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Amazon-Dramedy gegen Diätwahn und Schönheitsideale mit Julianna Margulies
"Dietland" mit Julianna Margulies (l.) und Joy Nash (r.)
AMC Networks
TV-Kritik/Review: "Dietland": Disparater Genremix aus Satire, Alltagsdrama und Krimi/AMC Networks

Während die meisten Neustarts in den USA, auch im Bereich der sogenannten Qualitätsserien, inzwischen sehr vorhersagbar geworden sind, gibt es doch immer wieder einzelne Produktionen, die sich kaum zuordnen lassen. So weiß man bei der neuen Comedy-Dramaserie  "Dietland" des  "Mad Men"-Senders AMC (in Deutschland über Prime Video zu sehen) auch nach den ersten beiden Folgen im Grunde überhaupt nicht, was eigentlich der Kern der Serie sein soll - zumindest, wenn man die gleichnamige Romanvorlage von Sarai Walker nicht kennt, die bisher nicht auf Deutsch erschienen ist. Nach den Ankündigungstexten könnte man denken, es gehe um Menschen (fast ausschließlich Frauen), die in der Mode- und Lifestyleindustrie arbeiten, speziell bei einer Zeitschrift für junge Mädchen. Tatsächlich ist das aber höchstens das vordergründige Setting - und eigentlich nicht mal das, weil nur sehr wenige Szenen wirklich in den Büros des Magazins spielen. Aber der Reihe nach.

Die Antiheldin mit dem unwahrscheinlichen Namen Plum Kettle ("klingt wie aus einem Kinderbuch", bemerkt eine Zufallsbekannte einmal) ist Ende 20, stark übergewichtig, unsicher und deprimiert. Immerhin hat sie einen Job mit Sozialversicherung, aber auch mit geringem Prestige und kaum sozialen Kontakten: Sie beantwortet als Ghostwriterin die Zuschriften der Leserinnen an die erfolgreiche Herausgeberin der Lifestyleillustrierten. Da sie dazu nicht in die Redaktion kommen muss, spielt sich ihr Leben überwiegend in einem Dreieck aus Apartment, Selbsthilfegruppe und ihrem Stammcafé ab, in dem sie ihre Texte schreibt (und bei Bedarf als Kuchenbäckerin einspringt). Eigentlich würde sie lieber richtige Artikel unter eigenem Namen veröffentlichen, aber Kitty Montgomery (Julianna Margulies), die extravagante und egozentrische Verlegerin und Besitzerin einer Firmengruppe, traut ihr das nicht so recht zu. Plums Hauptproblem ist aber ihr Gewicht, seit ihrer Kindheit hat sie alle möglichen Abnehmmethoden ausprobiert - ohne großen Erfolg. Ihre letzte Hoffnung ist eine Magenoperation, für die sie noch zu wenig Geld, dafür aber einige Pfunde zu viel hat. Ihr Äußeres bestimt Plums ganzes Leben: Sie kann sich selbst kaum im Spiegel ansehen, wehrt Flirtversuche ab und hält sich generell für unattraktiv und minderwertig.

Plum Kettle (Joy Nash) ist mit ihrem Äußeren unzufrieden.
Plum Kettle (Joy Nash) ist mit ihrem Äußeren unzufrieden.

Im Laufe der Pilotfolge bricht nun eine ganze Reihe merkwürdiger Ereignisse in ihren eingefahrenen Alltag ein: Zunächst fühlt sie sich - zu Recht - von einer jungen Frau im Gothic-Look verfolgt, die einiges über sie zu wissen scheint. Diese Leeta (Erin Darke,  "Good Girls Revolt") schickt sie schließlich zu einer Angestellten, die im Keller von Kitty Montgomerys Beautyimperium residiert. Dort ist Julia (Tamara Tunie,  "Law & Order: Special Victims Unit") offiziell für den Versand von Pflegeprodukten zuständig, geht aber im Geheimen ihrer eigenen Agenda nach: dem Kampf gegen Body-Shaming und für die Stärkung des Selbstvertrauens junger Mädchen. Zu diesem Zweck will sie Plum überreden, ihr die Daten der Leserinnen zu geben, die sich ratsuchend an das Magazin gewendet haben. Gleichzeitig lernt Plum Dominic (Adam Rothenberg,  "Ripper Street") kennen, einen Detective der New Yorker Kriminalpolizei, der in einem seltsamen Fall ermittelt: eine unbekannte Gruppe entführt scheinbar wahllos Männer, tötet sie und wirft sie teilweise in Plastiksäcke verpackt von Autobahnbrücken. Als Zuschauer kann man mit der Zeit vermuten, dass es sich um Racheaktionen für Vergewaltigungen und andere Sexualdelikte handelt. Und dass die Flirtversuche des Detectives vielleicht doch eher mit seinem Job zu tun haben als mit einer etwaigen Anziehung zu Plum.

