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Schwarzhumorige Horrorhommage aus deutscher Koproduktion geht nicht in die Vollen
Billy (Justine Daniel Anene, l.), Zoe (Leia Murphy) und Con (Cal O'Driscoll) gehen auf eine Reise voller böser Überraschungen.
WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen
TV-Kritik/Review: "Video Nasty": Auf der Suche nach dem letzten Tape/WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen

Wie man es auch dreht und wendet: Den besten Ruf hat das Horrorkino bis heute nicht. Filme, die das Publikum schockieren wollen, ausgeklügelte Effekte bemühen und zuweilen in Blutfontänen baden, haben bei vielen Zeitgenossen einen schweren Stand. Dass das Genre über die Jahrzehnte immer wieder auch subtile Angstmacher mit ernsthaftem Interesse für Figuren und gesellschaftsrelevante Themen produzierte, wird dabei gerne übersehen. Horror ist nicht gleich Horror, möchte man manchem Kritiker ins Stammbuch schreiben. Wie weit die teils absurde Abneigung gegen Schauerwerke gehen kann, zeigt das Beispiel der sogenannten Video Nasties. Gemeint sind damit Filme, besonders Videothekentitel, die Mitte der 1980er-Jahre in Großbritannien von staatlicher Stelle als jugendgefährdender Schund identifiziert wurden und auf den Index gelangten, darunter auch längst als Klassiker angesehene Streifen wie Tobe Hoopers  "Blutgericht in Texas" alias "The Texas Chainsaw Massacre". Wenig verwunderlich entfachten das Verbot und die aufgeheizte öffentliche Diskussion gerade in Fankreisen erst recht die Lust, irgendwie an die aus dem Verkehr gezogenen Filme zu kommen.

Eben diese Hintergründe greift die neue, programmatisch betitelte WDR-Serie  "Video Nasty" auf, in der drei Teenager im Jahr 1985 eine unheimliche Reise ins englische Hinterland antreten. Die irisch-britisch-deutsche Gemeinschaftsarbeit ist Teil der 2022 von NDR, SWR und WDR ins Leben gerufenen Initiative "FabFiction", die das Ziel verfolgt, das Angebot der ARD Mediathek mit international koproduzierten High-End-Serien zu stärken. Unter dieser Marke entstanden unter anderem bereits die beiden Arbeiten  "Parlament" und  "Arcadia". Zu begrüßen ist das Programm schon deshalb, weil es hierzulande eher ungewöhnliche Genre-Cocktails erlaubt.

In "Video Nasty" soll die oben beschriebene Zeit der Zensur mit einer Coming-of-Age-Geschichte, Krimielementen, schwarzhumorigen Einschlägen und einer Hommage an die legendären Horrorfilme der 1970er- und 1980er-Jahre verschmolzen werden. Eine vielversprechende Idee, die bedauerlicherweise nur sporadisch das einlösen kann, was sie verspricht. Eine Vollkatastrophe liefern die Macher rund um Serienschöpfer Hugh Travers ( "The South Westerlies") sicher nicht ab. Nach Begutachtung der sechs rund halbstündigen Folgen muss man aber konstatieren, dass größtenteils Horrorstandards aufgewärmt und verrührt sowie um leidlich witzige Eskapaden ergänzt werden. Fast 30 Jahre nach Wes Cravens augenzwinkerndem Metaschocker  "Scream - Schrei!" ist das ein bisschen wenig.

Zoe (Leia Murphy) weiß nicht, wie ihr geschieht.
Zoe (Leia Murphy) weiß nicht, wie ihr geschieht.WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen

Zwei der insgesamt drei Protagonisten sind die leidenschaftlichen Horrorfans Billy (Justin Daniels Anene) und Con (Cal O'Driscoll), bei denen es sich, gemäß den ungeschriebenen Genregesetzen, um Außenseiter handelt. Begeistert sammeln die beiden Iren die verbotenen Filme und haben sich ein festes Regelkorsett für die Sichtung ebendieser auferlegt. Lediglich ein Titel fehlt den Freunden noch, dann ist ihre Kollektion komplett. Zum Verhängnis wird ihnen, dass sie sich für den Erwerb vorheriger Videos an der Stufenklasse bedient haben und nun, kurz vor der Abschlussfeier, besonders von einem Mitschüler Ärger fürchten müssen.

