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Serienhoffnung der ARD Mediathek ist weder ehrlich noch konsequent
"All You Need" startet in One nun auch im linearen Fernsehen
ARD Degeto/Andrea Hansen
TV-Kritik/Review: "All You Need": Triste Gay-"Dramedy" mit Milchglas-Filter/ARD Degeto/Andrea Hansen

31 Jahre ist es schon her, seitdem sich Carsten Flöter und Robert Engel als erstes schwules Paar in einer deutschen Serie küssen durften. Die Szene aus der  "Lindenstraße" ist bis heute legendär. Doch es hat eben auch 31 Jahre gedauert, bis die einstige Heimat-Anstalt von Carsten und Robert nun eine Serie an den Start schickt, in deren Zentrum ausschließlich schwule Hauptfiguren stehen.

 "All You Need" von Autor und Regisseur Benjamin Gutsche ( "Arthurs Gesetz") ist seit dem 7. Mai in der ARD Mediathek abrufbar und zielt damit klar auf ein jüngeres Publikum. Im linearen Programm des Spartensenders One werden die fünf von UFA Fiction produzierten Episoden dagegen auf recht eigentümlichen Sendeplätzen gezeigt: am 16. Mai ab 23.15 Uhr und am 17. Mai ab 21.45 Uhr. Etwas seltsam für ein Format, von dem die Verantwortlichen immerhin bereits eine zweite Staffel bestellt haben.

So hat "All You Need" einerseits Vorschusslorbeeren des Senders erhalten, andererseits dürfte die Erwartungshaltung bei potenziellen Zuschauern der LGBTQI+-Community doch recht hoch sein. Zumindest war es bei mir so. Und ich fürchte, dieses Review muss etwas persönlicher ausfallen als die meisten anderen, die ich in den letzten Jahren für TV Wunschliste verfassen durfte. Also setzt euch mal zu mir.

Hi, ich bin Ralf. Und ich fand "All You Need" hochgradig enttäuschend - als schwuler Mann, als Kritiker und als Serienfan. Doch eins nach dem anderen.

"All You Need": Fünf Freunde im Berliner Nachtleben
"All You Need": Fünf Freunde im Berliner Nachtleben ARD Degeto/Andrea Hansen

"All You Need" erzählt die Geschichte von Vince (Benito Bause), der sein Single-Leben in Berlin zwar einerseits genießt und sich in die Dating- und Club-Szene stürzt, andererseits aber betrübt ist, dass sein einstiger Mitbewohner Levo (Arash Marandi) auszieht. Ausgerechnet das vermeintlich spießige Einfamilienhaus soll dessen neues Zuhause werden. Denn Levo hat sich in den älteren Familienvater Tom verliebt, der für ihn sogar Ehefrau und Sohn verlassen hat.

Vince und Levo nehmen Tom mit ins schwule Nachtleben von Berlin, wo Vince auch den souveränen und charmanten Robbie (Frédéric Brossier) kennenlernt. Für Vince ist es die erste feste Beziehung seit langem. Doch der praktisch mittellose Robbie hat mit dem eigenen Selbstwertgefühl und den Schatten seiner Vergangenheit zu kämpfen.

Der Start von "All You Need" ist durchaus vielversprechend. Vince schwebt unter Wasser in einem wunderschön beleuchteten Pool und sinniert darüber, was er trotz bester Absichten gerade angerichtet hat. Danach beginnt der Rückblick und damit auch die Serie selbst. In diese Neo-Noir-Wasserlandschaft nimmt uns auch der stylische Vorspann mit, der mit einem gelungenen Titelsong zunächst Lust auf mehr macht. Doch schon kurz danach setzt die Ernüchterung ein.

Die größten Mankos von "All You Need" sind eindeutig Buch und Regie. Die hölzernen Dialoge wirken über weite Strecken vollkommen unnatürlich und vor allem die Gespräche zwischen den vier Freunden und der besten Hetero-Freundin Sarina (Christin Nichols), die hier bestenfalls als farbloser Anhang zu deklarieren ist, sorgen weder für Lacher noch für nachdenkliche Momente, sondern bestenfalls für Stirnrunzeln.

Vince (Benito Bause, l.) und Robbie (Frédéric Brossier, r.)
Vince (Benito Bause, l.) und Robbie (Frédéric Brossier, r.) ARD Degeto/Andrea Hansen

Die beworbene Dramedy ist "All You Need" jedenfalls nicht. Die wenigen witzigen Momente, die es tatsächlich gibt, wirken im Angesicht der mangelnden Humordichte komplett deplatziert und aufgesetzt. Aber bietet das Format dann wenigstens gutes Drama? Auch das nicht, denn die Serie ist auch als Drama nicht konsequent genug.

