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TV-Kritik/Review: Emerald City

Freie "Zauberer von Oz"-Neuinterpretation enttäuscht - von Gian-Philip Andreas
(30.01.2017)

Das umfangreiche Ensemble von "Emerald City", der freien "Zauberer von Oz"-Neuinterpretation
Das umfangreiche Ensemble von "Emerald City", der freien "Zauberer von Oz"-Neuinterpretation


Beim "Zauberer von Oz" denken die meisten vor allem an den Technicolor-Filmklassiker von 1939 und alles, was daraus bis heute Kult ist: die quietschbunten Farben und Judy Garland, die unsterblichen Songs von "Somewhere Over The Rainbow" bis "Ding Dong The Witch Is Dead", man denkt an Löwe, Blechmann, Vogelscheuche, an gute und liebe Hexen und an die gute Laune, die das alles verbreitet. Die Kinderromane von L. Frank Baum, auf denen der Film basiert, sind in deutschprachigen Ländern dagegen weit weniger bekannt als im angelsächsischen Raum, wo sie jedes Kind kennt. Nach dem ersten Buch, "The Wonderful Wizard of Oz" (erschienen 1900), schrieb Baum noch dreizehn weitere; ein ganzes Universum autorisierter wie nicht autorisierter Fortschreibungen durch andere Autoren hat sich seither hinzugesellt.

Insofern war es keine völlig abwegige Idee, dieses literarische "world building" mal wieder neu zu adaptieren. Versuche in diese Richtung gab es zwar immer wieder mal, als Mehrteiler ( "Tin Man - Kampf um den Smaragd des Lichts" mit Zooey Deschanel, 2007) oder Trickserie, aber meistens ging es schief: Das Kino-Musical "The Wiz" floppte 1978 ebenso brachial wie 2013 "Die fantastische Welt von Oz" mit James Franco. Nur die Verfremdungen überzeugten: neben David Lynchs Roadmovie "Wild at Heart", das sich als dunkle Gegenerzählung der alten Kinoversion lesen lässt, vor allem "The Muppets' Wizard of Oz", 2005 für ABC entstanden: Miss Piggy spielt die Hexen, Jeffrey "Transparent" Tambor den Zauberer - und Quentin Tarantino höchstselbst schaltet sich mit absurden Regievorschlägen ein.

Dagegen muss  "Emerald City" ja zwangsläufig verblassen. NBC will damit nicht nur den Oz-Mythos reanimieren, sondern auch Fantasy nach  "Game of Thrones"-Manier ins Programm hieven. Das ist bemüht - und ging auch nicht so leicht von der Hand wie erhofft: Die Serie, konzipiert von Matthew Arnold und Josh Friedman ( "Terminator: Sarah Connor Chronicles") war schon für vorletztes Jahr angekündigt, wurde dann gecancelt und, nach Friedmans Rauswurf, doch noch weitergeführt. Was jetzt zu sehen ist, sieht sehr schick aus, enttäuscht aber mit flachen Figuren, halbgarer Mythenspielerei und sträflicher Humorlosigkeit. Fast wünschte man sich da die Tongue-in-Cheek-Selbstironie anderer serieller Märchenupdates ( "Once Upon a Time") zurück.

Dorothy Gale ist hier kein rotwangig vor sich hin singendes Mädchen, sondern eine Krankenschwester Anfang zwanzig, gespielt von Adria Arjona, die in der zweiten  "True Detective"-Staffel als Freundin von Taylor Kitsch zu sehen war. Die ersten Szenen spielen, wie im Kinofilm, noch in unserer Welt: Dorothy wird eingeführt als taffe junge Frau, die im Krankenhaus Pillen klaut für die Tante, bei der sie aufwuchs. Es dauert trotzdem keine fünf Minuten, ehe sie vor einem herannahenden Tornado in einem herumstehenden Polizeiauto Schutz sucht - und, samt Polizeihund Toto, per Windstoß aus Kansas nach Oz geschleudert wird. Ein bisschen Mystery gibt's als Klammer: Da geht es um Dorothys leibliche Mutter (Gina Bellman,  "Leverage"), die ihre Tochter nach 20 Jahren erstmals wieder kontaktiert, nun aber Opfer eines Verbrechens geworden zu sein scheint. Doch da kommt bereits der Sturm.

Adria Arjona als Dorothy Gale
Adria Arjona als Dorothy Gale

Oz präsentiert sich nun ungefähr so, als hätten die Macher die Location Scouts von "Game of Thrones", "Der Hobbit" und  "Vikings" gebeten, ihnen für die Dreharbeiten einen Best-Of-Parcours zusammenzustellen: weite Steppe, zerklüftete Berge, idyllische Seen, mal verschneit, mal herbstlich karg, mal mediterran. Gedreht wurde in Spanien, Ungarn und (wie in den alten Karl-May-Filmen) in Kroatien, tatsächlich kommt in manchen Panorama Shots "Winnetou"-Gefühl auf. Aber natürlich ist die Optik state-of-the-art, der Look beeindruckend. Bei allen zehn Episoden der ersten Staffel stand Tarsem Singh hinter der Kamera, ein aus dem Werbe- und Videoclip-Bereich kommender Regisseur, der in seinen Kinofilmen (darunter "The Cell", "The Fall" und "Spieglein Spieglein") für märchenhafte visuelle Opulenz steht, dabei stets aber auch unter verschärftem "Style Over Substance"-Verdacht geriet. Auch hier sieht jedes Bild aus wie gemalt, die Farbpaletten sind erlesen. Vor erdigen Hintergründen knallen die Primärfarben umso effektiver, etwa das Rot im Flatterdress der bösen Hexe aus dem Osten, die Dorothy gleich zu Beginn mit ihrem Auto totgefahren zu haben scheint.

