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Black-ish
(03.11.2014, 11.30 Uhr)
Mr. Johnson arbeitet in einer hippen Werbeagentur in Los Angeles, seine Frau ist Anästhesistin. Die Tochter pubertiert heftig, der Sohn fängt gerade erst damit an und interessiert sich sonst vor allem für die Fantasy-Welten eines J.R.R. Tolkien. Mr. Johnson hat auch noch zwei sechsjährige Zwillinge. Sie heißen Jack und Diane, wie in dem John-Mellencamp-Song. Die Johnsons bewohnen ein stattliches Haus in der Vorstadt, in der alles "Upper Middle Class" ruft, von den großen Autos bis zu den adretten Vorgärten. Gerne posiert die Familie stolz vor ihrem Eigenheim, und man weiß sofort: Wer keine existenziellen Sorgen hat, findet die Probleme in Identitätsfragen.
Die Johnsons sind die Protagonisten dieser neuen Comedyserie auf ABC, und wer bei dieser Darstellung reflexhaft an
Ausgedacht hat sich die Single-Camera-Serie (die auf die Mockumentary-Anteile von "Modern Family" allerdings verzichtet) der Produzent Kenya Barris, der bislang vor allem als Miterfinder des "Next Top Model"-Franchises bekannt geworden ist. Das macht skeptisch. Doch "Black-ish" ist auf zwei Ebenen hochinteressant. Erstens als Gegengewicht zur Mehrheit der US-amerikanischen Familien-Comedys, die sich 22 Jahre nach dem Ende der
Er selbst spürt die Grenzen der Correctness dagegen jeden Tag: In der Agentur soll er den weißen Kollegen regelmäßig erklären, wie schwarze Konsumenten angesprochen werden wollen. Der Chef ernennt ihn nicht, wie gedacht, zum Senior Vice President, sondern bloß zum Senior Vice President einer neuen "Urban Division", also einer Abteilung, die sich um die (vermeintlichen) Interessen der schwarzen Bevölkerung kümmern soll ("urban" ist hier eine aus der Popmusik übernommene Bequemlichkeitskategorie für alles, was man "black culture" nennen könnte). Und die Kollegen sprechen Dre pausenlos in schwarzem Ghetto-Slang an - eine schwer zu entwirrende Mischung aus Verhöhnung und Anbiederung, bei der die Grenze zwischen positivem und negativem Rassismus fließend ist. Rassismus bleibt es.
"Black-ish" balanciert in den ersten Folgen geschickt auf dieser Linie zwischen Alltagsrassismus und Identitätsfragen. Einerseits begegnet Dre den Abgrenzungsbestrebungen der weißen Belegschaftsmehrheit, andererseits sorgt er sich darum, dass seine Familie den Bezug zur schwarzen Kultur verliert - was einmal sogar dazu führt, dass er sich und seinen Sohn in traditionelle afrikanische Kleidung steckt. Für diese Art Überkompensation hat Dres Vater Pops, der auch im Haus wohnt und dort vor allem als sarkastischer Kommentator fungiert, nur Spott übrig: "Dre, wir sind Schwarze, keine Afrikaner. Die mögen uns dort nicht einmal."
Kenya Barris hat einen wunderbaren Cast gefunden, um diese Mischung aus Selbstironie und Gesellschaftssatire zu transportieren: Auf seinen Dre - bislang eindeutig die Hauptfigur der Show - passt Anthony Anderson ("Hustle & Flow") wie die Faust aufs Auge. Nur manchmal dreht der Comedian ein wenig zu weit auf in Richtung Sketchshow - ansonsten ist er von der ersten Szene an der Sympath, den es braucht, um einer Comedyserie von Anfang an Leben einzuhauchen. Als seine Frau - "mixed race" - glänzt Tracee Ellis Ross (
Das Verhältnis Rainbow/Dre erinnert tatsächlich nicht wenig an ihre Sendeplatzvorgänger Claire und Phil Dunphy: Der Ehemann, der permanent an seine Grenzen als Männlichkeitsvorbild stößt, und seine Frau, die mit Pragmatismus trumpft, aber eigene Unzulänglichkeiten nicht verbergen kann. Andre Jr. (Marcus Scribner) entwickelt sich zum Leidwesen seines Vaters zum Schulstreber mit Interesse für alles Weiße - doch natürlich muss Daddy bald einsehen, dass der Sohn auch ohne Basketballvorliebe seinen Weg machen wird: "Nerd is the new black", heißt es einmal als netter Querverweis auf eine gänzlich anders gelagerte Serie. Und die beiden kleinen Zwillinge? Die treten bislang (gespielt von Miles Brown und Marsai Martin, zwei echten Entdeckungen) als niedliche Mini-Ausgaben von Waldorf und Statler auf, die frech die Irrsinnigkeiten der Älteren nachspielen. Sie sind dabei fast so sarkastisch wie ihr Großvater: Koproduzent und "Matrix"-Star Laurence Fishburne spielt Dres Vater (obgleich nur neun Jahre älter als Anderson) mit viel Lust an den drei, vier übelgelaunten Onelinern, die er pro Folge in die Runde werfen darf.
Der Witz von "Black-ish" zündet und doch stellt sich bereits ab Folge 2 ein wenig Ernüchterung ein. Der gesellschaftliche Fokus der Pilotepisode verschwindet zwar nicht und ist nach wie vor für bissige Bemerkungen und Randbeobachtungen gut, doch er weicht merklich zurück, um sattsam bekannten Stereotypen des Comedygewerbes Platz zu machen. Die awkwardness von Gesprächen über Sex zwischen Vater und Sohn, sonderbare Kollegen am Arbeitsplatz, ein aus dem Ruder laufendes Abendessen und so weiter. Das ist lustig inszeniert, aber leider überhaupt nicht neu und vor allem: viel näher dran an der "Cosby Show" als an den eigentlich interessanten Aspekten der Serie.
Diese vermittelt doch eigentlich schon der Titel: "-ish" ist in der englischen und amerikanischen Umgangssprache seit Jahren ein gängiges Suffix, dass immer dann angefügt wird, wenn etwas nicht "genau so" ist, sondern nur "so ähnlich wie". Die Johnsons sind zwar schwarz, aber eigentlich dann doch bloß "so ähnlich wie" schwarz, da es nur noch die Hautfarbe ist, die sie als schwarz definiert, keineswegs aber eine gelebte Kultur, die man gemeinhin stereotyp als schwarz identifizieren würde. Dieses Ungefähre, dieses Relativierende ist der interessante Kern, um den die Serie kreist. Wenn sich Barris und ihre Autoren darauf besinnen, könnte "Black-ish" auf Dauer mehr werden als nur eine solide Familien-Comedy unter vielen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden der Serie.
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: ABC Studios
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