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TV-Kritik/Review: "The Deuce": Starkes HBO-Drama über den Aufstieg der Pornobranche
(12.09.2017)
Retro bleibt angesagt - daran kann ein Flop nichts ändern.
Im Fall von
Simon und Pelecanos erzählen davon, wie der Wandel des Sexgewerbes der kapitalistischen Marktlogik folgt: Das Geld wandert vom Straßenstrich in die Sexkinos, aus Prostituierten werden Pornodarstellerinnen, die Zuhälter werden von Regisseuren und Stripclub-Managern abgelöst. Ermöglicht wurde dieser Wandel durch Gesetzeslockerungen jener Jahre, die Sexfilmer aus der Illegalität holten und die Straßenprostitution vertreiben sollten, nicht zuletzt natürlich, um verrufene Gegenden für Immobilienkäufer interessanter zu machen. Pornofilme, die in Hinterzimmern laufen, in Sexkabinen und Pornokinos, waren die erste Konsequenz dieser Veränderungen, lange bevor die VHS-Kassette Porno zur Massenware machte und die Industrie nach Hollywood abwanderte. Simon und Pelecanos interessieren sich für das, was Menschen für Geld zu machen bereit sind - und warum sie, statt gegen das System aufzubegehren, lieber gegeneinander in Konkurrenz treten. Nach den Drogen in "The Wire" ist diesmal der verkaufte Körper die Ware, um die sich alles dreht.
Das Figurenrepertoire ist dabei Simon-typisch ausladend. Die von
Ärger naht in Form seines Bruders Frankie, einem kleinkriminell entgleisten Ex-Sportler, der bei der Mafia Schulden hat. Um Frankies Außenstände begleichen zu helfen, verwandelt Vinnie die koreanische Spelunke am Times Square, deren Bar er managt, in einen angesagten Hotspot: Mit Kellnerinnen in Turnanzügen lockt er Geschäftsleute an und Mafiosi, letztere nutzen die Bar als Frontgeschäft. Sex sells, lernt Vinnie. Seine Bar wird zum Epizentrum der sich gerade erst findenden Sexindustrie.
Beide Martino-Zwillinge tragen Schnauz: Nur die Stirnwunde, die sich Vinnie einhandelt, unterscheidet ihn optisch vom anderen Bruder; dennoch ist es bemerkenswert, wie nuanciert Franco die Zwillinge spielt. Der erste Dialog von Vinnie und Frankie wirkt in der Interaktion von Schauspiel, Trick- und Schnitttechnik verblüffend organisch: So perfekt war das selten zu sehen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob Franco, der sich mit seinen gefühlt zwanzig Filmen pro Jahr ohnehin nicht rar macht, mit dieser Doppelrolle möglicherweise zu stark im Vordergrund steht. Immerhin: In den Filmen "Lovelace" und "King Cobra" hat er schon Erfahrung mit der Pornobranche gesammelt.
Brillant ist wieder mal Maggie Gyllenhaal, die sich nach ihrem preisgekrönten Auftritt in der Miniserie
Um diese Protagonisten herum schwirren Typen aus allen Milieus: Zuhälter C. C. (sehr gut: Gary Carr aus
Dirnen, Zuhälter, korrupte Polizisten, kiffende Studenten, Dealer, Mafiosi: Der Blick schweift über vieles in diesen ersten neunzig Minuten. In typischer Simon-Manier finden die Übergänge der dem Slang der Straße abgelauschten Dialoge und Szenen fast unmerklich statt: Regisseurin MacLaren inszeniert das gekonnt im Robert-Altman-Stil. Man bekommt sofort ein Gespür für den Spielort und fühlt sich zurückversetzt in die Zeit von Scorseses "Mean Streets". Und das komplette Tableau ist damit noch nicht einmal ausgeleuchtet: Der korrumpierbare Cousin aus der Baubranche (Chris Bauer, "The Wire",
Überhaupt die Musik: Vom Otis-Redding-Titelsong an wird jede Menge Seventies-Soul eingespielt, von James Brown bis War, von Al Green bis Johnny Watson. Der Soundtrack evoziert den Zeitgeist mindestens so sehr wie der Look der Serie, der aber - im Unterschied zu "Vinyl" - trotz der liebevoll ins Bild gesetzten Krokodillederschuhe und zur Schau getragenen Afros viel weniger nach dekorativer Hipness strebt. Das New York von 1971 sieht nicht schön aus, es stinkt. Die billigen, hellhörigen Apartments starren vor Dreck, und zwischen miesen Billardschuppen, billigen Donutläden und den Kinos des Theatre District (in denen noch keine Pornos laufen, sondern Bertoluccis "Großer Irrtum") debattieren die Ganoven über Präsident Richard Nixon, den Vietnamkriegs-"Pimp". Nostalgisch wirkt hier nichts. Die Times-Square-Gegend, die der Pilotfilm in aller Neon-Hässlichkeit vor Augen führt, ist die Startrampe für die Pornografisierung der Welt, für die kapitalistische Vermarktung des sexualisierten Körpers und damit auch für die - wie Abby es nennt - "Objektifizierung" der Frau.
"The Deuce" muss, so sagte es David Simon in Vorabinterviews, einen Balanceakt meistern: Zu prüde darf die Serie angesichts ihres Themas nicht sein, zu lustvoll darf sie sich aber auch nicht präsentieren, schon um zu verhindern, dass sich die falschen Leute voyeuristisch an jenen Dingen aufheizen, die die Autoren kritisieren. Im Pilotfilm gelingt das: Es gibt Sex, doch er wird sachlich inszeniert. Es gibt nackte bis erigierte Tatsachen, aber beäugt werden sie aus gleichsam journalistischer Distanz. Auch Gyllenhaal und Franco kennen keine Scheu, wenngleich sie, anders als diverse Nebendarsteller und Statisten, auf full frontal nudity verzichten. Um den üblich weißen, männlichen Blick aufs gemischt-ethnische Geschehen zu vermeiden, setzt sich das Autoren- und Regieteam der acht Episoden paritätisch aus Frauen und Männern zusammen.
Der erste Eindruck ist sehr vielversprechend. Obwohl auf der reinen Handlungsebene nicht allzu viel geschieht, macht der impressionistische, dicht arrangierte Überblick über das Milieu am Times Square neugierig auf ein ergiebiges Sujet. Wie schon in
Dieser Text basiert auf der Sichtung der spielfilmlangen Pilotepisode von "The Deuce".
© Alle Bilder: HBO
Die Serie "The Deuce" feiert aktuelle bei HBO in den USA ihre Premiere und ist parallel in Deutschland immer am Montagabend ab 20.15 Uhr bei Sky Atlantic zu sehen sowie über die Digitalangebote des Pay-TV-Anbierters abrubfbar: Sky on Demand, Sky Go und Sky Ticket.
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