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Bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts hat sie kein Mensch beachtet, die kleinen Häuser mit den hohen runden Dächern in Apulien. Die Trulli waren Häuser armer Leute auf dem Land. Jetzt sind sie ein "Monumento nazionale" und gehören zum Welterbe der Unesco. Aus gutem Grund, denn was auf den ersten Blick nur putzig erscheint, erweist sich als eine klug durchdachte Architektur von hoher Kunstfertigkeit. Ohne Mörtel wurden hohe Gewölbe aus Steinquadern geformt, die an mykenische Schatzhäuser erinnern. Die hohen Kegeldächer waren Vorratsspeicher für den Schatz der Bauern, das Getreide. Außen wurden sie zum Schutz vor dem Regen, schuppenartig mit einem Kranz von Bruchsteinplatten belegt. Das gibt den Trulli ihr charakteristisches Aussehen. Unter dem Speicherkegel: Der Wohnraum der Menschen und auch der Stall für ihr Vieh. Mensch und Tier unter einem Dach - und wenn Nachwuchs kam, wurde direkt neben dem alten Trulli ein neuer gebaut, eine Wand wurde durchgebrochen -, je mehr Kegel, desto größer die Familie, umso wohlhabender der Bauer. 1950 bezeichnete man sie als "nationale Schande", 40 Jahre später als einmaliges Beispiel einer Siedlung, "die sich in perfekter Harmonie mit dem Ökosystem" über Jahrtausende entwickelte. Die süditalienischen "Sassi di Matera" bestehen aus Höhlen, Brunnen und einem ausgefeiltes Bewässerungssystem aus der Bronzezeit. Die erste Besiedlung gab es schon in der Steinzeit, und alle Epochen und Kulturen haben ihre Spuren hinterlassen. Traurige Berühmtheit erlangten die Sassi mit dem Roman von Carlo Levi "Christus kam nur bis Eboli". Hier lebten Mensch und Tier in fensterlosen Höhlen, ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Sie erinnern sich noch, die Menschen, die jetzt in gekachelten, geheizten Wohnungen sitzen. Erinnern sich an die Entbehrungen, an den Ort ohne Straße, aber auch an das einzigartige Zusammenleben. In Nachbarschaften "vicinati" genannt, bedingt durch den Zugang zum Wasser. Erinnern sich der Höhlen, Höfe, Wasserläufe, Dachgärten und Felskirchen, ein Lebensraum in Harmonie mit der rauen Landschaft.
(SWR)
Länge: ca. 30 min.