Im Zusammenhang mit "All You Need" wird man sicher öfters wieder von schwulen Klischees lesen, ob die Serie sie bedient oder ob sie kaum verwendet werden... Letztendlich geht es den meisten Betrachtern wohl eher darum, ob sie ihren eigenen Lebensentwurf in "All You Need" wiederfinden.

Ich persönlich finde das komplett unerheblich. Erstens mag ich es, wenn mich Fernsehen mit in Welten nimmt, die ich eben nicht kenne, die aufregend und auch ein bisschen fremd sind. Andererseits muss man ganz klar sagen: Die hier aufgezeigten Welten sind zwar einerseits schwule Klischees. Doch sie existieren. Das aufregende Nachtleben von Berlin, schwule Saunen, wo Männer nach anonymem Sex suchen, und der Fetischladen am Nolldendorfplatz sind genauso Realität wie Toms Einfamilienhaus oder Robbies winzige Plattenbauwohnung. Was ich "All You Need" vorwerfe, ist also nicht, dass all das gezeigt wird - sondern dass man dabei nicht ehrlich ist.

Levo (Arash Marandi, l.) und Tom (Mads Hjulmand, r.)
Levo (Arash Marandi, l.) und Tom (Mads Hjulmand, r.) ARD Degeto/Andrea Hansen

Die gesamte Serie wirkt optisch wie auch inhaltlich, als habe man sich eine Art von Distanz-Filter verordnet, der sowohl den Zuschauer als auch die Figuren selbst davon abhält, tatsächlich bis zur Wahrheit des Gezeigten vorzudringen. In der Sauna führen die Freunde ausgerechnet nackt unter der Dusche die wichtigen Gespräche, anstatt tatsächlich die Vorzüge des Badehauses zu nutzen - Realismus sieht anders aus. Nur der frisch geoutete Tom dreht mit großen Augen seine Runden, wird aber ja wohl auf keinen Fall auch nur irgendeinen anderen Mann anfassen, schließlich hat er es seinem Freund ja versprochen.

"All You Need" hat nicht den Arsch in der Hose, um eine ganz einfache Wahrheit auszusprechen: Manche schwulen Männer mögen schnellen Sex und One-Night-Stands. Und das ist genauso okay wie die Sehnsucht nach Partnerschaft, Freundschaft und einem Leben im Reihenhaus. Diversität, verstehste? Das soll nicht heißen, dass man irgendetwas verharmlost, im Gegenteil: alle Seiten beleuchten, alles ansprechen, im Guten wie im Schlechten und gerne auch einmal Stellung beziehen! Aber bitte nicht von außen mit einem müden Lächeln einfach nur draufgucken.

Daneben vollbringt die Serie ein beachtliches Kunstwerk. Einerseits wurde "All You Need" an echten, schillernden Locations wie dem bekannten Club SchwuZ, im Klunkerkranich oder in der Boiler-Sauna gedreht. Andererseits sehen diese Orte nun auf dem Bildschirm um ein vielfaches langweiliger und farbloser aus, als sie es im echten Leben sind. Das ist schon eine Leistung. Wo ist die Schönheit von Berlin geblieben? Wo ist die Hässlichkeit von Berlin geblieben? Wo die Verspieltheit, wo das Abenteuer? Manchmal fühlt es sich an, als würde man die ganze Handlung durch eine traurige Milchglasscheibe betrachten.

Wenn der aktuelle Werbespot eines Möbelhauses mit Cocktails ausschenkenden Profifußballern homoerotischer daherkommt als die erste ARD-Serie mit schwulen Hauptfiguren, dann haben wir ein Problem.

