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TV-Kritik/Review: Hemlock Grove

TV-Kritik zum Horrortrash von Eli Roth - von Gian-Philip Andreas
(12.06.2013)

Morde in Hemlock Grove. Hat die Familie von Roman (Bill Skarsgard, l.) was damit zun tun? Auch die Rumanciks (Lili Taylor und Landon Liboiron, r.) stehen unter Verdacht.
Morde in Hemlock Grove. Hat die Familie von Roman (Bill Skarsgard, l.) was damit zun tun? Auch die Rumanciks (Lili Taylor und Landon Liboiron, r.) stehen unter Verdacht.


Im ersten Bild: ein Eis. In der Hand gehalten wird das Eis von einem Upir: Er heißt Roman und sieht aus wie ein attraktives, blasiertes High-School-Kid. Was ist ein Upir? Keine Ahnung, erklärt wird es nicht. Ich schätze mal: ein Vampir. Während also Roman das Eis in der Hand hält, in einem Candy Shop im Stil der 1950er Jahre, zoomt die Kamera langsam an ihn heran. Das wirkt sehr surreal. Nach fünf Sekunden weiß man dann, was  "Hemlock Grove" gerne wäre: verstörend und abseitig. Letzteres stimmt, doch über Ersteres bin ich mir nicht sicher. Vielmehr scheint es, als könne sich diese nach  "House of Cards" zweite exklusiv für Netflix produzierte Serie nicht entscheiden, was sie sein will: Horror? Krimi? Absurde Komödie? Alles davon wäre ihr nicht gelungen. Ein Unikum, immerhin, das ist sie.

Produzent Eli Roth, der auch die Pilotfolge inszenierte, kennt man als treibende Kraft des Torture-Porn-Kinotrends ("Hostel") und auch als Darsteller in Tarantinos "Inglourious Basterds". Wer die ersten Folgen von "Hemlock Grove" sieht, wird von ungläubigem Staunen ins entnervte Ächzen verfallen und wieder zurück. Wird sich hier an  "Twin Peaks" orientiert, worauf schon der Titel hindeutet, der sich auf den Spielort der Serie bezieht, ein fiktives Stahlstädtchen in Pennsylvania? Oder handelt es sich hier um ein Mash-Up der ewigen "Twilight"-Dichotomie aus Werwölfen und Vampiren? Mit Sex und Blut und übersinnlichem Tralala, genau so wie in  "True Blood"?

Zurück zunächst zu Roman, dem Upir. Blasierter Teenie, surreal kadriert. Gespielt wird er vom jungen Schweden Bill Skarsgard, Bruder des "True Blood"-Mimen Alexander Skarsg?rd. Ohne das Eis fertiggeschleckt zu haben, folgt er einer jungen Prostituierten, und bald schon treibt er es mit ihr in seinem schicken Retro-Cabrio. Nach 30 Sekunden hüpfen die ersten Brüste durchs David Lynch-artig eingerichtete Bild. Während dieser Nummer schneidet sich Roman mutwillig in den Finger und beschmiert die Penetrierte mit seinem Blut: "You're so weird, Roman, but I like it!" Damit spricht die Frau den ersten albernen Oneliner von sehr vielen, die noch kommen werden - Dialoge fürs Beknackten-Poesiealbum. Die Blut-Nummer scheint übrigens ein Fetisch von Roman zu sein: Später wird er einmal einer menstruierenden Mitschülerin aufs Klo folgen, um sie dort oral zu befriedigen.

Doch vor dem Nachtisch kommt's heftig: Eine Cheerleaderin namens Brooke Bluebell (ganz klar eine Laura-Palmer-Figur) turnt auf dem Football-Feld herum, kurz darauf schäkert sie im Unterricht mit der Physiklehrerin. Die Lehrkraft lädt sie zu sich ein. Auf dem Weg zum T?te-?-T?te rummst dann etwas Gewaltiges in Bluebells Auto - und kurz darauf liegt die junge Schöne ausgeweidet in einem Spielplatzhäuschen; notiert wird, dass der Täter - ein furchtbares Tier? - zunächst ihr Geschlecht wegfraß. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass das Frauenbild von "Hemlock Grove" fragwürdig ist: Zwischen Femme Fatale und Freak tut sich nicht viel. Von der Anfangsnackten und der lehrenden Lesbierin ist im weiteren Handlungsverlauf übrigens keine Rede mehr - Wegwerffiguren dieser Art sind in dieser Serie wie Sand am Meer vorhanden.

