München im "Sommer der Liebe" 1967: Journalistin Katharina erhält Besuch von ihrer französischen Freundin Anne. In langen Tagen und lauen Nächten erkunden sie neue Lebenswege. Das episodisch und fragmentarisch erzählte Frauenporträt und Zeitbild drehte Ula Stöckl zum Abschluss ihres Studiums am Ulmer Institut für Filmgestaltung. Einer der ersten feministischen Filme Deutschlands. Katharina und Anne unternehmen Ausflüge, besuchen Cafés, Bekannte und Partys. Dabei loten sie die Chancen weiblicher Emanzipation in einer männlich geprägten Gesellschaft aus. Katharina strebt ein Leben ohne sentimentalen Zwang an. Sie glaubt, dass es ihr gelungen sei, und sieht deshalb die geliebte Freundin Anne mitleidiger an, als es gut sein kann. Anne lernt gerade den linken Jargon. Aber es ist reine Hilflosigkeit. Sie meint, es wäre politisches Engagement, das sie ihrer Freundin Katharina wiederum nicht zutraut, also lächelt auch Anne. Anne träumt von Stefan, der mit Magdalena verheiratet ist, aber alle Frauen liebt, insbesondere die laszive Kirke. Dann ist da noch die Sängerin Gabriele, die die kommerzielle Devise vertritt: Gut ist, was gefällt! Gemeinsam mit einem Komponisten arbeitet sie an einem Chanson mit dem Titel: "Neun Leben hat die Katze". Diese neun Leben - sie stehen für die unterschiedlichen weiblichen Lebensentwürfe, für den Wunsch, eingefahrene Bahnen zu verlassen. Aber auch für eine existenzielle Melancholie, wie sie vor allem Anne umgibt mit ihren Träumen von Tod und Wiedergeburt. Hier ist der Titel Anspielung an ein mythisches Motiv, das bereits bei Shakespeare erscheint: "Mein guter Katzenkönig, nichts als eins von Euern neun Leben", wünscht sich Romeos Freund Mercutio in Shakespeares "Romeo und Julia". Der Spielfilm "Neun Leben hat die Katze" zeichnet sich durch liebevoll inszenierte Details und genaue Beobachtung aus. Ula Stöckl lässt Alltagsbeobachtungen und Fantastisches, Subjektivität und Analyse, Humor und Wut aufeinanderprallen. Das Miteinander von professionellen Schauspielern und Laien verstärkt den Kontrast, der in der Verbindung von Traumsequenzen und Wirklichkeit liegt. Mit seiner freigeistigen Mischung verschiedener Genres und Stile sucht Ula Stöckls Debütfilm in der deutschen Filmgeschichte bis heute seinesgleichen: "Neun Leben hat die Katze" ist poetisches, philosophisches, politisches Kino. Last but not least: Der Film entstand zu einer Zeit, als es in der alten Bundesrepublik weder eine Frauenbewegung noch einen Frauenfilm gab. Das Etikett "erster feministischer Spielfilm der BRD" sollte indes nicht davon ablenken, dass es sich um einen sehr zu Unrecht fast vergessenen Klassiker des Neuen Deutschen Films handelt.
(3sat)
Länge: ca. 85 min.
Cast & Crew
- Regie: Ula Stöckl
- Drehbuch: Ula Stöckl
- Produktion: Thomas Mauch, Ula Stöckl, Institut für Filmgestaltung Ulm
- Musik: Bob Degen, Fred Braceful, Manfred Eichler
- Kamera: Dietrich Lohmann, Thomas Mauch
- Schnitt: Wolfgang Schacht
- Spezialeffekte: Claudia Gittel