Vince (Benito Bause, l.) und Robbie (Frédéric Brossier, r.) im Gefühlschaos einer noch frischen Beziehung
Vince (Benito Bause, l.) und Robbie (Frédéric Brossier, r.) im Gefühlschaos einer noch frischen Beziehung ARD Degeto/Andrea Hansen

Der einzige Ankerpunkt von "All You Need", der halbwegs funktioniert, sind manche der Darsteller, auch wenn die Chemie zwischen den beiden Pärchen nicht besonders ausgeprägt ist. Arash Marandi ist als Levo absolut liebenswert, hat aber mit der inkonsequenten Figurenführung im Drehbuch zu kämpfen. Selbstbewusst lustig, weiblich und bunt, aber trotzdem ohne wirklichen Grund auf die heile Welt im Reihenhaus pochend - was denn nun?! Frédéric Brossier ist als zunächst geheimnisvoller Robbie absolut herausragend. Die Geschichte seiner Figur ist eigentlich die einzige, die voll und ganz funktioniert und in sich schlüssig ist. Er kann mit Charme, Souveränität und einer nicht übertriebenen Portion Verletzlichkeit punkten.

Zwiespältiger fällt das Urteil bei Vince aus. Einerseits verfügt Hauptdarsteller Benito Bause eindeutig über das Charisma und die Präsenz, um die Serie tragen zu können. Dennoch schafft er es nicht, aus der mangelhaften Charakterzeichnung des Drehbuchs so viel Sympathien für Vince herauszuschlagen, dass man ihn trotz seines fragwürdigen Verhaltens weiterhin als Figur im Zentrum anfeuern möchte.

Völlig farblos bleibt der frisch geoutete Familienvater Tom, verkörpert von Mads Hjulmand. Man kauft ihm die dargestellte Neugier auf die große, neue, schwule Welt praktisch nie ab, genauso wenig wie die Kämpfe, die er für die Trennung von seiner Familie auf sich nehmen musste. Nicht, dass man von diesen Kämpfen besonders viel mitbekommen würde. Wie fühlt es sich denn bitte an, wenn man nach 20 Jahren Ehe seine Frau und seinen Sohn verlässt? Welche Kämpfe, Tränen, Schmerzen und zerschmissenen Vasen bringt so etwas hervor?

Das Leiden der Ehefrau gehört genauso zur Wahrheit eines solchen schmerzhaften und dennoch befreienden Outings wie der erste Sauna-Ausflug. Doch auch hier: Fehlanzeige. Stattdessen geht Autor und Regisseur Gutsche lieber mit Tom und Levo für Schwanz-Witze zu IKEA. Wenigstens Toms Teenagersohn Nick (Dennis Hofmeister) erhält ein paar schöne Szenen, die letztendlich aber doch im gut gemeinten Ansatz steckenbleiben.

Praktisch in jedem Moment, wo sich "All You Need" die großen, ernsthaften Diskussionen über Stolz, Gemeinschaft, Vorurteile und Rassismus vornimmt, verliert sich die Serie in erschreckend banalen Allgemeinplätzen. Mehr noch: Wenn dies als Teenager in der Provinz mein erster Eindruck von schwulem Alltag und Leben in der Großstadt gewesen wäre, ich hätte wohl nie was damit zu tun haben wollen.

Ich erinnere mich gut, wie ich Anfang der 2000er Jahre mitten in der Nacht im Schweizer Fernsehen über die britische Originalserie  "Queer as Folk" von Russell T Davies gestolpert bin. Es war, als hätte sich die Tür zu einer ganz neuen Welt geöffnet. Sie war bunt, aufregend, erfüllt mit Liebe, Freundschaft, dem Gefühl von Familie, mit Sicherheit und Unbehagen, aber vor allem mit der Aussage: Egal was passiert, es wird gut. Es fühlte sich an wie Leben! Aber am Ende der ersten Staffel von "All You Need" ist absolut nichts gut.

Vince (Benito Bause, l.) und Levo (Arash Marandi, r.) im Berliner Nachtleben
Vince (Benito Bause, l.) und Levo (Arash Marandi, r.) im Berliner Nachtleben ARD Degeto/Andrea Hansen

Vielleicht liegt es auch an mir. Vielleicht bin ich es wirklich leid, dass mehr als 20 Jahre nach "Queer as Folk" in der vermeintlich tollen, neuen Gay-Serie immer noch das Leben von Großstadtsingles erzählt werden muss. Wo ist bitte das Genre?! Wo zur Hölle sind die schwulen Feuerwehrmänner, die lesbischen Zombies, die Trans-Vampire, "In aller Freundschaft - Die schwulen Ärzte", die queere Raumschiff-Besatzung?! Wobei deutsche Sender und Produzenten allgemein ein Problem mit dem Begriff Genre zu haben scheinen.

