Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten
von Michael Brandes

Krysten Ritter und Ivan Sergei in "Gravity"
Krysten Ritter und Ivan Sergei in "Gravity"

Nur knapp sechs Minuten ohne eine einzige Dialogzeile sind nötig, um Lily Champagne (Krysten Ritter) ins Herz zu schließen. Obwohl sie eigentlich nicht besonders nett ist. Von ihrem Job als Kosmetikverkäuferin ist sie unglaublich gelangweilt. Betont unfreundlich sitzt sie hinter ihrer Verkaufstheke und macht aus ihrer Verachtung vor ihren oberflächlichen Kunden keinen Hehl. Noch mehr nervt sie jenes Glück anderer Leute, das sie selbst nie gefunden hat. Ein küssendes Paar bewirft sie mit einem Wattestäbchen. Im Supermarkt versucht sie etwas später vergeblich, Blickkontakt mit einem attraktiven Typen aufzunehmen. Stattdessen kracht sie geistesabwesend mit ihrem Einkaufswagen in den Wagen einer alten Dame. Stumm schauen sich die beiden Frauen in die Augen. Erschreckt stellt Lily fest, dass der Inhalt der Wagen nahezu identisch ist: Katzenfutter, Konservendosen und "Heather's Cake Mix". Eine unglaubliche Traurigkeit liegt in dieser Szene, in der Lily in der alten Frau sich selbst in 50 Jahren erkennt. Ihr einsames Leben wird sich niemals ändern.

Melancholische Gitarrenklänge begleiten Lilys Einsamkeit. Sie ist allein in ihrer Wohnung, sie füttert ihre Katze, sie backt einen Schokoladenkuchen. Als die Musik endet, dringt nur noch der Straßenlärm von unten hinauf. Lily sitzt auf ihrem Sofa und stopft sich ein riesiges Stück vom Schokoladenkuchen, das kaum in ihre Hand passt, in den Mund. Sie legt sich hin und beginnt zu weinen. Während sie das Bewusstsein verliert, fährt die Kamera über den Küchentisch und zeigt die aufgebrauchte Schachtel "Cake Mix", ein paar Eierschalen und eine leere Packung Schlaftabletten. Während sich die Katze um Lily sorgt, verschwimmen die Bilder. In einer kunstvollen, sonnendurchfluteten Traumsequenz wird Lily von einem Mann umarmt. Sie halten Händchen und küssen sich. Er streicht über ihr "Empty"-Tattoo im Nacken. Danach weißes Licht.

Ving Rhames als Dogg McFee
Ving Rhames als Dogg McFee

Die im April 2010 beim US-Kabelsender Starz gestartete Dark-Comedy-Serie  "Gravity" beobachtet eine kleine, sehr fragile Selbsthilfegruppe desillusionierter New Yorker, die allesamt einen Selbstmordversuch überlebt haben. Sie verbringen gemeinsam Zeit, passen auf sich auf und unterstützen sich dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Mit schwarzem Humor und bisweilen auch grotesken Szenen widmen sich die Autoren Jill Franklyn und Eric Schaeffer einem Tabuthema, das im Rahmen einer Tragikomödie eigentlich nur schwer zu greifen ist. Es ist nicht leicht, Selbstmordkandidaten mit Ironie zu begegnen ohne dabei die Figuren zu verraten oder vorzuführen. Doch die Gags auf Kosten der Figuren, die selbst einen ironischen Umgang mit ihrem eigenen Schicksal pflegen, sind hier stets von der Liebe zu den selbst erschaffenen Charakteren und ihren Schwächen gekennzeichnet. Eine Serie wie "Gravity" kann nur funktionieren, wenn dem Zuschauer gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen zumute ist. Den Autoren gelingt das Wandeln auf diesem schmalen Grat prächtig, und sie unterliegen dabei nicht einmal annähernd dem Fehler, Kitsch und Gefühlsduselei zu verbreiten.

