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TV-Kritik/Review: Glue
(15.10.2014)

Overton ist ein typisches Dorf irgendwo in der englischen Provinz, wie es überall in der (westlichen) Welt liegen könnte: einerseits idyllisch zwischen Feldern und Wiesen, andererseits zum Sterben langweilig, wenn man jung ist und dort festsitzt. Das mit dem Sterben nimmt der junge Cal dann gleich wörtlich, allerdings nicht freiwillig. Am Abend vor seinem gewaltsamen Tod läuft er noch ausgelassen durch ein Getreidefeld und springt dann in ein Kornsilo, was fast wie ein Selbstmord aussieht. Doch als er bereits bis über den Kopf im gemahlenen Getreide versunken ist, ziehen seine Freunde ihn wieder heraus. Der scheinbar leichtsinnige Sprung entpuppt sich als Mischung aus Mutprobe und Freizeitspaß.
Ein extrem stimmungsvoller Auftakt für die Krimidramaserie Glue, der auch gleich die Atmosphäre dieser Geschichte vorgibt, die irgendwo zwischen "Landlust"-Romantik und dörflichen Abgründen ? la
Und dann gibt es in "Glue" noch ein Element, das man in einer Krimiserie überhaupt nicht erwarten würde: Pferderennen. Eine aus der Clique der Um-die-20-Jährigen, Tina (Charlotte Spencer), ist nämlich begeisterte Reiterin und träumt von der großen Karriere als Jockey, die sie aus dem verschlafenen Kaff herausbringen könnte. Die neue Serie des britischen Senders E4, eines Jugendkanals des größeren Channel 4, stammt aus der Feder von Jack Thorne. Der hat sich mit Serien wie 
Was schon bei "Skins" die ganz große Stärke der Drehbücher war, gelingt auch hier: eine (junge) Lebensphase einer ganzen Gruppe von Menschen glaubwürdig und mitfühlend einzufangen - ohne die Ambivalenzen und Abgründe zu verleugnen, die sie ebenfalls mit sich bringt. Thornes Figuren sind keine stereotyp entworfenen Charaktere, sondern fühlen sich an wie Menschen aus Fleisch und Blut, sind mal sympathisch und dann wieder nervig und überheblich - so wie die meisten Leute zwischen 18 und 25. Das junge Ensemble aus weitgehend unbekannten Darstellern verstärkt diesen Eindruck noch. Neben optischen Entdeckungen wie Charlotte Spencer finden sich darin auch weniger telegene Schauspieler, wodurch die Serie insgesamt einen viel realistischeren Anstrich bekommt als etwa in den von der Alterszielgruppe her vergleichbaren Serien des US-Networks The CW (
Immer wieder bemerkenswert ist auch, wie selbst kleine britische Sender wie E4 es regelmäßig schaffen, Serien mit einem so einzigartigen Look zu produzieren. Die Bildgestaltung ist in "Glue" so weit entfernt von dem Einerlei, mit dem deutsche (Krimi-)Serien ihre Zuschauer immer noch abspeisen, dass der Vergleich zu zeitgenössischen Arthouse-Kinofilmen viel näher liegt als der etwa zu aktuellen ARD- oder ZDF-Produktionen. Die Rennszenen auf der Pferdebahn sind ebenso aufregend inszeniert wie die ruhigen Szenen auf offenem Terrain oder intime Dialoge zwischen zwei Figuren in deren Zimmern. Die Frage nach dem Mörder tritt bei all den Schau- und Erzählwerten fast völlig in den Hintergrund, dient eigentlich nur als Katalysator für die Beziehungen innerhalb der Clique und zur Außenwelt. Schade bleibt alleine, dass solche britischen TV-Perlen international so viel weniger Aufmerksamkeit bekommen als die Serien der renommierten US-Sender.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten vier Episoden der Serie.
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Channel 4
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