Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten
Die um Wucht bemühte Netflix-Westernserie mit Gillian Anderson und Lena Headey enttäuscht
Zwei Präriemütter im Clinch: Constance Van Ness (Gillian Anderson, l.) und Fiona Nolan (Lena Headey).
Netflix
TV-Kritik/Review: "The Abandons": Gipfeltreffen der Matriarchinnen/Netflix

Es hat ein paar gute Gründe gegeben, um  "The Abandons" entgegenzufiebern: Erstens ist die Westernserie Netflix' Antwort auf das  "Yellowstone"-Universum von Taylor Sheridan. Zweitens stehen diesmal keine gesichtsledrigen Kerle im Mittelpunkt der Handlung, sondern zwei Ü50-Ladies aus der obersten Riege der Fernsehunterhaltung -  "Akte X"-Legende Gillian Anderson und  "Game of Thrones"-Cersei Lena Headey, besetzt als Antagonistinnen! Drittens zeichnet mit Kurt Sutter ein Kult-Autor als Creator verantwortlich, der mit  "The Shield" und  "Sons of Anarchy" (SoA) bewiesen hat, dass er etwas von wuchtig-konfliktträchtigen Dramen versteht. Enttäuschend also, dass das Ergebnis hinter diesen Erwartungen zurückbleibt.

Gewisse Probleme waren schon zu erahnen: Sutter nämlich hatte noch während der Dreharbeiten das Handtuch geworfen und sich wegen "kreativer Differenzen" aus dem Staub gemacht - womit er sein Hitzkopf-Image ein weiteres Mal bestätigte. Schon während der zweiten Staffel seines SoA-Spinoffs  "Mayans M.C." war er 2019 wegen "aggressiven Verhaltens" gefeuert worden. Doch auch wenn ihm nach dem Ende von SoA nicht mehr viel gelingen wollte ( "The Bastard Executioner" wurde nach nur einer Staffel eingestellt), muss das nicht heißen, dass ein nächster großer Wurf nicht mehr möglich ist. Allein die Tatsache allerdings, dass er mit dem finalen Zuschnitt der Episoden und der Postproduktion nichts mehr zu tun hatte, verhieß nichts Gutes.

Erstaunt kann man dennoch darüber sein, wie wenig aus den vorhandenen Zutaten gemacht wurde. Nein, ein Debakel ist "The Abandons" keinesfalls geworden, aber eben auch nichts, was über altbekannte Western-Erzählungen in Film und Serie hinausgehen würde oder auch nur die Ambition erkennen ließe, dass das mal so gewollt gewesen sein könnte. Angesichts der imposanten schauspielerischen Doppelspitze mit Anderson und Headey muss man das insgesamt als fahrlässig bezeichnen.

"The Abandons" spielt im Jahr 1854 im sogenannten "Washington Territory", etwa Höhe Oregon. Damals war das noch der Wilde Westen, und Angel's Ridge, das fiktive kleine Pionierstädtchen, um das es hier geht, liegt entsprechend provisorisch eingekeilt zwischen Frontier und Badlands, angefochten von rebellierenden Natives und maskierten Banditentrüppchen. Hier trägt sich im Zentrum des erstaunlich knapp ausgebreiteten Szenarios ein Machtkampf zweier Matriarchinnen zu, die ihre Familien jeweils ohne flankierenden Ehemann führen.

Outlander in Oregon? Tricia van Ness (Aisling Franciosi) und Elias Teller (Nick Robinson) durchtraben verliebt den Wilden Westen.
Outlander in Oregon? Tricia van Ness (Aisling Franciosi) und Elias Teller (Nick Robinson) durchtraben verliebt den Wilden Westen. Netflix

In Angel's Ridge regiert die ebenso durchdringende wie hochgeschlossene Constance Van Ness, eine verwitwete Silberbaronin, die Gillian Anderson so spielt, als habe sie ihre Margaret Thatcher aus  "The Crown" um ein gutes Jahrhundert vorverlegt: Mit eisernem Blick und peitschenden Sätzen weist sie im prunkvollsten Haus am Orte nicht nur ihre erwachsenen Kinder zurecht, auch muss sie sich ums stockende Geschäft kümmern, damit der legendäre Tycoon Cornelius Vanderbilt (nur als Statist zu sehen) sein Investment nicht zurückzieht. Fürs lebensnotwendige Wachstum ihrer Minen braucht sie den kostbaren Grund im nahen Tal von Jasper Hollow, dem ihr die dort siedelnden Farmer allerdings verwehren.