Im Kellerraum einer Kirche trifft sich die Selbsthilfegruppe aus "Gravity" regelmäßig. Die Sitzungen werden geleitet von Dogg McFee (Ving Rhames), einem an den Rollstuhl gefesselten Ex-Baseballprofi der New York Mets. Er erscheint als charismatische, sehr dominante Führungspersönlichkeit, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, seine psychisch labilen Schäfchen beisammen zu halten - und dabei auch den eigenen, inneren Schweinehund zu besiegen. Für ihn ist das Leben ein Kampf, den er mit dem gleichen unbedingten Siegeswillen seiner Sportlerkarriere führt. Symbolisch für ihn steht ein Aufkleber an seinem Auto: "Don't give up five minutes before the miracle". Gib nicht auf - in fünf Minuten kann das Wunder passieren.

Robyn Cohen, Seth Numrich, Rachel Hunter, Krysten Ritter, Ivan Sergei und Ving Rhames
Robyn Cohen, Seth Numrich, Rachel Hunter, Krysten Ritter, Ivan Sergei und Ving Rhames

Neben Lilly, die ihren Selbstmordversuch überlebt hat, bekommt Doggs Gruppe ein zweites neues Mitglied, den Mittdreißiger Robert Collingsworth (Ivan Sergei,  "Crossing Jordan"). Der Augenarzt, ein streng gläubiger Katholik, kann den Tod seiner Frau nicht überwinden. Er tritt aufs Gaspedal, ignoriert die freundliche Stimme seines Navigationsgerätes ("Stop here! Stop here!") und rast mit seinem Wagen eine Klippe hinab. Doch Robert scheitert beim Versuch sich umzubringen spektakulär: Sein Wagen ladet im Swimmingpool eines vorbeifahrenden Gay-Kreuzfahrtschiffes. Er überlebt ebenso wie sein Routenplaner ("Address unknown, recalculate it!"). Besonders demütigend: Sein missratener Todesflug wird zu einem millionenfach angeklickten YouTube-Hit. Als er im Krankenhaus aufwacht, warten vor seinem Zimmer bereits Fotografen und einige begeisterte Gothic-Kids in "Fuckin' Happy"-T-Shirts, die er fortan nicht mehr los wird. In den Fernsehshows erlangt er als "Suicide Dummy" traurige Berühmtheit.

Auch von Lily, die anfangs nur widerwillig an den Treffen teilnimmt, erntet Robert nur Hohn, als er der Gruppe von seinem tragischen Unglück berichtet. Es sei das Dümmste, was sie je gehört hätte, sagt sie. Demonstrativ distanziert sie sich von den anderen, indem sie sich zwei Meter weiter nach hinten setzt. Doch schon rollt Dogg heran, schiebt sie samt Stuhl zwei Meter nach vorn und erklärt sie und Robert zu "Buddies", die in Zukunft gegenseitig auf sich aufpassen müssen. Nach dem Treffen kommt es auf der Straße noch zu einem heftigen Streit zwischen Robert und Lily, die ihm partout nicht sagen will, warum sie sich umbringen wollte. Das Wortgefecht endet in spontanem Sex.

Robert und Lilly sind die Hauptfiguren der 30-minütigen Pilotfolge "Suicide Dummy". Die weiteren Gruppenmitglieder werden in meist sehr kurzen Szenen vorgestellt, die aber viel aussagen. Zum Beispiel Shawna (Rachel Hunter), ein rund 40-jähriges Ex-Model, das sich vor dem Altern viel mehr fürchtet als vor dem Tod. Wie und warum sie alle sich das Leben nehmen wollten, steht im Zentrum der folgenden Episoden. Einer der verletzlichsten Charaktere wird gespielt von Robyn Cohen, die sich hier geradezu für einen Auftritt bei  "Desperate Housewives" empfiehlt: Carla ist ein manischer Kontrollfreak. Sie unterwirft nicht nur den Haushalt, sondern auch ihr Leben einer strengen Ordnung und Harmonie. Die kleinste Abweichung von der Form führt bereits zur Katastrophe. Symptomatisch für ihre am Rande des Erträglichen balancierende Über-Freundlichkeit ist ihr liebevoller, aber aufgesetzter Umgang mit einem ungebetenen Gast: Eine ins Haus geratene Maus darf noch den Käse futtern und wird dann galant mit den Worten "Come back any time, Mr. Mouse" vor die Tür gesetzt. Wie aus dem Nichts wird sich Carla wenige Minuten später vor den Augen ihres Mannes, mit dem sie eine eigentlich sehr glückliche Ehe führt, eine Kugel in den Kopf jagen.


Beitrag melden

  •  

Leserkommentare