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TV-Kritik/Review: Marseille
(23.05.2016)

Selbst wenn man Gérard Depardieu in den letzten Jahren mal im Kino gesehen hat, ist man dann doch wieder überrascht über die bärigen Ausmaße, die dieser Schauspieler, inzwischen angenommen hat - und es ist eine bezeichnende Szene, mit der Regisseur Florent Siri ("My Way") und Autor Dan Franck die französische Netflix-Serie
Diese Szene fasst bestens zusammen, was "Marseille" als Serie zu erzählen haben könnte. Weshalb es ernüchternd ist, schnell merken zu müssen, dass es nicht für mehr gereicht hat als für eine Schmalspurvariante des Netflix-Hits
Seit 20 Jahren ist der erwähnte Bürgermeister Taro schon im Amt, doch nun ist er leicht amtsmüde. Möglicherweise ist dafür ein Autounfall verantwortlich, dessen Folgen Taro gesundheitlich beeinträchtigen. Das Kokain, das er nimmt, solle man daher eher als Schmerzmittel einstufen, rät sein Arzt Dr. Osmont (Hippolyte Girardot,
Dessen größte Sorge manifestiert sich aber in Gestalt seines Protegés und politischen Ziehsohns Lucas Barr?s (Benoît Magimel, "Die Klavierspielerin"). Der wird von Taro als Nachfolger bei den anstehenden Bürgermeisterwahlen in Stellung gebracht, holt aber vorher zum fiesen Dolchstoß aus: Er stimmt gegen Taros Lieblingsprojekt! Taro nämlich plant als spektakulären Abgang von der politischen Bühne den Bau eines mondänen Casinos am Hafen, das solventes Publikum nach Marseille locken und die geliebte Heimatstadt zur glamourösesten Metropole Südeuropas machen soll. Der Stadtrat winkt das Projekt durch, doch bei einer entscheidenden Sitzung fällt Barr?s seinem Mentor in den Rücken. Und teuflisch giftet er Taro ins Gesicht: Zwanzig Jahre habe er auf diesen Moment gewartet.
Das ist nur eine der vielen Unwahrscheinlichkeiten und Unausgegorenheiten, die "Marseille" den Betrachtern zumutet. Der ganze Plot basiert auf zufälligen Verbindungen und forcierten Konstruktionen. Barr?s bisexuelle Assistentin beispielsweise ist auch Teilzeitmitbewohnerin von Julia - beide scheinen ein Auge auf Barr?s geworfen zu haben. Julia wiederum möchte ihre Herkunft als Bürgermeistertochter geheimhalten, obwohl sie als Reporterin arbeitet. Für eine Story wagt sie sich in die "Cités", die von arabischen Gangs kontrollierten Plattenbauviertel der Stadt. Dort wohnt auch der junge Kleinganove Eric, der (warum auch immer) ein Jugendfreund des höheren Töchterchens Julia ist. Auf einer Party, deren bunte Beautiful-People-haftigkeit man allenfalls in schlechten Werbespots erwarten würde, feiert die Hautevolee (warum auch immer) Seite an Seite mit der Trash Society aus den Cités, dort reißt Julia den heißblütigen Selim auf, was Eric eifersüchtig macht und offenbar Grund genug dafür ist, dass er sich enttäuscht in die Dienste eines Bandenbosses stellt. Dieser arbeitet als Mann fürs Grobe für einen Mafioso, der das Casino-Projekt verhindern will, um das eigene (Ab-)Zocker-Business nicht zu gefährden, und dafür gemeinsame Sache mit Barr?s macht. Julias Chefredakteur teilt derweil Geheimnisse mit Barr?s, und auch Taro und sein Arzt sind Mitwisser bei einem Juwelenraub, an dem offenbar Eric und Selim beteiligt waren. Barr?s pflegt zudem die Kriegslist einer strategischen Liebesaffäre, indem er Vanessa d'Abrantes (Nadia Far?s, "Die purpurnen Flüsse") mit kunstvollem Cunnilingus verwöhnt. Vanessa ist die Präsidentin des Départements (sprich: des Landkreises), kennt Interna und hat einen Ehemann, mit dem wiederum Taro seinen Arzt teilt. Kurzum: Alle Figuren in dieser Serie haben miteinander zu tun, und im Wesentlichen sind all diese Verbindungen sehr schnell schon skizziert. Auch die Nebenfiguren wachsen kaum je über Knallchargenniveau hinaus (der Architekt des Casinoprojekts trägt roten Schal zur roten Brille und fährt einen roten Mini), die Frauen sind attraktiv, oft nackt und haben selten mehr zu tun, als über das Handeln der Männer zu sprechen.
Als wäre all dies nicht schon konstruiert genug, üben sich Regie und Darsteller auch noch in der Kunst des vielsagenden Blicks: Wo immer sich ein Zusammenhang erschließt oder ein Zweifel entbrennt, wird ahnungsvoll oder wissend in die Ferne gestarrt, meistens mehrere Sekunden lang, bis noch der Letzte begriffen hat, worum es gerade geht. Darüber hinaus wird in einer Weise auf Symbolismen gesetzt, die man keinem Regisseur mehr zugetraut hätte: Um Barr?s chamäleonartige Wandlungsfähigkeit und narzisstische Persönlichkeit zu verdeutlichen, stehen in seinem Loft überall Spiegel herum; in einer Szene sitzt er sogar gleichzeitig vor einem Spiegel und einer Maske, die er versonnen in der Hand wiegt.
Dieser Hang zum Überdeutlichen bestimmt auch die formalen Aspekte der Inszenierung - im völlig übertriebenen Einsatz von Zeitlupen etwa oder in Alexandre Desplats schicksalsschweren Cello-Melodien, die alleweil quer über den Soundtrack gesägt werden. Diese Art plaktiver Prätention ist schade, weil "Marseille" rein optisch durchaus etwas hermacht: Die Vogelperspektiven auf die Sehenswürdigkeiten der mediterranen Metropole sind schick, die Kamerafahrten durch die in der Marseiller Zeit als Kulturhauptstadt Europas 2013 herausgeputzte Hafengegend haben touristischen Mehrwert - nur der Stylervorspann richtet sich ästhetisch irgendwo zwischen Parfümwerbung und Nullerjahre-Glamour ein.
Mit "Boss" oder gar "House of Cards" hat das alles in den ersten Episoden eher wenig zu tun. Nur in den Momenten, in denen die Regie die Darsteller einfach mal ganz bei sich sein lässt, haben sich zwischen all den stereotypen Bildern und Dialogzeilen kleine Momente der Freude eingeschlichen: Dann sieht man Depardieu und Pailhas beim Tänzchen zu einem alten Nino-Ferrer-Chanson oder lernt beim Verhandlungstalk zwischen dem Bürgermeister und seiner Vorgesetzten (Maruschka Detmers), das zwischen Darstellern auch so etwas wie Chemie herrschen kann. Um "Marseille" zum neuen, heißen Netflix-Ding zu machen, reichen solche Momente freilich nicht aus.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Marseille".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Netflix
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