Am renitentesten ist Fiona Nolan (Lena Headey), eine streng religiöse Irin, die selbst keine Kinder bekommen konnte, auf ihrem bisherigen Lebensweg aber vier inzwischen erwachsene Ziehkinder zusammensammeln konnte: Einst war sie die Nanny von Elias (blass: Nick Robinson,  "Du neben mir",  "The Kings of Summer") und Dahlia (unterfordert: Diana Silvers,  "Space Force",  "Ma"), deren Eltern längst verstorben sind, hinzu kamen Albie (Lamar Johnson aus  "The Last of Us") und Lilla (Natalia del Riego,  "Gelobtes Land"). Die Rinderfarm, auf der sie als Wahlfamilie zusammenleben, trägt den Namen, der der Serie ihren Titel gab: "The Abandons", ein Wortspiel, das sowohl auf die "zurückgelassenen" Bewohner des Bauernhofs abzielt, aber auch die "Hingabe" und "Unbekümmertheit" des Substantivs abandon mitklingen lässt.

Schon in der ersten Episode freilich ist es mit jeder Unbekümmertheit vorbei, denn Constance Van Ness lässt Feuer legen und Fionas Rinder in gelenkter Panik in den Abgrund stürzen. Die buchstäbliche Stoßrichtung ist klar: Die Unternehmerin will die Abandons und ihre Nachbarn aus dem Tal mobben, um endlich an ihr Land zu kommen. Auf dieser aus Western- und auch Mobsterfilmen (und nicht zuletzt aus "Yellowstone") weithin bekannten Storygrundlage passiert dann... nun ja, nicht sonderlich viel Überraschendes.

In den teils erstaunlich kurzen (sprich: kaum länger als 30-minütigen) Episoden, denen nie auch nur entfernt gestattet wird, den epischen Atem von Genrevorbildern wie  "Deadwood" oder vielleicht  "Longmire" zu atmen, steuert alles auf einen finalen Showdown zwischen den beiden Lagern zu, vorangetrieben durch die plakativsten Handlungsbeschleuniger, die sich im Plotlinienwarenlager finden ließen: eine Vergewaltigung plus ein Haustiermord. Ein Ereignis in der ersten Folge, das wir nicht spoilern, führt dazu, dass sich ein Rachemotiv ins Geschehen mischt, wobei als komplizierendes Moment noch eine Liebesgeschichte dazwischengrätscht, die Sutter (oder eine ihm assistierende Künstliche Intelligenz) vom Romeo-und-Julia-Grabbeltisch herabgezerrt hat.

Wird unlauter begehrt: Fionas Ziehtochter Dahlia (Diana Silvers) gehört zu den "Abandons".
Wird unlauter begehrt: Fionas Ziehtochter Dahlia (Diana Silvers) gehört zu den "Abandons". Netflix

Schon in der ersten Episode fallen also romantisch aufgeladene Blicke zwischen Elias und Constances Tochter Tricia (verkörpert von Aisling Franciosi, die mit Anderson bereits in der famosen Krimiserie  "The Fall" zusammenspielte). Natürlich verlieben sie sich rasch, man sieht sie vor malerischen Wildwestkulissen im  "Outlander"-Look zu Pferde galoppieren und sich in Dialogen verlieren, die eher New-Adult-Schmonzetten entnommen zu sein scheinen, als dass sie ein echtes Einfühlungsinteresse fürs historische Setting abbildeten. Das aber wäre wohl schon zu viel verlangt. Hier geht's eher um die Lovestory als dramatischen Flaschenzug, um mithilfe der "verbotenen Liebe" zweier im Shakespeare'schen Sinne star-crossed lovers aus verfeindeten Familien zumindest etwas tragische Tiefe suggerieren zu können.

Über die Vergangenheit sowohl von Fiona als auch von Constance gibt es nur spärliche Info-Brocken zu erfahren, vielleicht soll alles Weitere in Folgestaffeln nachgeholt werden. Bislang bleibt die Charakterzeichnung insgesamt mehr als dürftig. Was nicht nur für die beiden so großflächig annoncierten Leading Ladies gilt, sondern auch für ziemlich alle anderen: Die drei Farmen in Jasper Hollow, die sich an Fionas Seite gegen die Begehrlichkeiten von Constance wehren müssen, werden mit dünnen Handlungsbögen abgefrühstückt. Da gibt es den einsamen Witwer, der eigentlich mit allem nichts zu tun haben möchte, dann aber beherzt mitmischt; den leicht arroganten Intellektuellen mit Tochter, hinter dessen Identität sich Fragen auftun (was ihn erpressbar macht) oder auch den loyalen Mexikaner (Clayton Cardenas aus "Mayans M.C."), der mit einer Native American zusammenlebt. Sie alle sind irgendwie immer mit dabei im Getümmel, zeigen auch Ansätze interessanter Hintergründe, nur vertieft werden sie eben nie.