Blutdurstige Mutter: Olivia Godfrey (Famke Janssen)
Blutdurstige Mutter: Olivia Godfrey (Famke Janssen)

Der Mord wird nicht der letzte sein - Zeit also für einen Blick aufs übrige Personal. Da sind zunächst die superreichen Godfreys, ein inzestuös verbandelter Familienclan, dem das Städtchen Hemlock Grove quasi gehört. Wenn sie einen Vergnügungspark für sich alleine mieten wollen, dann tun sie das einfach. Ein wolkenhoher Pharma-Turm reckt sich computergeneriert aus dem Provinzkaff empor, die Godfrey-Firma betreibt darin mysteriöse Experimente. Ob der brabbelnde Mann etwas damit zu tun hat, der in Folge zwei durchs Dickicht streift? Vielleicht. Die eingeheiratete Chefin der Firma heißt Olivia und wird mit wogendem Korsett und vampireskem Blitzen in den Augen vom früheren Bond-Girl Famke Janssen gespielt. Sie ist die allein erziehende Mutter von Roman und hat offenbar was mit ihrem Knaben vor. Dessen Vater brachte sie einst, wie eine ungeschickt früh eingestreute Rückblende enthüllt, eigenhändig um. Eine angeblich immer noch geheime Sex-Affäre hat sie mit ihrem Schwager, dem permanent seine Intellekto-Brille zwirbelnden Psychiater Dr. Norman Godfrey, gespielt von Dougray Scott, den man (etwa in  "Desperate Housewives") schon deutlich besser gesehen hat. Zugestanden: Er hat wirklich hölzerne Textzeilen zu bewältigen. Norman ist verheiratet und hat eine Tochter, die schwanger ist und fest davon überzeugt ist, dies von einem Engel zu sein. Eine unbefleckte Empfängnis? Verdächtigerweise sieht ihre Engelsvision aus wie ihr Cousin Roman. Des Weiteren treten auf: Romans merkwürdige, dauerschnaufende, zwei Meter hohe Schwester mit Perücke und Zyklopen-Auge, ein rabiater Pharma-Wissenschaftler, der ermittelnde Sheriff sowie die blässliche Schülerin Christina (Freya Tingley in einem Part, den früher mal Christina Ricci hätte übernehmen können), die in jeder ihrer Szenen verkünden muss, sie sei an den Motiven anderer Menschen interessiert, da sie Schriftstellerin werden wolle.

Und dann kommt fahrendes Volk in die Stadt! Auch das Zigeunerbild von "Hemlock Grove" ist unzweifelhaft zweifelhaft. Mutter Rumancik (Lili Taylor,  "Six Feet Under") und Sohn Peter (Landon Liboiron, ein Robert Pattinson-Epigone) kommen von wer-weiß-woher, ziehen in einen Trailer am Waldrand und trinken viel: Das ist nur der Anfang einer ganzen Reihe Ziganismus-Klischees. Von Anfang an geht das Gerücht, der dunkelhaarige Junge und neue Mitschüler müsse als Zigeuner doch bestimmt ein Werwolf sein. Fast schon ist man empört über derartige Anschuldigungen, als man erfährt: Potzblitz, Peter ist tatsächlich ein Werwolf! Schon in der zweiten Folge steht er splitternackt vor Roman im Wald, als ihm die Augen aus dem Kopf platzen und sich eine Wolfsschnauze von innen durch sein Gesicht frisst, nur um kurz darauf die abgeplatzten Hautteile seines menschlichen Ichs aufzufressen. Warum das? Keine Ahnung - es bleibt genauso rätselhaft wie die Szene, in der Christina eine vermeintliche Latexleiche mitten im Wald auf den Mund küsst, um erst dann zu merken, dass diese echt ist.

Roman und Peter - zwei Außenseiter mit Geheimnis - haben sich am Ende der Pilotfolge als Protagonisten der wirren Story etabliert. Es ist wohl der Haupthandlungsstrang: Gemeinsam suchen die beiden den Mörder, der vielleicht ein "Vargulf" ist, eine Art mutierter Werwolf, vielleicht aber auch was ganz anderes. Beide schmachten sich dabei derart an, dass es schwerfällt, die homoerotischen Subtexte nicht als Absicht der Autoren abzutun. Wie man eben überhaupt nie weiß, was mit dieser Serie anzufangen ist: Wirklich langweilig ist sie nicht, aber trotz Splatter-Einlagen auch nicht spannend. Einen überzeugenden Tonfall findet sie nicht. Sie ist zwar komisch, aber unfreiwillig - glaube ich zumindest. Ästhetisch verneigt sie sich in viele Richtungen (von Lynch über Kubrick, dessen Flurfahrten aus "Shining" zitiert werden, bis zum Gloss aus "Twilight" und "True Blood"), ohne dabei irgendwo anzukommen. Ein treibender Plot wird auch nach Folge drei noch gesucht. Ein verunglücktes Tohuwabohu also? Kann schon sein. Vielleicht aber wird "Hemlock Grove" eines Tages Kult sein und vor allem wegen jener zahlreichen Fragmente in Erinnerung sein, die man getrost unter purem Camp verbuchen kann - zum Beispiel die Figur der Dr. Clementine Chasseur, eine lesbische Ermittlerin aus der Abteilung "Fish & Wildlife", die einem religiösen Drachenorden angehört und das Mördertier erschnüffeln möchte. Was die glutäugige Kandyse McClure ( "Battlestar Galactica") da schauspielerisch abliefert, das kann nur parodistisch gemeint sein! Der schönste Moment: Sie verdächtigt den hemdlos vor ihr stehenden Peter des Werwolfseins - er sei ja schon ziemlich haarig. Kurios nur, dass Darsteller Liboiron über keine nennenswerte Körperbehaarung verfügt. Womöglich ist am Ende die ganze Serie so: Jungmännerflaum, der sich als Pelzmonster tarnt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Folgen von "Hemlock Grove".

Meine Wertung: 2.5/5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Netflix


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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