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TV-Kritik/Review: Togetherness

Neue HBO-Dramedy von den Duplass-Brüdern - von Gian-Philip Andreas
(04.03.2015)

Freizeitspaß sieht anders aus: die ungewöhnliche Wohngemeinschaft auf dem Weg zum Strand
Freizeitspaß sieht anders aus: die ungewöhnliche Wohngemeinschaft auf dem Weg zum Strand


Die Brüder Jay und Mark Duplass sind seit einem Jahrzehnt so etwas wie die heimlichen Stars der US-amerikanischen Indie-Szene. Mit dem Film "The Puffy Chair" (2005) etablierten sich die beiden, die stets gemeinsam Regie führen, als Vorreiter des "Mumblecore", einer neuen Welle von Low-Low-Budget-Filmen, die überwiegend mit nuschelnden Laiendarstellern besetzt sind. Mit "Cyrus" und "Jeff, der noch zu Hause lebt" ließen sie dann zugänglichere Komödien folgen, die auch in Deutschland im Kino liefen. Die Duplass-Brüder sind aber auch als sympathisch durchschnittlich aussehende Schauspieler bekannt geworden: Jay Duplass war zuletzt als Josh Pfefferman im Golden-Globe-Abräumer  "Transparent" zu sehen, Mark spielte in ungezählten Indie-Komödien mit und seit 2009 eine Hauptrolle in der Fantasy-Football-Comedy  "The League". (Und in  "The Mindy Project" spielen beide Hebammen!)

Durch diese Umtriebigkeit haben die Duplass-Brüder inzwischen eine Bekanntheit erreicht, die dem Underground so sehr entwachsen ist, dass sie auf dem Radar des gehobenen Arthouse gelandet sind. Konsequenterweise legen sie jetzt ihre erste eigene Serie vor - auf dem Pay-TV-Kanal HBO.  "Togetherness", so der Titel, ist mehr oder weniger das geworden, was man erwarten konnte: eine Single-Camera-Comedy mit Träne im Knopfloch. Mittelstandsprobleme von nicht mehr ganz so jungen weißen Menschen, serviert mit schön schrägem Offbeat-Humor (der Ausflüge ins Fremdschämfach nicht scheut) und melancholischer Grundierung. Auf HBO passt das bestens ins Sendeschema zwischen "Girls" (allerdings zehn bis fünfzehn Jahre weiter im Lebenslauf) und "Looking" (jedoch weniger angestrengt hip und multi-ethnisch).

Im Mittelpunkt stehen zwei Paare in Los Angeles, von denen jedoch nur eines auch das Bett teilt: Brett (Mark Duplass) und Michelle Pierson (Melanie Lynskey) sind verheiratet und Ende dreißig. Er arbeitet als Toningenieur in Hollywood, sie kümmert sich um die kurz vor der Einschulung stehende Tochter Sophie und um deren neu geborenen Bruder. Sexuell läuft nichts mehr - zumindest nicht miteinander: Brett löscht verdächtig häufig den Verlauf seines Browsers, Michelle schafft sich mit Hilfsgeräten Abhilfe. "Warum willst du nicht mehr mit mir schlafen?", fragt Brett sie eines Abends halb resignativ. "Keine Ahnung", anwortet Michelle ebenso schonungs- wie hilflos.

Das zweite Paar der Serie stößt mithilfe leicht knirschender Drehbuchkonstruktionen unters Dach der Piersons: Michelles ältere Schwester Tina (Amanda Peet), eine promisk lebende Hüpfburgverkäuferin, tauscht ihre Heimat Houston kurzerhand gegen L. A. ein, nachdem ihre jüngste Affäre mit einem selbstverliebten Bootsbesitzer per SMS ihr jähes Ende fand. Bretts Kumpel Alex (Steve Zissis, der die Serie gemeinsam mit den Duplass-Brüdern entwickelte) ist ein arbeitsloser Schauspieler, der im Theaterclub der High School einst als "Jesus Christ Superstar" glänzte, inzwischen aber fast vierzig ist und mit seinem schütteren Haar und der untersetzten Figur laut Aussage seiner Agentin besetzungstechnisch ein "Tweener" ist, also zu wenig dünn für Hauptrollen und zu wenig dick, um als lustiger, fetter Sidekick durchzugehen. Gleich zu Beginn wird der Pleitier aus seiner bisherigen Wohnung geworfen. Zuflucht finden sowohl Tina als auch Alex im Haus der Piersons - womit endlich genügend Komplexbehaftete unter einem Dach versammelt sind, um den Gag-Motor am Laufen zu halten.