Nur gut, dass Billy einen Ausweg weiß. Bereits seit längerem steht er mit einer Engländerin in Kontakt, die seine Horrorpassion teilt und jenen noch fehlenden Film besitzen soll. Warum also nicht einfach aufbrechen, die Kassette holen und dann die ganze Sammlung zu Geld machen, um die geplünderte Kasse wieder aufzufüllen? Gemeinsam mit Con und dessen kratzbürstiger Schwester Zoe (Leia Murphy), der dritten Hauptfigur, reist er schließlich mitten ins Nirgendwo in Mittelengland, wie es in einer Texteinblendung heißt, die ironisch darauf anspielt, dass das Grauen im Horrorkino häufig in der tiefsten Provinz lauert.

Nicht anders ist es in diesem Fall. Vor Ort bereiten sich die Menschen auf eine traditionelle, an die Pestzeit erinnernde Zeremonie vor und laufen schon im Voraus mit schwarzen Umhängen und den aus dem Mittelalter bekannten Schnabelmasken durch die Gegend. Zu allem Überfluss kommt es auch noch zu einem Mord, der den drei irischen Besuchern angehängt wird. Schlechte Voraussetzungen also, um die Mission - Video einsacken und abkassieren - schnell hinter sich zu bringen.

TJ (Kevin McGahern) hat alles, was das Herz der Video-Nasties-Liebhaber begehrt.
TJ (Kevin McGahern) hat alles, was das Herz der Video-Nasties-Liebhaber begehrt.WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen

Zunächst einmal ist es positiv, dass die Serie keinen großen Leerlauf produziert. Angesichts der kompakten Episodenzeit muss das aber auch nicht verwundern. Die Hauptdarsteller, besonders Leia Murphy, sind mit dem nötigen Engagement dabei und sorgen für eine ordentliche Dynamik zwischen den Charakteren, die allerdings nicht sonderlich ausgefeilt daherkommen. Obwohl alle Drei eine persönliche Geschichte mit sich herumtragen, geht es emotional nie über das Mindestmaß hinaus. "Video Nasty" reißt Sorgen, Zweifel und Wünsche an, ohne sich ihnen eingehender zu widmen.

Trotz begrenzter finanzieller Mittel bemühen sich die Verantwortlichen, die Handlungszeit glaubhaft zum Leben zu erwecken. Neben dem gewaltsamen Nordirlandkonflikt schleicht sich auch Kritik an rassistischen Denkmustern in die Serie ein. Das Phänomen der Video Nasties wird über eine Montage unterschiedlicher Archivbilder gleich in der Auftaktfolge kurz erläutert. In Erinnerung bleibt dabei vor allem der amüsante Ausschnitt eines Mannes, der allen Ernstes darüber philosophiert, dass auch Hunde an den betreffenden Horrorfilmen Schaden nehmen könnten. Wie hysterisch es in der Debatte mitunter zuging, unterstreicht dieses Statement nur zu deutlich!

Eine Spiegelung erfährt die fast ins Fanatische kippende Aufregung im Plot von "Video Nasty", der spätestens mit der Ankunft in England tiefer in die Geschichte des Horrorgenres und seiner Motive eintaucht. Zu viel verraten wollen wir an dieser Stelle nicht. Sagen lässt sich jedoch, dass der eingangs schon erwähnte Terrorkinomeilenstein "The Texas Chainsaw Massacre" und Robin Hardys Schauerkuriosität  "The Wicker Man" als Inspirationsquellen ausgiebig Pate standen.