Ganz schön viel Stoff, den die Autorinnen um Marti Noxon ( "Buffy - Im Bann der Dämonen",  "Girlfriends' Guide to Divorce") schon in die ersten beiden Episoden packen (es kommt noch die vom Abspeckwahn geläuterte Erbin einer Kette von Diätkliniken hinzu, die ebenfalls eigene Pläne verfolgt). Das führt zu einem reichlich disparaten Eindruck, da sich keine klare Erzählrichtung herausschält. Klar wird immerhin, dass "Dietland" offensichtlich eine Serie werden soll, die selbst eine Agenda verfolgt: gegen die weitverbreitete Kultur des Body-Shaming, also gegen gängige rigide Vorstellungen davon, was in unseren westlichen Gesellschaften als schön gilt, die alle, die dem nicht entsprechen (überwiegend aber Frauen), zu Opfern machen. Sicher ein wichtiges Thema. Völlig unklar bleibt aber noch, wie dieses Anliegen erzählerisch umgesetzt werden soll. Indem Plum mehr Selbstvertrauen entwickelt, sich gegen die verlogene konsumistische Weltsicht ihrer Chefin auflehnt? Oder indem sie in kriminelle Kreise abdriftet, sich womöglich gar der Rächergruppe anschließt? Auch beim Tonfall kann sich die Serie nicht recht entscheiden: Formal beschrieben als "schwarze Komödie" ist "Dietland" dafür einfach nicht lustig genug. Anders als etwa das von der längeren Laufzeit der Folgen und vom gesellschaftskritischen Anspruch vergleichbare  "Orange is the New Black" ist diese Serie überhaupt nicht auf Pointen oder witzige Dialoge hin geschrieben, der Humor resultiert höchstens aus den skurrilen Begebenheiten selbst, entlockt einem aber nicht mehr als ein Schmunzeln. Die Krimielemente wirken zudem in der ansonsten eher alltäglich-realistischen Geschichte Plums deplaziert.

Julianna Margulies als Kitty Montgomery, die egozentrische Verlegerin des Lifestylemagazins
Julianna Margulies als Kitty Montgomery, die egozentrische Verlegerin des Lifestylemagazins

Überzeugen können jedoch die Inszenierung (Norton führte beim Piloten selbst Regie) und die DarstellerInnen. Die Serie arbeitet mit Rückblenden auf die Vorgeschichten von Figuren, die originell ins Bild gesetzt werden. So spielt sich das Leben der Diätpäpstin, das ihre Tochter erzählt, vor Plums innerem Auge als Theaterstück ab, inklusive Kulissen und Bühne. Außerdem gibt es immer wieder Animationssequenzen; Plum sieht sich selbst regelmäßig als unförmige gezeichnete Figur, die sich durch die Straßen schiebt. Mit Joy Nash haben die SerienmacherInnen eine sympathische Hauptdarstellerin gefunden, mit der man sich gut identifizieren kann und die die wechselhaften Gefühlslagen der Figur überzeugend rüberbringt. Etwas gewöhnungsbedürftig sind zunächst noch die (vor allem in der ersten Folge) spärlichen Auftritte von Julianna Margulies. Mit rot gefärbter Mähne und grell geschminktem Gesicht ist die einstige Sympathieträgerin aus  "Emergency Room" und  "Good Wife" kaum wiederzuerkennen. Ob ihre Figur der große Bösewicht und Plums Gegenspielerin werden soll oder eher ein im Grunde doch herzensgutes Opfer des Schönheitswahns ist, bleibt schwer einschätzbar.

Die Neugier auf Plums weiteren Weg zu mehr Selbstvertrauen und zur Akzeptanz ihres Körpers ist nach zwei Folgen geweckt, die viele Ansätze zu einer interessanten Geschichte bieten. Jedoch sollte im Verlauf der weiteren Episoden klarer werden, wohin die Serie will: bissige Satire oder doch eher Alltagsdrama mit Krimielementen. Bisher ist "Dietland" trotz hohen Unterhaltungswerts und gesellschaftlich relevanten Themas weder richtig Fisch noch Fleisch.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Dietland".

Meine Wertung: 3.5/5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: AMC Networks

"Dietland" wird in Deutschland parallel zur US-Premiere ab dem 5. Juni wöchentlich bei Prime Video von Amazon veröffentlicht.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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