Schlimmer wiegt dieses narrative Desinteresse an allem, das nicht unmittelbar dem zentralen Machtkampf zuarbeitet, bei der Kindergeneration: Elias und Dahlia bleiben bloße Funktionsträger (in Romanze und Racheplot), an Albie (der als Dorflehrer Rassismus erfährt) und Lilla (die sich mit ihrer Native-American-Herkunft zu beschäftigen beginnt) sollen nicht-weiße Perspektiven in die Serie integriert werden, was aber so oberflächlich bleibt, dass es fatalerweise pflichtschuldig wirkt. Für sie wäre in einer Folgestaffel hoffentlich mehr Platz. Bei Constances Söhnen sieht das kaum anders aus: Lucas Till (Havok aus dem  "X-Men"-Franchise) vermag Garrett, dem designierten Firmenerben, kaum interessante Facetten zu verleihen, Toby Hemingway ( "Der Pakt") als Willem gelingt das schon mangels Screentime nicht.

Die Mutter gibt die Richtung vor: Garrett van Ness (Lucas Till) verteidigt Constance bedingungslos.
Die Mutter gibt die Richtung vor: Garrett van Ness (Lucas Till) verteidigt Constance bedingungslos. Netflix

Und die Nebenfiguren? Nun, zumindest im Grundsatz wimmelt Angel's Ridge von Gestalten, bei denen man sich eigentlich wünschte, es würde mehr von ihnen erzählt - darunter der unter Constance' Fuchtel stehende Sheriff (Marc Menchaca aus  "She's Lost Control"), Saloonwirt Moran (Jack Doolan,  "Sisu"), der jüdische Schmied Isaac (Michael Ornstein, unvergessen als Chucky aus SoA) oder Pfarrer Collier (Haig Sutherland,  "Lucky Hank"). Doch auch für sie springt erzählerisch bislang nur Minimalstoff heraus.

In kleinen bis kleinsten Nebenrollen hat Sutter dann noch Platz für seine (aus "The Bastard Executioner" bekannte) Stieftochter, die Sängerin Sarah Grace White, Comedian Patton Oswalt (als Bürgermeister) oder die immer sehenswerte Kimberly Guerrero (aus  "Reservation Dogs") - nur zu tun bekommen sie annähernd nichts. Viele Figuren für wenig Plot. Am ehesten Profil gewinnt noch Michiel Huisman (der Daario Naharis aus "Game of Thrones") als Roache, ein Scout in Constances Diensten, der sich als charmanter Kenner von Schuberts lyrischer Klaviermusik übergriffig zu Tricia ans Piano setzt und leicht als mörderischer Bandit erkennbar ist.

Ob aber nun hier ein Braunbär erlegt werden muss oder dort ein fieser Priester enttarnt wird, ob es um einen Konflikt mit Rebellen vom Stamm der Cayuse geht oder verletzte Soldaten in Angel's Ridge auftauchen, ob Western-Standards wie eine Saloonprügelei oder eine Verfolgungsjagd hoch zu Ross eingestreut werden: Alles wirkt skizzenhaft, nichts entfaltet aus sich selbst heraus größere Wirkung. Das Drama, so scheint der Plan gewesen zu sein, soll sich vor allem aus den inszenatorisch herausgestellten Zweierszenen mit Anderson und Headey heraus entfalten. Davon gibt es pro Folge mindestens zwei, mal kurz, mal länger, und stets tritt die bebende Unterlippe der katholischen Irin gegen die stählerne Strenge der protestantischen Unternehmerin an. Die ersten paar Male zeitigt das gewiss noch den gewünschten Effekt, irgendwann aber nutzt sich das ab. Danach bleibt nur noch die erwartbare Zuspitzung, die in einem feurigen Cliffhanger endet. Ob's auch ohne Kurt Sutter weitergehen kann? Wir werden's erleben.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten ersten Staffel von "The Abandons".

Meine Wertung: 2.5/5

Die erste Staffel von "The Abandons" liegt seit dem 4. Dezember beim Streamingdienst Netflix auf Abruf bereit.



 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kom­mu­ni­ka­tions­wis­sen­schaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

auch interessant

Beitrag melden

  •  

Leserkommentare