Hilft Con (Cal O'Driscoll) am Ende nur noch Beten?
Hilft Con (Cal O'Driscoll) am Ende nur noch Beten? WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen

An Zitaten mangelt es auch sonst wahrlich nicht. Irgendwie wirkt das Ganze aber meist eher halbgar. Statt Klischees aufzufahren und sie dann gewitzt zu brechen, begnügt sich die Serie häufig damit, Bekanntes abzuklappern. Ein Hinweis auf den Sexismus zahlreicher Werke bleibt da leider nur eine Randnotiz, ein Stichwort, das man pflichtschuldig abgehakt hat. Wie so oft spitzen sich die Ereignisse auch in der WDR-Koproduktion nur deshalb zu, weil sich die Figuren so dilettantisch wie möglich verhalten. Billy und Con mögen Genreliebhaber sein. Ihr "Wissen" nutzen sie allerdings erstaunlich wenig, begeben sich selbst dann in Gefahr, wenn überall rote Flaggen wehen. Exemplarisch ist der Moment, in dem sie das ersehnte letzte Tape in einer Location sichten, die düsterer und unheilvoller kaum sein könnte.

Der schwarze Humor, den der WDR in seiner Presseankündigung verspricht, entfaltet zu selten seine volle Wirkung. Manche komisch gemeinte Szenen sind zudem eintönig und enervierend. Ins Auge stechen in diesem Zusammenhang vor allem die das Geschehen ausbremsenden Kabbeleien zwischen Cons und Zoes Eltern (Valerie O'Connor und Declan Rodgers), die den Jugendlichen zusammen mit Billys Vater (Emmanuel Ighodaro) hinterhereilen.

Etwas irritierend ist nicht zuletzt, dass "Video Nasty" seinem Titel und einiger schräger Eskalationen zum Trotz mit angezogener Handbremse unterwegs ist. Soll heißen: Fast immer ist der über unsere Protagonisten hereinbrechende Schrecken schön sauber, also öffentlich-rechtlich kompatibel, arrangiert. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Für sinnloses Gemetzel plädieren wir an dieser Stelle nicht. Etwas härter, weniger handzahm hätte es aber durchaus zugehen dürfen. Zurückhaltung legt sich die Serie übrigens auch in der Musikuntermalung auf. Fast ein bisschen verschämt erklingen hier und da pulsierende elektronische Beats, wie man sie aus vielen 1980er-Jahre-Schockern kennt. Am Ende steht, wie es oben bereits anklingt, das Gefühl einer verpassten Chance. Ob man sich da auf einen Fortsetzung freuen soll? Eine Enthüllung und die letzte Einstellung, in der sich bei einer Hauptfigur eine spannende Entwicklung andeutet, bereiten dafür zumindest den Boden.

Dieser Text basiert auf der Sichtung aller sechs Folgen der Serie "Video Nasty".

Meine Wertung: 2.5/5

Alle sechs Episoden der Serie "Video Nasty" sind ab dem 23. Mai in der ARD Mediathek verfügbar. Die lineare Ausstrahlung erfolgt am 24. Mai ab 21.45 Uhr in One, wo alle Kapitel am Stück zu sehen sind.



 

Über den Autor

  • Christopher Diekhaus
Christopher Diekhaus, Jahrgang 1985, erlebte seine TV-Sozialisation in den 1990er-Jahren. Seine echte Liebe für den Flimmerkasten entbrannte allerdings erst gegen Ende der Schulzeit. Nach seinem Studium landete er zunächst in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma. Seit 2013 schreibt Christopher als Freiberufler Film- und Serienkritiken. Das Portal fernsehserien.de unterstützt er seit Ende 2019. Im Meer der Veröffentlichungen die Perlen zu entdecken – diese Aussicht spornt ihn immer wieder an. Insgeheim hofft er, irgendwann eines seiner in der Schublade liegenden Drehbücher zu verkaufen. Bis er den Oscar in Händen hält, sichtet und rezensiert er aber weiter fleißig die neuesten Serien.
Lieblingsserien: Devs, Lass es, Larry!, Severance

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