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TV-Kritik/Review: Intelligence
(27.01.2014)
Josh Holloway - das ist vor allem Sawyer aus
Verantwortlich für die Serie ist Michael Seitzman, der vor acht Jahren das 'Oscar'-nominierte Charlize-Theron-Drama "Kaltes Land" schrieb und danach nichts Relevantes mehr. Jetzt kehrt er zurück mit einer Serie, die lose auf dem eben erst veröffentlichten Roman "Phoenix Island" von John Dixon basiert und nichts weniger ist als der feuchte Traum von NSA und GCHQ: Holloway spielt Gabriel Vaughn, der mal für die Delta Force in Afghanistan und im Irak unterwegs war und jetzt die neue superheiße Waffe des US-Geheimdienstes ist. Gabriel trägt ein Chip-Implantat im Kopf, das es ihm ermöglicht, sekundenschnell auf sämtliche ihn umschwirrende digitale Netzwerke, Funkübertragungen und virtuelle Datenbanken zuzugreifen. Damit kann er Gebäudepläne visualisieren, Infrarot erkennen, Bluetooth empfangen, durch Maschinengewehrsucher anderer Leute blicken und quasi als personifizierte Schufa die geheimsten Akten von Privatpersonen durchblättern. Außerdem kann er so etwas wie Flashbacks "rendern", also Tatorte virtuell durchwandern. Gabriel ist, anders gesagt, die digitale Variante des Sechs-Millionen-Dollar-Manns, ein Psycho-Superman, ein 007 mit NSA-Anschluss.
Gut, "Intelligence" ist sicher konzipiert worden, bevor Edward Snowden im letzten Juni das groteske Ausmaß unser aller Überwachung enhüllte. Dennoch hätte man sich zumindest einen kurzen Verweis oder Kommentar oder ironischen Seitenhieb zum Thema wünschen können, doch nichts da: Die Serie feiert Gabriels Fähigkeiten und den Spitzel-Anspruch der US-Geheimdienste (wohlgemerkt: nur der US-Geheimdienste!) ohne jeden Bruch, ein Vorgehen, das selbst dann irritiert, wenn man anerkennt, dass hier halt affirmatives Spionagepersonal im Mittelpunkt steht.
Der Geheimdienst, um den es hier geht, ist das US Cyber Command. Deren Direktorin ist Lilian Strand, eine taffe No-Bullshit-Person, eisig verkörpert von der
Ein nicht geringer Teil der ersten Folgen wird darauf verwendet, immer und immer wieder zu wiederholen, was für eine geniale Waffe Gabriel Vaughn ist, und das wirkt so, als trauten die Macher ihrer Konstruktion selbst nicht: "Andere Nationen würden einen Krieg anzetteln, um ihn zu besitzen!" heißt es, er sei das "wertvollste Stück Technologie", "wichtiger als der Präsident" (sagt der Präsident persönlich!), und bewundernd wird erläutert, dass endlich mal nicht versucht worden sei, Künstliche Intelligenz menschlicher zu machen, sondern einen Menschen zur Maschine: Gabriel ist RoboCop fürs digitale Zeitalter. Allen Ernstes hört man dann Lilian Strand in jedem Vorspann die Vorzüge Gabriels aufs Neue rekapitulieren: Man wohne hier der "next evolution of intelligence" bei. Wobei "intelligence" natürlich "Geheimdienst" heißt. Brrrr.
Will man das? Man muss es wohl. Und "Intelligence" geht plotmäßig von Anfang an so sehr in die Vollen, dass das nur nach hinten losgehen kann. Jede der drei ersten Folgen gibt sich als Endspiel. Auch wenn die erwartbare Dramaturgie (Gabriel muss pro Episode mit seinen Cyber-Rendering- und Virtual-Snapshot-Fähigkeiten einen Auftrag übernehmen) sofort klar wird, geht es ausschließlich ums grundlegend Existenzialistische: Im Piloten wird Vater Cassidy entführt und gezwungen, der Chinesin Mei Chen einen zweiten, noch perfekteren Chip zu implantieren. In Episode zwei wird erst mühsam Gabriels großes Trauma aufgefächert (dass nämlich seine Frau vor einiger Zeit als Undercover-Agentin die kaschmirische Terroristengruppe Laschkar-e-Taiba infiltrierte und dabei wohl die Seiten wechselte), und während man noch denkt, dass das ja eine akzeptable Grundlage für einen staffel- oder gar serienübergreifenden Handlungsbogen werden könnte, implodiert das Ganze schon im überstürzten Finale eines Plots, der um unentdeckbare Selbstmordattentäter kreiste. Wer nun denkt, dass Gabriel etwas Ruhe bräuchte, geht fehl, denn obwohl er seinen Status als "government property" kritisch sieht und zum Tequilasaufen nach Mexiko fährt, wartet schon der nächste Endkampf: Chip-Kollegin Mei Chen ist wieder da. In kürzester Zeit ist sie zur Killermaschine der bösen Seite (sprich: der Chinesen) mutiert, und mit Gabriel möchte sie zu "Adam und Eva" einer neuen Spezies werden. Klappt natürlich nicht.
Wer will, kann jetzt abwarten, ob das alles in diesem überhitzten Letzte-Dinge-Modus weitergeht oder ob sich der Plot bald in übliche Procedural-Routine abkühlt. Darin befindet sich der Rest der Serie ja schon von Anfang an: Kompetenzstreitigkeiten im Geheimdienst, eine mögliche Liebschaft zwischen Gabriel und Riley, konspirative Treffen auf Parkbänken am See, mal explodiert eine Bombe, mal gibt's eine Prügelei im Fahrstuhl, dann eine Schießerei im Hinterhof. Doch trotz all der pflichtschuldig eingestreuten Action-Nummern und Last-Minute-Rescues kommt "Intelligence" nicht aus den Startlöchern. Vor allem mangelt es an Spannung: Zu egal sind einem die Figuren, zu öde sind die Bösewichter. Es fehlt an Witz, es mangelt an Charme.
Hinzu kommt die visuelle Darstellung Gabriels "seherischer" Fähigkeiten. Da schwirren dann irgendwelche Screens, Statistiken und Karteikarten vor Josh Holloways starrenden Augen umher, mal erinnert das an die Optik aus "TRON", mal an "Matrix", meist jedoch eher an ausgelutschte Hacker-Krimis, auf jeden Fall sieht nichts daran so revolutionär aus, dass es die permanente Hyberbolik der das alles beschreibenden Dialoge rechtfertigen würde. Ganz abgesehen also davon, dass es günstigere Zeitpünkte gegeben hätte, eine Serie am Bildschirm zu etablieren, die sich in der hemmungslosen Feier amerikanischer Spitzeldienste ergeht, könnte "Intelligence", falls nicht noch sehr Entscheidendes geschieht, vor allem an der Langeweile scheitern, die Look, Figuren und Plot verbreiten.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Intelligence".
© Alle Bilder: CBS
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