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TV-Kritik/Review: Gravity
(04.07.2010)

Auch Lily hat einen vorübergehendes Motiv gefunden, um weiterzuleben. Sie hat sich noch nie so lebendig gefühlt wie in jenem Moment, in dem sie für einige Minuten mehr tot als lebendig war. Nun will sie den Mann aus ihrer Vision finden, der sie geküsst hatte, bevor sie wieder ins Leben zurückgeholt wurde. Sie hat ihn dutzendfach gezeichnet und die Bilder ins Fenster gehängt, so dass Sonnenlicht darauf fällt. Wie sehr sie mental noch immer zwischen Leben und Tod schwankt, zeigt indirekt eine kurze Szene, in der sie eine Liste mit den Telefonnummern der Gruppenmitglieder an die Innentür eines kleinen Schranks hält. Die Schrankregale sind gefüllt mit Schokoladenkuchen-Packungen. Was für den Zuschauer wie eine Warnung wirkt, ist für Lily vielleicht ein Trost oder gar eine "Lebensversicherung". Sie ist gut vorbereitet und kann es jederzeit wieder versuchen, wenn das Leben weiterhin nur Enttäuschungen für sie bereit hält. Doch dann sieht Lily in einem Café einen Mann, den sie für den Richtigen hält. Sie spricht ihn an.

Es wäre zu hoffen gewesen, dass die Verantwortlichen des Kabelsenders Starz etwas Geduld mit dieser sympathischen, kleinen Serie aufbringen, die es schon aufgrund ihrer Selbstmord-Thematik und ihres für die breite Masse sicher gewöhnungsbedürftigen Humors nicht leicht hat, auf Anhieb ein zahlenmäßig großes Publikum zu finden. Doch nur wenige Tage nach der Ausstrahlung der zehnten und letzten Folge der ersten Staffel hat Starz in dieser Woche die Einstellung von "Gravity" und "Party down", der Sendeplatz-Partnerserie, bekannt gegeben. Das ist umso bedauerlicher, weil den Verantwortlichen von "Gravity" das seltene Kunststück gelingt, schon im Pilotfilm alle Qualitäten der Serie auf den Punkt zu bringen und auf Anhieb große Empathie für die Figuren zu wecken. Die Drehbücher sind klug und originell, vor allem - und das ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal von Filmen und Serien - fällt hier kein Wort zuviel. Die Autoren verzichten auf Erklärungen und lassen vor allem die Bilder sprechen. Inhalte werden in scheinbar beiläufigen kleine Szenen, in Gesten und Blicken, transportiert. Der Zuschauer ist zum Mitdenken aufgefordert. Als Vorbilder für "Gravity" erscheinen weniger vergleichbare Serien mit schrägen Charakteren, sondern eher die sehenswerten Tragikomödien des US-Independentkinos wie "Happiness" von Todd Solondz, "Junebug" von Phil Morrison oder Miranda Julys "Ich und du und alle die wir kennen". Dabei haben die Autoren den Mut und Phantasie, einige Szenen ins Absurde driften zu lassen - wie Roberts Flug in den Swmmingpool -, und somit ebenso wie ihre Figuren den Boden der Tatsachen gelegentlich zu verlassen und die Schwerkraft ("Gravity") aufzuheben. Dem Realismus der Serie schadet das ganz und gar nicht.

Es ist fast unfair, aus dem durchweg grandiosen Schauspieler-Ensemble jemanden hervorzuheben, aber es trifft dann doch Krysten Ritter. Mit ihrem leicht comichaften Look war die 28-jährige bisher geradezu prädestiniert für Rollen als düsteres Gothic-Girl oder schwarzgekleidete Kunststudentin. Nach ersten größeren Rollen in Serien wie
Auch wenn Miller seltsam und nicht ungefährlich erscheint, erkennt man auch ihm eine verletzliche Seele, die nicht unberührt lässt. Wie sehr das Leben aller Figuren in "Gravity" am seidenen Faden hängt, wird deutlich, wenn jemand abwesend ist. Als Lily einmal nicht zum Gruppentreffen erscheint, beginnt eine aufgeregte Suche nach ihr. Dann treibt Dogg seine Schützlinge wieder an und man erahnt sofort wie bitter es gerade für ihn sein muss, dass am Ende der Pilotfolge einer von ihnen die Hoffnung verloren hat und in den Tod springt. Die letzte Einstellung zeigt Lily und Robert auf dem Dach eines Hochhauses. Hand in Hand stehen sie am Abgrund und blicken in die Nacht.
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