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TV-Kritik/Review: Fargo

TV-Kritik zur Serienadaption des Kinoklassikers - von Gian-Philip Andreas
(19.05.2014)

Die Serienadaption des Kinohits "Fargo" atmet den Geist der Vorlage, erzählt jedoch eine neue Story.
Die Serienadaption des Kinohits "Fargo" atmet den Geist der Vorlage, erzählt jedoch eine neue Story.


Schon wieder eine Fernsehserie, die auf einem Kinofilm basiert? Machen es die Sender jetzt Hollywood nach? Setzen sie, anstatt Originäres zu erfinden, bald nur noch auf bewährte Stoffe? Nun, ein neues  "Breaking Bad" fällt nicht jede Saison aus dem Pilotfilmhimmel, und solange so liebevoll mit einer Originalvorlage umgegangen wird wie es jetzt FX mit dem Kult-Kinofilm "Fargo" geglückt ist, sollten wir damit leben können.

Anders als etwa  "Bates Motel", das sich ins Vorleben von "Psycho"-Protagonist Norman Bates und seiner Mutter einklinkt, und anders als  "From Dusk Till Dawn: The Series", das die Handlung des zugrunde liegenden Kinofilms auf zehn Stunden Länge auswalzt und im Wesentlichen wie ein Re-Enactment funktioniert, erzählt  "Fargo" eine gänzlich neue Story, die sich in Stil und Atmosphäre allerdings überraschend kongenial am Original orientiert.

Zur Erinnerung: "Fargo" war - neben "The Big Lebowski" - der größte Neunziger-Jahre-Hit der Regie-Brüder Coen. Die beiden bekamen für ihr Drehbuch damals ebenso den 'Oscar' wie Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin. McDormand spielte eine hochschwangere Polizistin mit sonnigem Gemüt, die einen makabren Entführungsfall im tief verschneiten Minnesota quasi im Alleingang aufklärte. Auch William H. Macy wurde durch "Fargo" bekannt: Er war der verschuldete, hypernervöse, von seiner Frau gegängelte Autohausleiter, der durch eine Erpressung eine Verkettung blutiger Umstände in Gang brachte, deren Handhabung er in keiner Weise gewachsen war.

In "Fargo", der Serie, ausführend produziert von den Coens selbst und entworfen vom Krimikomödien-Spezialisten Noah Hawley ( "Bones - Die Knochenjägerin"), kommen nun weder die Figuren noch die Hauptdarsteller von damals vor, und doch atmen die Folgen exakt den Geist des Films. Alles ist wieder da: der Schnee im provinziellen Minnesota, die skandinavischen Namen, der merkwürdige Dialekt, die klobigen Funktionsjacken - und natürlich die Blutfontänen, die den wiederum lustvoll makabren Plot würzen. Sogar die Charaktere gleichen ihren Kinofilm-Vorgängern: Erneut ist eine Polizistin dabei, die von ihrer Umgebung nicht für voll genommen wird und dennoch die Einzige ist, die durchblickt. Wieder gibt es den Nervösling, der von der Ehefrau, seinem erfolgreicheren jüngeren Bruder und allen anderen gedemütigt wird und sich dann, halb im Versehen, auf die dunkle Seite verirrt: Lester Nygaard arbeitet nicht im Autohaus, sondern als Versicherungsmakler und ist, zwischen Stammeln und Zurückschlagen, eine echte Paraderolle für Martin "Der Hobbit" Freeman. Auch eine Schwangere ist wieder dabei.

Brilliert als Auftragskiller Lorne Malvo: Billy Bob Thornton.
Brilliert als Auftragskiller Lorne Malvo: Billy Bob Thornton.

Zentrale Figur des Plots ist jedoch Lorne Malvo, ein Einzelgänger, von dem man eingangs noch nicht weiß, ob es sich bei ihm um einen Auftragskiller, einen  "Ray Donovan"-mäßigen Cleaner oder gar um den Teufel selbst handeln mag. Seine Idealverkörperung: Billy Bob Thornton. Der 'Oscar'-Preisträger mit Provinzkrimi-Erfahrung ("Ein einfacher Plan" von Sam Raimi) spielt diesen Malvo nämlich mit begnadet maliziösem Minimalismus, superentschleunigt und eben deshalb unberechenbar. Gerade wenn er sich fast gütig gibt, blitzen seine Augen (unter einem fast, aber dann doch nicht albernen Pony) brandgefährlich. Obwohl er im Auftrag Dritter handelt, folgt er, mit teils sadistischer Freude am manipulativen Spiel, stets seiner eigenen Agenda. In Windeseile entwickelt er sich damit (neben Javier Bardems Anton Chigurh aus "No Country for Old Men", einem anderen Coen-Meisterstück) zu einer der eindringlichsten Killerfiguren der letzten Jahre. Ich prophezeie mal: Das wird Preise regnen.