Man darf sich das allerdings nicht als Slapstick-Maschine mit Pointen in gängiger Sitcom-Frequenz vorstellen. Der Humor kommt in "Togetherness", von einigen sehr lebhaften Passagen abgesehen, eher leise daher; der Blick der Macher auf die Liebes-, Leibes- und Lebensnöte von Menschen um die vierzig verlangt zwingend auch ruhigere Passagen - die hier oft zu den schönsten zählen. Das ebenso komische wie bedrückend lebensnahe Ehedrama der Piersons entfaltet sich beispielsweise angenehm bedächtig - und zwar mehr über Brett und Michelles Erlebnisse ohne einander als über jene, die sie miteinander teilen. Im Falle Bretts beginnt der Frust schon im Job: Obwohl er sich etwa die Mühe macht, per Field Recording in abgelegenen Tälern das Heulen eines echten Kojoten aufzunehmen, wird er vom egomanen Regisseur der stumpfen Thrillerserie, für die er gerade arbeitet, gnadenlos niedergemacht: Das Gejaule klinge ja furchtbar! ("Blair Witch Project"-Hauptdarsteller Joshua Leonard hat in der Rolle dieses Regisseurs noch mehrere beeindruckend fiese Auftritte.)

Fürchtet, zu kurz zu kommen: Singlefrau Tina (Amanda Peet)
Fürchtet, zu kurz zu kommen: Singlefrau Tina (Amanda Peet)

Michelle nutzt Abende ohne Ehemann derweil dazu, allein durch die Stadt zu streifen, halbwüchsige Jungs erotisch zu verwirren und einen potenziellen Seitensprung zu initiieren. Zwischendurch versucht sie aber auch, die Beziehung zu Brett mit neuem Input zu befeuern: Ermutigt von Schwester Tina bereitet sie in der zweiten Episode einen "besonderen Abend" für den Ehemann vor. Die schwüle SM-Session, die den ermattet von der demütigenden Arbeit nach Hause geschlurften Brett erwartet, missglückt jedoch schon im Ansatz so peinlich absurd, dass sie zwei peinsame Stunden "Fifty Shades of Grey" im Nu vergessen macht.

Eine ganz andere Dynamik herrscht zwischen Alex und Tina. Die attraktive Frau ohne feste Bindung versucht dem dicklichen Underachiever zu neuem Selbstbewusstsein zu verhelfen - unter anderem mit strengem Diät- und Workout-Plan. Schnell wird klar, dass Alex amouröse Gefühle für die nur unwesentlich ältere Schöne hegt - sehr einseitige Gefühle, das ist klar. In der dritten Episode schmuggeln sich die beiden auf die Premierenparty jener Serie, für die Brett arbeitet. Alex' Versuch, den einflussreichen Produzenten Larry ( "O.C., California"-Veteran Peter Gallagher) anzusprechen, mutiert dabei zu formidabler cringe comedy - samt entgleistem Smalltalk auf dem Herrenklo und bitterer Pointe zum Schluss: Larry lässt sich zwar zum Gespräch mit Alex herab, freilich nur, um über ihn an Tina heranzukommen. Was auch gelingt. Für Alex ist das doppelt tragisch: Nicht nur interessiert sich der Produzent wenig für seine Schauspielkunst, nein, er schnappt sich auch die Frau, die Alex selbst begehrt. Zum Glück hält Brett für solche Fälle stets tröstende Tapes parat: Am Ende der Folge trommeln sie im Auto die Breaks von Rushs Prog-Rock-Heuler "Tom Sawyer" nach. Überhaupt hat der Soundtrack ein Faible für jaulstimmigen Haarmattenschleuder-Rock von Bands wie Skid Row - was Jungs um die vierzig heute eben so hören, wenn sie nostalgisch werden.

Man könnte das alles als neuerliche Variante einer Comedy über weiße Mittelstandsneuroriker getrost ad acta legen, wären die Episoden nicht so entlarvend gut geschrieben und die Figuren nicht so sehenswert gespielt. Mark Duplass hat sich die Rolle des grundsympathischen, aber hoffnungslos überforderten Familienvaters gekonnt selbst auf den Leib geschrieben. Großartig als Michelle ist Melanie Lynskey, die als jugendliche Mörderin in Peter Jacksons "Heavenly Creatures" bekannt wurde und später zu lange im  "Two and a Half Men"-Hamsterrad festhing. Die Hausfrau mit Vorschlusspanik nimmt man ihr sofort ab, ihre Pointen schießt sie mit perfektem Timing ab.

Eine schöne Überraschung ist auch Amanda Peet als Tina: Das ums Jahr 2000 herum viel besetzte Hollywood-Sternchen ("So was wie Liebe") ist mittlerweile 43 Jahre alt und lässt hinter der fröhlichen Fassade des verblühenden Partygirls Abgründe erkennen, die hoffentlich noch weiter ausgelotet werden. Ganz wunderbar schließlich Steve Zissis (Schulkumpel der Duplass-Brüder), der als schmerbäuchiger Alex im durchtrainierten Hollywood eine rundherum tragische Gestalt ist, dabei aber die Fähigkeit besitzt, Menschen um ihn herum sofort in gute Laune zu versetzen - wenn er denn mal will.

"Togetherness" setzt diese vier konträr angelegten Figuren in ein reizvolles Spannungsverhältnis, das trotz des sicher nicht neuen Themas imstande sein dürfte, auch über die nur acht Folgen der ersten Staffel hinaus zu interessieren. Fans melancholischer Indie-Komödien werden's mit Freuden sehen.

Meine Wertung: 4/5


Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden der Serie.


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: HBO


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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