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TV-Kritik/Review: "Kitz": Deutsche Netflix-Serie über Glitzerwelt von Kitzbühel krankt an starker Überzeichnung
von Christopher Diekhaus(30.12.2021)

Bevor das Jahr 2021 zu Ende geht, blasen die Streaming-Giganten Amazon und Netflix noch einmal zu einer Offensive in puncto deutsche Eigenproduktionen. Gleich drei unterschiedliche Stoffe buhlen binnen kurzer Zeit um die Aufmerksamkeit der Abonnenten - und haben leider eins gemein: Sie überzeugen nicht.
Unterirdisch schwach ist die Prime-Video-Serie
Kitzist nicht nur eine orthografisch leicht abgewandelte Form des englischen Begriffs für Kinder, sondern verweist gleichzeitig auf das als Nobelskiort bekannte Städtchen Kitzbühel in Tirol.
Aspen der Alpen, so bezeichnet die 19-jährige Protagonistin Lisi Madlmeyer (Sofie Eifertinger) in ihrem einführenden Voice-over-Kommentar ihre österreichische Heimatgemeinde in Anlehnung an den berühmten Wintersport-Hotspot in den Rocky Mountains. Jedes Jahr zieht es zahlreiche gut betuchte Menschen nach Kitzbühel, um die Pisten unsicher zu machen und das Leben in Saus und Braus abzufeiern. Die lokale Bevölkerung steht - daran lässt zumindest die Netflix-Produktion gleich zu Beginn keinen Zweifel - den reichen, Geld in die Kassen spülenden Besuchern zum Teil kritisch bis feindlich gegenüber.
Ein besonderes Verhältnis zur regelmäßig einschneienden High Society hat auch Lisi, die nach dem Tod ihres Zwillingsbruders Joseph (Felix Mayr) ihren Studienplatz an einer renommierten Londoner Hochschule sausen ließ, um ihren Eltern beizustehen. Ein Jahr nach dem schmerzhaften Verlust, den beliebig anmutende, in schummrig-gelbes Licht getauchte Rückblenden mit emotionaler Kraft aufladen sollen, will die junge Frau, das verrät sie uns zum Auftakt, Rache nehmen. Rache an der Person, die mutmaßlich dafür verantwortlich ist, dass Joseph mit seinem Wagen durch ein Leitplanke brach. Die Influencerin und Millionärstochter Vanessa von Höhenfeldt (Valerie Huber), mit der der Tote offenbar eine Affäre hatte, ist Lisis Zielobjekt, an das sie sich während einer ausschweifend-dekadenten Silvesterparty in einem Edelchalet mit Hilfe ihres guten Freundes Hans (Ben Felipe) langsam heranzuschleichen versucht.

Was genau Lisi im Schilde führt, bleibt zunächst im Dunkeln. Klar ist aber dank eines Vorausblicks zu Beginn, dass ihr Plan gefährlich aus dem Ruder läuft. Echte Spannung ergibt sich aus Lisis Intrigenspiel in den für diese Kritik begutachteten Folgen eins bis drei allerdings nicht. Recht leicht und schnell gelingt es ihr, in den inneren Zirkel der modelnden Social-Media-Königin vorzudringen. Und noch dazu fällt ihr geradewegs die Patrone in den Schoß, mit der sie Vanessas besitzergreifende Busenfreundin Pippa (Krista Tcherneva) kaltstellen kann. Gegen Ende der dritten Folge scheint Licht am Ende des Tunnels auf, weil die Figuren endlich einmal ambivalenter daherkommen, weil Gefühle plötzlich nicht gekünstelt, sondern mit an die Nieren gehender Intensität hervorbrechen und Lisis Manöver zunehmend fragwürdigere, andere Menschen ins Unglück stürzende Formen annehmen.
Bis hierhin durchzuhalten, erfordert jedoch ein ordentliches Nervenkostüm angesichts der Klischeeparade, die "Kitz" dem Betrachter zumutet. Verachtung für die einfachen Leute wird in der Welt der Serie oft bis zum Umfallen ausbuchstabiert. Vor allem dann, wenn die als Biest inszenierte Pippa involviert ist. Auch wenn sich hinter den funkelnd-hedonistischen Fassaden der reichen Sprösslinge persönliche Krisen und Zweifel auftun, wirken die Facetten der Charaktere wie schwache Alibis. Weder Vanessas wenigstens leicht reflektierter Freund Dominik (Bless Amada), für den Lisi rasch etwas mehr als Sympathie empfindet, noch der durch den Tod seines Vaters erst recht der Drogensucht verfallende Kosh (mit ulkigem Schnauzbart ausgestattet: Zoran Pingel) sind wirklich mehrschichtig. Von Vanessa und Pippa ganz zu schweigen.
Einen lächerlich-karikaturesken Anstrich bekommt "Kitz" besonders durch die Vorliebe für vermeintlich coole Anglizismen. In mindestens jedem zweiten Satz benutzt Vanessa das Wort "fucking". Und auch die anderen Kinder aus wohlhabendem Hause werfen nur so mit englischen Ausdrücken um sich. Selbst das anvisierte junge Publikum könnte das ein bisschen überzogen finden.

An einer Stelle philosophiert Lisi in ihren jede Folge einleitenden und abschließenden, krampfhaft um Bedeutung bemühten Voice-Over-Bemerkungen über das Potenzial der oft unterschätzten Bauern im Schachspiel. Ein Gedanke, der sich mit der Konstruktion der Serie beißt. Bis kurz vor Ende der Halbzeitglocke schieben die Serienschöpfer Vitus Reinbold und Niko Schulz-Dornburg (
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Folgen der Serie "Kitz".
Die sechsteilige Serie "Kitz" ist ab dem 30. Dezember 2021 bei Netflix verfügbar.
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