Dorothys Weg ins Land mit den zwei Monden führt sie zu den Munchkins, die hier keine lustigen, singenden Zwerge sind, sondern ein indiger Stamm, der Tanzrituale veranstaltet und Dorothy einem zünftigen Waterboarding unterzieht. Statt roter Schuhe gibt es hier rubinbesetzte Handschuhe, und in Oz gibt es auch keine Yellow Brick Road, sondern einen Pfad, der aus ungezählten gelben Mohnpollen mit psychedelischer Wirkung besteht. Wer den "Zauberer von Oz" schon immer für einen ausbuchstabierten Drogentraum hielt: Hier liegt ein Erklärungsansatz.

Am Wegesrand findet Dorothy dann einen ans Kreuz getackerten Schönling (Oliver Jackson-Cohen, der Jonathan Harker aus dem kurzlebigen NBC- "Dracula"): Diese Jesusfigur, an der schon die Krähen nagen, ist natürlich das Update der guten alten Vogelscheuche, sie wird hier allerdings Lucas getauft (nach Dorothys Heimatkaff, denn "Lucas is home"), mit moderner Heilkraft aufgepäppelt und dient zudem als potenzielles Love Interest. Mal sehen, ob und wenn ja, in welcher Form Löwe und Blechmann noch auftauchen. Aber nicht nur die Figuren des ersten Romans tauchen auf: Auch Jack Pumpkinhead ist mit von der Partie (ohne Kürbiskopf: Gerran Howell), und im Haus einer Apothekerhexe darbt der Junge Pip, von dem Buchleser wissen, dass es sich bei ihm um die verzauberte Prinzessin Ozma handelt, deren Gender-Fluidität Darstellerin Jordan Loughran ( "Evermoor") hier mit fragwürdiger Perücke und am Computer weggerechneten Brüsten recht unzureichend zu vermitteln in der Lage ist.

Apropos fragwürdige Perücke: Eine solche (und einen lausigen Anklebebart) trägt auch  "Criminal Intent"-Star Vincent D'Onofrio als Zauberer von Oz. Er haust in Emerald City, der Hauptstadt des Landes, die, aus Vogelperspektive überflogen, denkbar aufdringlich an King's Landing und Meereen aus "Game of Thrones" erinnern soll. Die fliegenden Affen aus den Baum-Büchern tuckern dort in Drohnenform durch die Luft, wie auch allerlei retro-mechanisches Gerät für viel Steampunk-Deko sorgt. Der Zauberer hat der Magie abgeschworen und sich der Wissenschaft zugewandt, den letzten "Kardinalhexen" zudem das Hexen verboten: "West", die Hexe des Westens (Ana Ularu, "Periferic"), führt als dauerberauschte Bordellchefin ein zynisches Lotterleben, während die Hexe des Nordens a.k.a. Glinda (Joely Richardson aus  "Nip/Tuck") in polarer Umgebung ein Kinderheim leitet und ansonsten eine frostige Dauerfrustation kultiviert - und topmodische Gesichtsvorhänge aus Eislametta trägt. Untereinander sind sich die Hexen nicht grün, doch immerhin: Der von Fantasiesprachen bemurmelte eurythmische Ausdruckstanz, in den "West" zwischendurch verfällt, kann sich sehen lassen.

Das mit dem "Sehenlassen" ist indes das größte Problem von "Emerald City": Schaustück an Schaustück reihen Singh und sein virtuoser Stammkameramann Colin Watkinson hier aneinander, doch zu echtem Leben erwacht hier nichts. Selten hat es eine Dorothy gegeben, die einem so egal war. Nicht an Adria Arjona liegt das, sondern am leeren Zentrum dieser Figur: Dorothy handelt nie aus sich selbst heraus, sie wirkt fast passiv. Als Protagonisten annoncierte Charaktere wie Ritter Eamonn (Mido Hamada,  "The Path to 9/11 - Wege des Terrors") oder Isabel Lucas ("Red Dawn") als Zaubererzofe werden schlampig eingeführt und dann unterbeschäftigt. Am problematischsten aber: Der Versuch, die märchenhaft-kindliche Vorlage in ein dunkelromantisches Untergangs-Epos umzudichten, gerät so prätentiös und bierernst, dass es schon unfreiwillig komisch wird - mit gruseligen Schlammlöchern, die als Hexengefängnis dienen, blutigen Intermezzi und raunendem Dauergerede vom garstigen "Beast Forever", das über das Land zu kommen droht wie anderswo der Winter mit seinen White Walkers.

Schon die ersten Episoden machen jedenfalls ratlos: Wird es den Autoren noch gelingen, Interesse für diese Story zu wecken? Oder verkommt alles zum drögen Suchspiel für Oz-Anspielungsspezis? Am ehesten noch hätte D'Onofrio als Zauberer das Zeug zu einer Serienfigur aus Fleisch und Blut: Wenn er erst eine feurige Motivationsrede im Kampf gegen den faulen Zauber hält und dann im privaten Kämmerlein leeren Blickes die Perücke vom kahlen Kopf zieht, klafft momentweise ein tragischer persönlicher Abgrund auf. Doch fast scheint es so, als würden sich die Macher weniger für solche Tiefenschichten interessieren als Zuschauer mit Lust auf Neudeutungen altbekannter Geschichten.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Emerald City".

Meine Wertung: 2.5/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: NBC/Michael Muller


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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