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TV-Kritik/Review: Glue

TV-Kritik zum Thrillerdrama aus dem "Skins"-Umfeld - von Marcus Kirzynowski
(15.10.2014)

Träumt vom Ausbruch aus dem Provinzleben durch eine Jockeykarriere: Tina (Charlotte Spencer)
Träumt vom Ausbruch aus dem Provinzleben durch eine Jockeykarriere: Tina (Charlotte Spencer)


Overton ist ein typisches Dorf irgendwo in der englischen Provinz, wie es überall in der (westlichen) Welt liegen könnte: einerseits idyllisch zwischen Feldern und Wiesen, andererseits zum Sterben langweilig, wenn man jung ist und dort festsitzt. Das mit dem Sterben nimmt der junge Cal dann gleich wörtlich, allerdings nicht freiwillig. Am Abend vor seinem gewaltsamen Tod läuft er noch ausgelassen durch ein Getreidefeld und springt dann in ein Kornsilo, was fast wie ein Selbstmord aussieht. Doch als er bereits bis über den Kopf im gemahlenen Getreide versunken ist, ziehen seine Freunde ihn wieder heraus. Der scheinbar leichtsinnige Sprung entpuppt sich als Mischung aus Mutprobe und Freizeitspaß.

Ein extrem stimmungsvoller Auftakt für die Krimidramaserie Glue, der auch gleich die Atmosphäre dieser Geschichte vorgibt, die irgendwo zwischen "Landlust"-Romantik und dörflichen Abgründen ? la  "Twin Peaks" angesiedelt ist. Erst am nächsten Tag wird dann tatsächlich Cals Leiche gefunden (umgebracht wurde er durch die Hand eines unbekannten Mörders) und für seine Kumpel ist nun nichts mehr wie zuvor - zumal einige von ihnen sich gleich als Verdächtige wiederfinden. Zusätzliche Brisanz bekommt der Mord dadurch, dass das Opfer zu den im Ort ansässigen Roma gehörte - und das Zusammen- oder besser Nebeneinanderherleben dieser Minderheit und der Mehrheitsgesellschaft ohnehin schon immer problembeladen war. Als Ermittlerin schaltet sich unter anderem die junge Polizistin Ruth Rosen (Yasmin Paige) ein, die ebenfalls Roma ist, sich aber in die "weiße" Gesellschaft integriert hat. Sie trifft durch ihre Recherchen erstmals nach Jahren wieder auf einige ihrer ehemaligen Mitschüler, wird aber von beiden Gruppen nicht richtig akzeptiert.

Und dann gibt es in "Glue" noch ein Element, das man in einer Krimiserie überhaupt nicht erwarten würde: Pferderennen. Eine aus der Clique der Um-die-20-Jährigen, Tina (Charlotte Spencer), ist nämlich begeisterte Reiterin und träumt von der großen Karriere als Jockey, die sie aus dem verschlafenen Kaff herausbringen könnte. Die neue Serie des britischen Senders E4, eines Jugendkanals des größeren Channel 4, stammt aus der Feder von Jack Thorne. Der hat sich mit Serien wie  "Skins - Hautnah" (ebenfalls auf E4) und  "This Is England" (der Serienfortsetzung des Kinofilms) einen Namen als hervorragender Autor für Teen- und Twen-Dramen erworben. Dem macht er auch mit dieser Arbeit wieder alle Ehre.

Wird durch die Ermittlungen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert: die Polizistin Ruth (Yasmin Paige)
Wird durch die Ermittlungen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert: die Polizistin Ruth (Yasmin Paige)

Auf den ersten Blick mag die Serie wie eine etwas krude Mischung aus einem Whodunnit, "Skins" und David Milchs früh wieder abgesetzter HBO-Pferderenn-Oper  "Luck" wirken, Thorne und Regisseur Daniel Nettheim beweisen aber von Anfang an ein schier unglaubliches Gespür für Stimmungen und Landschaften. Letztere spielen in britischen Serien ja sowieso oft eine wichtige Rolle, hier werden sie zum Spiegel der zwiespältigen Gefühle der jungen Protagonisten zwischen Resignation und Lebensfreude. Die Hauptfiguren sind etwas älter als in der zu Recht gefeierten Schul-Dramedy "Skins", gehen alle bereits Berufen nach, suchen aber trotzdem noch ihren Platz im Leben. Nicht nur Tina träumt davon, endlich in die weite Welt hinauszuziehen. Auch der Farmersohn James (Billy Howle) will lieber heute als morgen weg - wäre da nicht seine alleinstehende Mutter (Kerry Fox aus "Intimacy" in einer wiederkehrenden Gastrolle), die ihn braucht, um den Hof zu bewirtschaften. So zerplatzen ein ums andere Mal die hehren Träume an der piefigen Realität - so wie Tinas Sieg bei ihrem ersten Rennen an den Wetten ihres Boyfriends Rob (Jordan Stephens).

Was schon bei "Skins" die ganz große Stärke der Drehbücher war, gelingt auch hier: eine (junge) Lebensphase einer ganzen Gruppe von Menschen glaubwürdig und mitfühlend einzufangen - ohne die Ambivalenzen und Abgründe zu verleugnen, die sie ebenfalls mit sich bringt. Thornes Figuren sind keine stereotyp entworfenen Charaktere, sondern fühlen sich an wie Menschen aus Fleisch und Blut, sind mal sympathisch und dann wieder nervig und überheblich - so wie die meisten Leute zwischen 18 und 25. Das junge Ensemble aus weitgehend unbekannten Darstellern verstärkt diesen Eindruck noch. Neben optischen Entdeckungen wie Charlotte Spencer finden sich darin auch weniger telegene Schauspieler, wodurch die Serie insgesamt einen viel realistischeren Anstrich bekommt als etwa in den von der Alterszielgruppe her vergleichbaren Serien des US-Networks The CW ( "The 100" & Co.), in denen alle Jungdarsteller immer wirken wie vom Laufsteg weggecastet. (Mit Jordan Stephens hat man aber immerhin einen Teil des populären HipHop-Duos Rizzle Kicks dabei.)

Immer wieder bemerkenswert ist auch, wie selbst kleine britische Sender wie E4 es regelmäßig schaffen, Serien mit einem so einzigartigen Look zu produzieren. Die Bildgestaltung ist in "Glue" so weit entfernt von dem Einerlei, mit dem deutsche (Krimi-)Serien ihre Zuschauer immer noch abspeisen, dass der Vergleich zu zeitgenössischen Arthouse-Kinofilmen viel näher liegt als der etwa zu aktuellen ARD- oder ZDF-Produktionen. Die Rennszenen auf der Pferdebahn sind ebenso aufregend inszeniert wie die ruhigen Szenen auf offenem Terrain oder intime Dialoge zwischen zwei Figuren in deren Zimmern. Die Frage nach dem Mörder tritt bei all den Schau- und Erzählwerten fast völlig in den Hintergrund, dient eigentlich nur als Katalysator für die Beziehungen innerhalb der Clique und zur Außenwelt. Schade bleibt alleine, dass solche britischen TV-Perlen international so viel weniger Aufmerksamkeit bekommen als die Serien der renommierten US-Sender.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten vier Episoden der Serie.

Meine Wertung: 4.5/5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Channel 4

 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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