen von Roberts und Christopher Gorham sind Highlights des Absurden, da die beiden Bobs dermaßen queer agieren, wie man es bei heterosexuellen Männerfiguren noch nie gesehen hat. Großartig etwa ihre Reinszenierung von Patrick Swayzes und Jennifer Grey "I've Had the Time of My Life"-Tanzszene aus
In mancherlei Hinsicht ist "Insatiable" das Pendant zu AMCs thematisch ähnlicher Dramedy
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten fünf Episoden der Serie "Insatiable".
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Netflix
Die komplette erste Staffel der Serie "Insatiable" ist beim Streaming-Dienst Netflix verfügbar.
Über den Autor
Leserkommentare
Vritra schrieb am 14.08.2018, 12.59 Uhr:
Dieses ganze Affentheater, das im Vorfeld um die Serie gemacht wurde, hat bei mir nur einen Effekt erzeugt: Sie kam auf die Sehliste, obwohl mich solche Themen nicht interessieren!Helmprobst schrieb via tvforen.de am 13.08.2018, 17.57 Uhr:
TV Wunschliste schrieb:Das Auftauchen des
Trailers im Netz reichte aus, um mehr als 200.000
Unterzeichner für eine Online-Petition zu finden,
die den Streamingdienst dazu bringen sollte, die
Serie gar nicht erst zu veröffentlichen. Der
Vorwurf: Sie leiste dem "Fat Shaming" Vorschub,
also den von der Gesellschaft eingeredeten
Minderwertigkeitskomplexen überwiegend junger
Frauen aufgrund ihres (vermeintlichen oder
tatsächlichen) Übergewichts.
Ach ja, alle Jahre wieder finden sich ein paar Verrückte, die meinen, das Anschauen einer Fernsehserie sei gefährlich und bringe das Publikum zu unüberlegten Kurzschlusshandlungen.Da hab ich mich schon aufgeregt wie unlängst die Diskussion im Raum stand, ob es nicht ein gigantisches Risiko gäbe, dass sich nach dem Konsum von "Tote Mädchen lügen nicht" reihenweise Netflix-User das Leben nehmen könnten. Ist aber nicht passiert. Und elf Staffeln "Eine schrecklich nette Familie" haben sicher auch nicht nennenswert zum moralischen Verfall der Gesellschaft beigetragen.Genausowenig wie sich Teenies nach dem Schauen von "South Park" oder früher "Tom und Jerry" oder "Schweinchen Dick" ja auch nicht gegenseitig gejagt und zerlegt haben.Ich warte drauf, dass mal wieder jemand die steile These bringt, das Spielen von manchen Computerspielen würde zu Amokläufen führen und sie gehören deswegen verboten. Das Sommerloch lässt grüssen...Mein Tipp an alle, die derartige Petitionen unterstützen: mal eine Folge anschauen, dann ein eigenes Vorteil bilden, und wenn es einem nicht gefällt - einfach was anderes schauen und dem Rest der Welt sein Vergnügen an einer Serie lassen!Helmprobst schrieb via tvforen.de am 14.08.2018, 17.40 Uhr:
andreas_n schrieb:Helmprobst schrieb:
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> dann ein > eigenes Vorteil bilden
Bitte was?
Habe statt "Urteil" aus Versehen erst "Vorurteil" getippt und beim Korrektorversuch kam dieser Blödsinn raus. Hoffe, man konnte das Gemeinte aus dem Zusammenhang erahnen.Sveta schrieb via tvforen.de am 14.08.2018, 17.36 Uhr:
andreas_n schrieb:Sveta schrieb:
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> Wir wissen doch inzwischen das die Generation
> Snowflake
Ich habe noch nie etwas von der "Generation
Snowflake" gehört.
Ich werde wohl alt. :D
[Der Begriff] "schmäht angeblich überempfindliche, weinerliche, meist junge Menschen, die Kritik nicht ertragen und meinen, das Recht zu haben, Andersdenkenden den Mund zu verbieten: „Snowflakes“ sind gewissermaßen gefrorene politische Korrektheit." https://www.welt.de/vermischtes/article159946299/Die-verhaetschelten-Schneeflocken-und-ihre-Feinde.htmlandreas_n schrieb via tvforen.de am 14.08.2018, 15.17 Uhr:
Sveta schrieb:Wir wissen doch inzwischen das die Generation
Snowflake
Ich habe noch nie etwas von der "Generation Snowflake" gehört.
Ich werde wohl alt. :Dandreas_n schrieb via tvforen.de am 14.08.2018, 15.15 Uhr:
Helmprobst schrieb:dann ein > eigenes Vorteil bilden
Bitte was?Sveta schrieb via tvforen.de am 14.08.2018, 13.20 Uhr:
Wir wissen doch inzwischen das die Generation Snowflake über das kleinste Steinchen stolpert.
Es gibt immer jemanden der sich angegriffen, bedroht und diskrimiert fühlt und dann öffentlich weinen muß. Ich glaube manche suchen ständig nach irgendwelchen Sachen die sie anprangern können. Guckst du: https://twitter.com/ZDFsport/status/1028730012353134592Thinkerbelle schrieb am 13.08.2018, 17.54 Uhr:
Ich habe die Serie zwar nicht gesehen, aber von der Beschreibung her ist sie eher das Gegenteil von Fat-Shaming. Sie glorifiziert es aber nicht, sondern zeigt, wie es jemanden kaputt macht.
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