Wieder einmal sind Kino und Literatur da um einiges weiter. Dort darf man sich durch einen universell erfolgreichen und intelligenten Film wie  "Call Me by Your Name" zu unkontrolliertem Schluchzen hinreißen lassen. Oder mit der fantastischen Roman-Schnulze "Royal Blue" der epischen Liebesbeziehung zwischen dem First Son der US-Präsidentin und einem britischen Prinzen beiwohnen.

Romantik pur! Aber vor allem erfüllt von emotionaler Ehrlichkeit - etwas, was auch US-Serien neueren Datums wie  "Love, Victor",  "Pose",  "Sense8" oder  "Now Apocalypse" (schwuler Sex, Mode und Aliens!) bereits hinbekommen haben. Sie bilden ein Lebensgefühl ab, kreieren liebenswerte Figuren und schaffen eine Welt, die zwar keinesfalls frei ist von Problemen, in der man sich aber unbedingt aufhalten möchte. So entsteht nicht nur Serienvergnügen, sondern auch Vorbildfunktion.

In "All You Need" sucht man all dies weitgehend vergebens. Und es stellt sich das bittere Gefühl ein, dass man bei ARD und UFA Fiction interessierter daran sein könnte, die Diversitätsbox abzuhaken, als tatsächlich die bestmögliche Serie abzuliefern. So bleibt mir am Ende nur, ganz getreu dem ach so schwulen Klischee, Madonna zu zitieren: Das Zweitbeste ist nicht gut genug. Baby, du kommst alleine so viel besser zurecht!

Dieser Text basiert auf Sichtung der kompletten ersten Staffel von "All You Need" in der ARD Mediathek.

Meine Wertung: 2/5

Die fünfteilige erste Staffel von "All You Need" wird am Sonntag (16. Mai, ab 23.15 Uhr) sowie am Montag (17. Mai, ab 21.45 Uhr) in One gezeigt. In der ARD Mediathek ist die Serie bereits seit dem 7. Mai komplett abrufbar.


 

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von "Der Denver-Clan", "Star Trek" und "Aktenzeichen XY…ungelöst". Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie "Friday Night Lights" oder "The West Wing" genauso wie die Prime Time Soaps "Melrose Place" und "Falcon Crest", die Comedys "I Love Lucy" und "M*A*S*H" oder das "Law & Order"-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie "Derrick" oder "Bella Block" finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für TV Wunschliste tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

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Leserkommentare

  • User 1700983 schrieb am 26.11.2021, 19.40 Uhr:
    Wie kann man nur so negativ über diese neue gay-dramedy schreiben!!
    Sie hat mich fasziniert mit ihren tollen Darstellern, die voller Charme, IInduvidualität nur so sprühen.
    Queer as folk ist auch eine schillernde Sefwnblase und weniger realustisch als All what you need.
    Freue mich auf 2.Staffel sehr.
    Schaut euch die positive Wertung aller hier an. 4 Sterne ist auf jeden Fall ok. Sie ist witzig (coole Sprüche), künstlerisch und spannend zugleich.
  • Strottes schrieb am 18.05.2021, 22.55 Uhr:
    Ich hatte auch den Eindruck, dass es dieser Dramedy an zwei Dingen
    mangelt: Drama und Comedy. Vielleicht hat der Autor/Regisseur sich zu
    sehr darüber gefreut, endlich eine queere Serie machen zu können, und
    dabei vergessen, dass man für ein Projekt brennen sollte, damit man den
    Zuschauer packen kann. Die Serie wirkt auf mich wie ein wenig
    inspiriertes Auftragswerk, an dessen Anfang keine zündende Grundidee
    stand, sondern Versatzstücke aus dem Serienbaukasten. Man schaut in paar
    netten Figuren zu, fragt sich aber, was das Ganze soll und wie man mit
    so viel Angst vor der eigenen Courage ein junges Publikum erreichen will
    - und auch ein nicht mehr so junges wie mich mit meinen 64 Jahren. Dass
    die ÖR inzwischen dazu übergegangen sind, neu produziertes
    Mediathek-Material im linearen Programm nur noch als Füllstoff irgndwo
    dazwischen zu schieben, kommt dann noch hinzu: Ich hab da fast das
    Gefühl, dass die ÖR das, was sie für ein jüngeres Zielpublikum machen,
    den 30 Millionen, die täglich abends lineares TV schauen, gar nicht mehr
    wirklich zeigen wollen.
  • Sentinel2003 schrieb am 16.05.2021, 12.22 Uhr:
    Boah ey, diese derart massige Werbung dafür in der ARD , beinahe vor jeder Sendung nervt tierisch!!