Stolz präsentiert die Mutter Iokaste ihren neu geborenen Sohn. Bei ihrem Gemahl Laios, der in dem Kleinen nur den künftigen Rivalen erblickt, will jedoch keine Vaterfreude aufkommen. Die Eltern setzen ihr Kind in der Einöde aus, wo es von einem Schäfer gerettet wird. Polybos und seine Frau Merope, kinderloses Herrscherpaar aus Korinth, betrachten den Findling als Geschenk der Götter und ziehen ihn wie ihr eigenes Kind groß. Der zum Mann herangewachsene Ödipus wird von bedrückenden Träumen über seine Herkunft geplagt und beschließt, das Orakel zu befragen. Um der düsteren Prophezeiung zu entgehen, er würde den Vater erschlagen und seine Mutter ehelichen, flieht der Unglückliche aus Korinth. Nicht ahnend, dass er seinen leiblichen Vater vor sich hat, erschlägt er einen arroganten Reisenden samt Eskorte, der ihm den Weg versperrt. In seiner Raserei überwindet er ebenso die als unbesiegbar geltende Sphinx, die Theben um ihre tapfersten Krieger dezimiert hatte. Zum Dank erhält Ödipus die verwitwete Königin Iokaste zur Frau. Die Thebaner achten ihren König - bis die Stadt von der Pest heimgesucht wird. Die erneute Befragung des Orakels ergibt, dass die Seuche eine Heimsuchung der Götter ist. Überwunden wird die Plage erst dann, wenn Ödipus einen Thebaner richtet, der den eigenen Vater erschlug und mit seinen Mutter in Blutschande lebt. Pasolinis stilisierte filmische Adaption des antiken Mythos erhält durch die flirrende Hitze der nordafrikanischen Wüstenlandschaft eine eigentümlich entrückte Atmosphäre. Silvana Mangano, Franco Citti und Luciano Bartoli spielen die Hauptrollen in diesem zeitlosen Drama, dessen Rahmenhandlung kunstvoll ins präfaschistische Italien integriert ist. Am 05. März dieses Jahres wäre Pier Paolo Pasolini 100 Jahre alt geworden. Das rbb Fernsehen sendet zu Ehren des großen italienischen Regisseurs, Dichters und Publizisten an diesem Abend zwei seiner Werke. Nach "Edipo Re - Bett der Gewalt" folgt im Anschluss, am 04.03.2022, um 01:35 Uhr, der Spielfilm "Große Vögel - Kleine Vögel". Pier Paolo Pasolini gehörte zu den Meisterregisseuren des europäischen Kinos der sechziger und siebziger Jahre. Seine Filme, dem Neorealismus der Nachkriegszeit folgend, richten einen sozialkritischen Blick auf die italienische Gesellschaft und dem Postfaschismus nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Pasolini nutzte die ästhetischen Mittel des Films, um ein komplexes, aber gleichsam wunderschönes, poetisches Kino zu generieren. Zu den herausragendsten seiner Werke gehören unter anderem "Mamma Roma" (1962), "Teorema - Geometrie der Liebe" (1968), "Das 1. Evangelium - Matthäus" (1964), "Große Vögel, kleine Vögel" (1965), "Medea" (1969) und ebenso sein letzter Film "Die 120 Tage von Sodom" (1975). In der Nacht des 2. Novembers 1975 wurde Pier Paolo Pasolini mit 53 Jahren ermordet. Die exakten Hintergründe und Motive, die zu seinem Tod führten, sind bis heute nicht abschließend geklärt.
(rbb)
Länge: ca. 104 min.
Deutscher Kinostart: 13.06.1969
Internationaler Kinostart: 28.08.1968 (RA)
FSK 16
Cast & Crew
- Regie: Pier Paolo Pasolini
- Drehbuch: Pier Paolo Pasolini
- Produktion: Alfredo Bini, Eliseo Boschi, ARCO FILM, Somafis
- Kamera: Giuseppe Ruzzolini
- Schnitt: Nino Baragli
- Szenenbild: Andrea Fantacci
- Maske: Ernesta Cesetti, Giulio Natalucci, Goffredo Rocchetti
- Kostüme: Danilo Donati
- Regieassistenz: Jean-Claude Biette, Benoît Lamy
- Ton: Fausto Ancillai