Die Handlung folgt angeblich - so wird es zu Beginn jeder Episode eingeblendet - wahren Geschehnissen aus dem Jahr 2006. Wenn dem aber wirklich so ist, ist man geneigt, das ländliche Minnesota in Zukunft weiträumig zu meiden. Der Plot spielt nicht in Fargo selbst, das an der Grenze zu North Dakota liegt, sondern 130 Meilen weiter nordöstlich in Bemidji. Dort rast Malvo eines Nachts in eine Herde Rehe, sein Auto crasht, und aus dem Kofferraum flüchtet ein nackter Mann - offenbar das Opfer von Malvos jüngstem "Auftrag" - in die eisige Weite. Überleben wird der das nicht. Im Wartesaal des örtlichen Krankenhauses trifft Malvo zufällig auf Nygaard, der sich bei einem Aufeinandertreffen mit seinem ehemaligen High-School-Peiniger Sam Hess vor Schreck selbst die Nase brach. "Ich hätte den Kerl umgebracht", raunt Malvo dem Hänfling verführerisch zu. "Soll ich es für dich tun?" Kurze Zeit später ist Hess ebenso tot wie Nygaards unzufriedene Frau sowie der örtliche Polizeichef Thurman, und die Gewaltspirale hat jede Menge Schwung aufgenommen.

Deputy Molly Solverson (tolle Newcomerin: Allison Tolman), die Thurman als Mentor verehrte, ermittelt in den diversen Todesfällen, verdächtigt bald Lester und widersetzt sich damit ihrem neuen Chef Bill Oswalt, den Bob Odenkirk (Saul aus "Breaking Bad") bewährt lustig als hemdsärmeligen Sesselfurzer gibt. Gegen Ende der Pilotfolge stößt dann noch Streifenpolizist Gus Grimly (Colin Hanks) zum Cast: Er schiebt Dienst im 150 Meilen östlich von Bemidji am Oberen See gelegenen Duluth, hat eine zwölfjährige Tochter (Joey King), mit der er meist über den Polizeifunk kommuniziert, und er hat ein denkwürdiges Highway-Erlebnis mit Malvo, der mit Lesters Wagen unterwegs ist. Damit wird Grimly zum Bindeglied zwischen Duluth und Bemidji bei den Ermittlungen und wohl - Episode drei deutet es an - fortan an Mollys Seite stehen. Vielleicht nicht nur beruflich.

Sowohl als schwarze Typenkomödie wie auch als blutiger Thriller funktioniert "Fargo" hervorragend. Die nur scheinbar naive Gutherzigkeit Mollys und Grimlys steht der Skrupellosigkeit Malvos antagonistisch entgegen, dazwischen befindet sich Lester, der als bedauernswerter Versager eingeführt wird, dann aber nach einer halben Stunde in seinem mit Kalendersprüchen zugeklebten Durchschnittshaus zum Mörder wird, ohne dass man als Zuschauer mit Verlässlichkeit wüsste, ob es sich bei ihm um einen Verbrecher aus Ungeschicklichkeit oder um einen verkappten Psychotiker handelt. Das hat eine wunderbar vielschichtige Dramaturgie widerstreitender Interessen zur Folge: Man fiebert bei den einfallsreichen Winkelzügen Malvos ebenso mit wie bei den Ermittlungen der Polizisten und bei den Versuchen Lesters, nicht als Mörder aufzufliegen. Derweil verselbständigen sich die Dinge, denn das organisierte Verbrechen schaltet sich ein. Finstere Killer reisen aus Fargo an, da sie hinter dem Mord an Hess ein gegnerisches Syndikat vermuten. Schon bald werden (falsche) Verdächtige im Eis versenkt - gemeinerweise zu Eden Ahbez' großer Hippie-Ballade "Full Moon".

Die Skurrilität des Kinofilms wird auch durch gut konzipierte Nebenfiguren herübergerettet: Oliver Platt etwa glänzt als Supermarktzampano, der erpresst wird und Malvo anheuert - wobei dieser bald die Seite wechselt und den Auftraggeber mit Psychopillen und Schweineblut irre macht. Nicht weniger Spaß machen  "Grey's Anatomy"-Ärztin Kate Walsh als frustrierte Ehefrau und  "It's Always Sunny in Philadelphia"-Spaßvogel Glenn Howerton als Fitnesstrainer mit Kosmetikbräune. Die schon dem Kinofilm attestierte Nähe zum verwandt-absurden Kleinstadtszenario von  "Twin Peaks" stellt sich ebenfalls wieder ein - durch jede Menge Diner-Szenen (mit "Nashville"-Legende Keith Carradine als Koch) und Cool-Jazz-Bassläufe auf dem Soundtrack. Mit vielen gleitenden Kamerabewegungen und stimmungsvollen Schneepanoramen ist "Fargo" überdies ausnehmend schön inszeniert. Bei den ersten Folgen hatte etwa "Breaking Bad"-Regisseur Adam Bernstein die künstlerische Leitung.

Eine lange Rückblende zu Beginn der dritten Episode deutet an, dass im Plot auch Sprünge im Raum-Zeit-Kontinuum möglich sind, weshalb abzuwarten bleibt, ob die Serie inhaltlich vielleicht doch direkt noch an den Film anknüpfen wird. Damals vergrub Steve Buscemi an einem gottverlassenen Zaun im Fargoer Umland einen Koffer mit einer Million Dollar - der dort heute noch zu finden sein müsste. In David Zellners Indie-Film "Kumiko, the Treasure Hunter" hat sich jüngst "Pacific Rim"-Star Rinko Kikuchi in schöner Verquickung diverser Filmrealitäten auf die Suche danach begeben - erfolglos natürlich. Aber wie schön wäre es, wenn Lorne Malvo davon erführe!

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Fargo".

Meine Wertung: 4.5/5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: FX


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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